Bonn/Regensburg, 12. September 2024
Der Hl. Thomas Morus lebte in besonderer Weise integer und pflichtbewusst für die katholische Kirche und Gott. Was hat sein Leben gezeichnet und was könnte er uns heute mit auf den Weg geben?
Thomas Morus wird als zweites Kind einer Juristenfamilie am 6. Februar 1477 in London geboren. Schon früh wird er mit der damaligen Oberschicht in Kontakt gebracht und studiert 1492 auf Wunsch seines Vaters in Oxford und London Rechtswissenschaften. Eine eigene Priesterberufung während eines Aufenthaltes in einem Karthäuserkloster prüft er und entscheidet sich zunächst dagegen. Stattdessen wird er mit nur 23 Jahren Anwalt in London und mit 26 Jahren Mitglied im Parlament. Im selben Jahr heiratet er. Aus der Ehe gehen vier Kinder hervor. Gemeinsam mit seiner Familie betet er und liest aus der Bibel. Beruflich folgt eine steile politische Karriere, bis dahin, dass er als erster Laie unter König Heinrich VIII. zum „Lordkanzler“ ernannt wird.
Ein Ziel vor Augen und den Glauben im Herzen
Peter Ackroyd beschreibt den Charakter von Thomas Morus in seiner Biografie wie folgt: „Er war ein einfallsreicher Schauspieler und wurde ein ebenso geschickter Rhetoriker […] Seine polemischen Texte verraten die Hartnäckigkeit, die Subtilität und den Erfindungsreichtum seiner Angriffe gegen seine Gegner [..] Er war stets präzise und scharfsinnig, aber manchmal drängt sich der Verdacht auf, dass er eine Art Spiel spielte. […] Hier sind die Voraussetzungen für einen perfekten Anwalt gegeben: geschickt und doch distanziert, umsichtig und theatralisch, überzeugend und praktisch gleichermaßen.“[1]
Nachdem Martin Luther in den 1520er Jahren König Heinrich stark beleidigte und die katholische Kirche angriff, steigerte dies Thomas‘ Pflichtbewusstsein und seine Freundschaft zu König Heinrich. Er ging in die Gegenoffensive.
Klare Meinung ohne Angst vor Gegenwind
„Das katholische England hatte mit Entsetzen und Empörung auf den Reformator reagiert. […] Thomas Morus trat nun als Ratsmitglied und königlicher Diener in den Konflikt ein. […] Er sollte im Namen seines Herrn mit denselben beißenden Worten antworten, Text für Text und Beleidigung für Beleidigung austauschen.“[2]
„Morus berief sich auf die Autorität der Apostel und der Kirchenväter, auf die historische Identität und Einheit der katholischen Kirche sowie auf die mächtige Tradition ihrer Lehren, die von der Autorität Christi geleitet wurden. […] Seine Kirche war eine Kirche der Ordnung und des Rituals, in der die Gebote der historischen Autorität verankert waren. All das verachtete und verwarf Luther. Er besaß die authentische Stimme des freien und unabhängigen Gewissens und fand irgendwie die Kraft, sich gegen die Welt zu stellen, die er geerbt hatte. Er griff die gesamte mittelalterliche Ordnung an, zu der Morus gehörte.“[3]
Was würde uns Thomas Morus wohl heute sagen?
Vermutlich: Steh nicht nur zu deiner Meinung, sondern auch zu starken, wahren Überzeugungen. Der katholische Glaube war für ihn eine Wahrheit, die in der Tradition vieler Lehren und Traditionen verkündigt und verteidigt werden musste.
Die Affäre König Heinrichs zu seiner Hofdame in der persönlichen Sorge um die Thronnachfolge und die ab 1529 entstehenden Spannungen zur Lehre der römisch-katholischen Kirche führten zu einer radikalen Loslösung von Rom. König Heinrich gründete seine „anglikanische“ Kirche. Thomas Morus konnte dem König nicht mehr folgen. Er widersprach dem „Suprematseid“ und trat 1523 als Lordkanzler zurück. Das missfiel dem König und Morus wurde in den Tower von London gesperrt, nachdem seine Familie zuvor bis zur Armut enteignet wurde.
Würden wir auch alles aufs Spiel setzen für unseren Glauben?
Hätten wir anstelle von Thomas Morus wohl genauso entschieden? Unsere Sicherheit und den direkten Draht zu einem König aufs Spiel gesetzt für die ungeschönte, klare Verkündigung des römisch-katholischen Glaubens? Hätten wir Gott über all die weltlichen Güter wie Wohlstand, Anerkennung und (Schein-)Sicherheit gestellt?
„Er war nun tatsächlich ein Gefangener. Er hatte den Eid verweigert und sollte deshalb wegen ‚Hochverrats‘ angeklagt werden. Aber er hatte sich geweigert, seine fatale Entscheidung zu begründen, und in diesem Moment trat er in das Schweigen ein. Oder besser gesagt, das Schweigen brach über ihn herein.“[4]
„Ich kenne meine eigene Schwäche sehr wohl“, sagte Morus im Gefängnis zu seiner Tochter. „Ich weiß um die Zaghaftigkeit meines Herzens. Ich will mich in dieser Angelegenheit nur nach Gott richten; deshalb macht es mir auch gar nichts aus, wenn die Menschen meine Haltung an ihren Maßstäben messen.“[5]
In Zeiten von Unsicherheit, Angst und Kritik hilft uns der Heilige Thomas Morus, für die katholische Kirche einzustehen, selbst wenn es dort zu Spannungen und Zerwürfnissen kommt. Er würde uns sagen, dass Pflichtbewusstsein und ein klares Ziel vor Augen im Leben wichtig sind. Er war ein vorbildlicher Anwalt, ein pflichtbewusster und talentierter Mensch im Weltlichen, ein Gläubiger, der Orientierung fand und sie verteidigte.
Thomas Morus wurde am 6. Juli 1535 ermordet.
Text: Manuel Hoppermann/f1rstlife
(kw)
[1] Peter Ackroyd, The Life of Thomas More, 1991: S.52
[2] Peter Ackroyd, The Life of Thomas More, 1991: S.223
[3] Ebd.: S.225
[4] Ebd.: S.354
[5] The English Works of Sir Thomas More. London 1557; deutscher Text aus: Lesungen für die Heiligenfeste im Mai u. Juni. Salzburg 1970, S. 46 - 48