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„Der Herr der Welt“ von Robert Hugh Benson. Eine Rezension

Wer ist der Herr der Welt?

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Regensburg, 20. Juni 2023

„Der Herr der Welt“ von Robert Hugh Benson ist das erste erzählerische Werk in der „edition credo“, jener Reihe, in der Bestseller-Autor Peter Seewald 50 Klassiker der katholischen Literatur versammelt – von den großen Denkern wie Augustinus über herausragende Biographien bis hin zu Erzählungen. Bensons Dystopie wirft einen neuen Blick auf die christliche Vorstellung vom Ende der Zeiten. Eine Rezension.

Die Welt steht vor dem Abgrund. Die Mächte im Osten und Westen der Welt haben sich in eine Situation manövriert, die scheinbar nur durch Krieg gelöst werden kann – einen Krieg, größer und schrecklicher als alle vorherigen. Da aber taucht plötzlich ein junger Politiker aus Amerika aus. Niemand kennt ihn, sein Aufstieg war kometenhaft. Doch ihm allein gelingt es, die Wogen zu glätten: Der Krieg wird abgewendet und ein dauerhafter Friede gesichert.

„Der Herr der Welt“ beginnt mit der vermeintlichen Verwirklichung eines Menschheitstraumes. Der englische Autor Robert Hugh Benson hat 1906 ein dystopisches Werk geschaffen, das in einer nicht näher bezifferten Zukunft spielt – womöglich gerade in unseren Tagen. Benson war der Sohn des anglikanischen Erzbischofs von Canterbury. Später konvertierte er zum katholischen Glauben und wurde Priester. „Der Herr der Welt“ kann als ein Vorläufer jener großen dystopischen Romane gelten, die bis heute viele Menschen in ihren Bann ziehen – etwa George Orwells „1984“. Der Mensch fragt nach seiner Zukunft und kann diese nicht immer nur in hellen, utopischen Farben malen: Eine Dystopie zeichnet die kommende Zeit finster, bedrückend.

Wie sieht die Gesellschaft der Zukunft aus?

Benson schildert zunächst die englische Gesellschaft der Zukunft. Seit längerem schon hat sich dort die Freimaurerei durchgesetzt. Eine neue Religion ist im Vormarsch: Ihr gilt der Mensch selbst als sein eigener Gott. Verehrt wird nicht mehr ein transzendentes Wesen, sondern die „Menschheit“ an sich, die menschliche Natur. Die katholische Kirche gilt als rückständig; ihr Glaube erscheint als Ammenmärchen, dem nur die schwachen Menschen verfallen, die sich der neuen Religion weiter vehement verschließen. „Euthanasie“ ist in dieser Gesellschaft an der Tagesordnung: Leidende Menschen werden umgehend getötet. Wer sterben will, kann staatliche Einrichtungen aufsuchen, die die Selbsttötung ermöglichen.

Die lange vorbereitete Entwicklung kommt zu ihrem Höhepunkt, als jener unbekannte Politiker auftritt: Julian Felsenburgh gilt der Welt als der wahre Messias, als der wirkliche „Menschensohn“. Er hat der Welt den Frieden gebracht. Nach und nach bieten ihm alle Erdteile die Herrschaft an: Felsenburgh wird zum „Herrn der Welt“. Die Kulisse der Demokratie wird gewahrt, doch Felsenburgh regiert nun letztlich als alleiniger Herr über die Welt. Der Ton gegenüber der katholischen Kirche wird immer rauer. Die Katholiken sind die letzten, die sich der neuen Religion entgegenstellen. An die Stelle des Gottesdienstes soll nun ein neuer Kult treten: Zu Beginn jeder Jahreszeit wird eine feierliche Zeremonie inszeniert. Die Zeremonienmeister sind just ehemalige katholische Priester. So groß auch die Abneigung der neuen Machthaber gegenüber dem Christentum sein mag, so tief scheint die Erkenntnis zu sitzen, dass nur die Kirche die notwendige Erfahrung für einen tiefgehenden Kult, einen anziehenden Ritus besitzt.

Roms Ende

Benson entwickelt jedoch nicht nur jene neue Gesellschaftsordnung. Er stellt ihr auch einen Gegenpol gegenüber: Pater Percy Franklin, ein englischer Priester, der erst im Auftrag des Vatikans von den aktuellen Entwicklungen des Inselstaates berichtet und schließlich selbst nach Rom gerufen wird. Wie kein anderer durchschaut er die aktuellen Entwicklungen und begreift den wahren Geist hinter ihnen. Der Papst ernennt ihn schließlich zum Kardinal. Immer schneller entwickeln sich die Dinge, immer schneller geht es auf die letzte Auseinandersetzung zwischen der Kirche und dieser Welt zu. Der neue Gottesdienst wird zur Pflicht gemacht; wer sich weigert, den neuen Menschen anzubeten, muss ins Gefängnis. Eine Gruppe englischer und deutscher Katholiken plant ein Attentat auf die neue Zeremonie. Kardinal Franklin erfährt davon – und fliegt sofort nach London, um das Attentat zu verhindern. Er begreift, dass dies der willkommene Grund für die letzte Phase der Christenverfolgung wäre, die nun als Akt der Selbstverteidigung erscheinen kann. Das Attentat wird zwar verhindert, die neuen Weltmacht schlägt aber dennoch mit aller Macht zurück: Die Stadt Rom wird bombardiert und vollständig in Schutt und Asche gelegt. Der Papst stirbt, und beinahe alle Kardinäle. Nur drei von ihnen überleben – sie wählen nun Franklin zum neuen Papst. Er nennt sich Silvester, nach dem letzten Tag des ausgehenden Jahres.

Das Ende der Welt

Papst Silvester zieht sich nach Nazareth zurück. Das Schicksal der Kirche scheint dort besiegelt zu werden, wo es mit dem Auftreten Christi begann. Die neue Weltmacht plant nun, in die letzte Phase der Christenverfolgung einzutreten: Alle Bürger sollen nach ihrem Glauben befragt werden; wer Christ ist, soll sterben. Der Papst beruft ein Konzil nach Nazareth ein. Einer seiner Kardinäle verrät jedoch den Plan und die Streitkräfte der Erde brechen in das Heilige Land auf, um noch die letzte Keimzelle des katholischen Glaubens zu bombardieren. Was nun folgt, ist kein irdisches Gefecht mehr, keine Auseinandersetzung zwischen weltlichen Mächten. Das letzte Gericht bricht herein – und Gott holt die Schöpfung zurück in jene Ewigkeit, aus der sie einst hervorging. Er erweist sich als der wahre „Herr der Welt“.

Bensons Roman ist ein außergewöhnliches Werk. Der Blick des Priesters auf die Zukunft beschränkt sich eben nicht auf die Vorstellung, welche technischen Fortschritte wohl Einzug halten mögen – Benson erkannte vielmehr bereits, dass die Fragen der Zukunft um den Wert des Lebens und die Würde des Menschen kreisen werden. Er erkannte, was in den Totalitarismen des 20. Jahrhundert Realität wurde, allen voran im Nationalsozialismus: Eine Menschheit, die nur sich selbst und die Materie anerkennt, sich selbst zum Gott erklärt und gerade deswegen jeglichen moralischen Kompass verliert. Wohl auch deswegen erschien „Der Herr der Welt“ als erstes erzählerisches Werk in der „edition credo“: In dieser Reihe versammelt der Bestseller-Autor Peter Seewald 50 Klassiker der katholischen Literatur – von den großen Denkern wie Augustinus über herausragende Biographien bis hin zu Erzählungen. Den ersten Aufschlag macht Bensons Dystopie, die auch einen neuen Blick auf die christliche Vorstellung vom Ende der Zeiten wirft: Bensons letzte Etappe dieser Erde beginnt nicht mit dem Krieg, sondern dem scheinbaren Frieden. Die Bedrängnis der Kirche ist zunächst keine gewaltsame Verfolgung, sondern ein eher schleichender Abfall der Gläubigen von ihrem Gott, ihrem Glauben und ihrer Kirche. All das ebnet dem falschen Messias, dem scheinbaren „Herrn der Welt“ die Bahn – und doch muss am Ende der wahre Herr den Sieg davontragen.


Text: Benedikt Bögle
(mk)

Cover des Buches „Der Herr der Welt“ von Robert Benson

Weitere Infos

Robert Hugh Benson: Der Herr der Welt
Edition Credo, gebunden, 343 Seiten, EUR 16,80

 

Autor Peter Seewald im Interview über sein neues Projekt „edition credo“



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