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Edith Stein – Gottsucherin, Märtyrerin, Heilige

Leben mit dem Kreuz

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Regensburg, 9. August 2024.

„Komm, wir gehen für unser Volk“, soll Edith Stein vor ihrer Deportation nach Auschwitz zu ihrer Schwester gesagt haben. Die Karmelitin ist damit für ihren Glauben ermordet worden, 1942, in Auschwitz. Warum sie zum Katholizismus konvertierte, in einen Orden eintrat und ein Vorbild für Frieden und Freiheit sein kann.

„Krieg ist immer eine Niederlage der Menschheit“, hat der heilige Papst Johannes Paul II. IN Jahre 2003 gesagt. Er war es auch, der seine Landsfrau Edith Stein selig- und heiliggesprochen sowie zur Mitpatronin Europas erhoben hat. Doch dieser Ehrung durch die Kirche ging ein Leben mit dem Kreuz voraus. Zwei Kriege und persönliche Schlachten musste Edith Stein erleben und hat „Sühne und Stellvertretung“ zu ihrem Lebensprogramm gemacht.

Edith Stein wurde am 12. Oktober 1891 als elftes Kind jüdischer Eltern in Breslau in Schlesien geboren. In der Schule ist sie Klassenbeste und galt als intelligent und aufgeschlossen. Als Teenager distanzierte sie sich bewusst vom jüdischen Glauben und nannte sich selbst „Atheistin“. 1911 bis 1913 studierte sie in Breslau Germanistik, Geschichte, Psychologie und Philosophie. Ihre Sehnsucht nach Wahrheit führte Edith Stein bis 1915 nach Göttingen, wo sie Edmund Husserl hörte. Sie schloss das Studium mit dem Staatsexamen ab wurde – wieder von Edmund Husserl - promoviert.

Das Kreuz hält Einzug

Vier Mal bewarb sich Edith Stein sich um eine Habilitation – vergebens. Ihr Plan, die erste Professorin für Philosophie in Deutschland werden, wurde indessen auch durch den Tod eines guten Freundes durchkreuzt. Als sie seine Witwe trösten wollte, sah sie deren unerschütterlichen Glauben. Sie bleibt getrösteter zurück als jene Frau. In diesem Augenblick, so schrieb sie rückblickend, „fällt mein Unglaube zusammen“. Seitdem erstrahlte ihr Jesus im Geheimnis des Kreuzes.

Pater Dominikus Kraschl OFM, der beim geistlichen Symposium Würzburg im Jahr 2022 über das Leben Edith Steins sprach, führte die Begriffe „Sühne“ und „Stellvertretung“ an, die in ihrem Leben immer spürbarer geworden seien. Denn sie habe begonnen, sich für die Heilige Messe zu interessieren und sie täglich zu besiuchen. Ihr Leben habe sich radikal verändert. Und das stimmt: 1922 wurde Edith Stein getauft, empfing die erste heilige Kommunion und wurde gefirmt.

In jener Zeit befand sich das Deutsche Reich nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg in der Krise: Die Weimarer Republik bestand damals zwar noch, scheiterte aber bald darauf, 1933. Auch in Edith Steins Leben nimmt genau dieses Jahr eine Vorrangstellung ein, denn im Alter von 42 Jahren trat sie in das Kölner Karmelitinnenkloster „Maria vom Frieden“ ein. Sie erhielt den Namen Teresia Benedicta vom Kreuz.

Sühne und Stellvertretung

Für Pater Dominikus Kraschl OFM ist klar, dass Edith Stein die Themen Sühne und Stellvertretung nicht vordergründig intellektuell definiert, sondern durch die Geschehnisse in ihrem Leben dazu gedrängt wurde. Sie verkörperte die Sehnsucht – und diese lebte sie auch im Orden –, „dass unser Leben für andere und aus der Haltung der Hingabe fruchtbar und gespeist wird.“ Sie empfand das Leben im Orden nicht als „Weltflucht“, sondern als „Beruf, für alle vor Gott zu stehen und für die Menschen einzustehen.“

Edith Stein lebte in der Haltung, in sich selbst die Macht des Bösen zu überwinden, weil sie erkannte, dass vor allem Feindesliebe einen Menschen vollkommen macht – scheinbar aussichtslos in der Zeit, in der die Nationalsozialisten an der Macht und auf dem Weg zu einem neuen Krieg waren. Auch heute ist es ja so, dass die Kluft zwischen Ländern und Regierenden unüberbrückbar scheint.

Emigration und Deportation

Am 21. April 1938 legte Edith Stein ihre ewigen Gelübde ab. Ende 1938 emigrierte sie in den Karmel nach Echt in den Niederlanden. Auch in dieser Zeit des Exils hielt sie daran fest, Zeugin Gottes an Orten und in Situationen zu sein, in denen er scheinbar abwesend ist. Ihre Haltung hatte damit zu tun, als Sühnende teilzuhaben am Erlösungswerk Christi. Stellvertretend für andere zu leiden und sich aufzuopfern, drückte Edith Stein wie folgt aus: „Der Lohn der Sühne ist der Lohn des Sünders“. Jesus Christus leide in und mit seiner Kirche und trete an den Ort des Sünders und bringt ihn so geheimnisvoll in die Nähe Gottes – das war ihre Überzeugung.

Auch im Angesicht des nahenden Todes sah Edith Stein in der Sühne ein „mühsames Sich-Einfinden in das Weltgeschehen“, das nur gelinge, „wenn man das leidende Haupt Gottes sieht“. So erhalte das Leiden einen Sinn. So wichtig wie in ihrer Zeit ist es auch heute für die Gläubigen. Das Opfer muss nicht blutig sein, sondern kann darin bestehen, Zeit für das Gebet um Frieden zu opfern, die Tradition der Eucharistischen Anbetung zu pflegen und zur Gewohnheit zu machen, Geld zu spenden oder körperliche Leiden für Frieden und Versöhnung aufzuopfern. Die Einsicht dafür wächst, so sagte es Edith Stein, aber nur langsam, weil es zutiefst menschlich sei, dem Leiden entfliehen zu wollen.

1942 — Auschwitz

Fliehen wollte Edith Stein nicht. Entgegen den Protesten des Erzbischofs von Utrecht, Johannes de Jong, wurden 244 zum Katholizismus konvertierte ehemalige Juden, darunter auch Rosa und Edith Stein, am 2. August 1942 von der Gestapo verhaftet. In ihren letzten überlieferten Worten „Komm, wir gehen für unser Volk“, sieht die deutsche Religionsphilosophin Prof. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz „keine Verzweiflung oder gar Hass.“ Sowohl das deutsche als auch das jüdische Volk passe zu ihr.

Gerl-Falkovitz zitiert aus dem Testament der Heiligen, dass sie ihr Leben als Sühne unter anderem für Deutschland hingeben und ihr Leben stellvertretend für den Frieden anbieten wolle. „So ist Edith Stein auch für Deutschland gestorben. Ihren Lebensweg deutete sie schon beim Eintritt in den Kölner Karmel als Kreuzweg. Daher trug sie auch den Ordensnamen Teresia Benedicta vom Kreuz.“ Ihr Name erfüllte sich gewissermaßen. Wenige Tage nach ihrer Verhaftung folgte der Abtransport nach Auschwitz. Vermutlich direkt nach der Ankunft am 9. August wurden beide, Edith Stein und ihre Schwester, vergast.

Das Andenken Edith Steins

Edith Stein sah ihr Leben als von der Vorsehung Gottes bestimmt und sich selbst, wie sie in ihrem Testament schreibt, als „Königin Ester, die gerade darum aus ihrem Volk genommen wurde, um für das Volk vor dem König zu stehen. Ich bin eine sehr arme und ohnmächtige kleine Ester, aber der König, der mich erwählt hat, ist unendlich groß und barmherzig“ So schreibt sie in einem Brief vom 31. Oktober 1938, in: ESW. IX, 121.

Angesichts der gesellschaftlichen Konflikte in Deutschland und den kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt lohnt sich ein Blick auf Edith Stein: Ihre intellektuelle Tiefe, ihre spirituelle Hingabe und ihr mutiger Einsatz für Wahrheit und Gerechtigkeit machen sie zu einer inspirierenden Figur des 20. Jahrhunderts. Trotz der Dunkelheiten um sie herum blieb sie ein Beispiel für die Kraft eines Lebens aus dem Glauben. Im wahrsten Sinne ein Leuchtturm kann sie für die heutige Zeit sein: Sich hingeben für andere, nicht hassen, sondern vergeben und darauf vertrauen, dass Gott das letzte Wort sprechen wird. Ihr Leben und Wirken ermutigen dazu, die Werte des Friedens, des Dialogs und der Versöhnung in einer oft gespaltenen Welt zu fördern.

Text: Matthias Chrobok

(sig)



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