Das Portiunkulafest
Der Tag, an dem der Himmel offensteht
Regensburg, 1. August 2023
In Dietfurt im Altmühltal, in Oberviechtach oder in Neureichenau im Bayerischen Wald – überall werden in diesen Tagen Portiunkula-Märkte abgehalten. Doch kaum jemand weiß heute noch, was sich hinter „Portiunkula“ verbirgt.
Es ist der ursprüngliche Name der kleinen Portiunkula-Kapelle in der Nähe von Assisi. Heute trägt sie den Namen Santa Maria degli Angeli, nach der Kathedrale, die Papst Pius V. ab dem Jahr 1569 über der Kapelle erbauen ließ. Hier soll die heilige Klara 1212 dem weltlichen Leben entsagt und aus der Hand des heiligen Franz von Assisi ihr klösterliches Büßergewand empfangen haben. Die Kapelle wurde berühmt, weil dort der franziskanische Orden seinen Ursprung nahm. Am 3. Oktober 1226 starb der Heilige im Kreis seiner Gefährten.
Der Portiunkula-Ablass
Dass die kleine Kirche so stark im Bewusstsein der Menschen vor allem in Bayern war, ist dem Portiunkula-Ablass der katholischen Kirche zu verdanken. Der Legende nach soll der heilige Franz von Assisi von Christus einen vollständigen Ablass für diejenigen erwirkt haben, die in der Zeit vom Vesperläuten am 1. August bis zur Vesper am 2. August das kleine Kirchlein besuchen. Durch Papst Gregor XV. wurde das Privileg 1622 auf alle Kirchen des Franziskanerordens und Mitte des 19. Jahrhunderts auf alle irgendwie mit einem der Franziskanerorden verbundenen Kirchen ausgedehnt. Im Jahr 1910 erließ Papst Pius X. schließlich die noch heute geltenden Bestimmungen. Danach können alle Dom- und Pfarrkirchen und nach dem Ermessen des Oberhirten auch andere Kirchen das Privileg des Portiunkula-Ablasses erhalten. Bischof und Pfarrer können für die Ablassgewinnung statt den 2. August, wenn dieser nicht auf einen Sonntag fällt, auch den unmittelbar darauffolgenden Sonntag bestimmen.
Portiunkula und Allerseelen
Ablässe – der Nachlass zeitlicher Strafen für Sünden, die hinsichtlich der Schuld von Gott bereits vergeben wurden, so die theologische Definition - werden in der katholischen Kirche zu besonderen Anlässen gewährt. Eine große Rolle spielte früher der Allerseelenablass für die Verstorbenen vom 1. November mittags bis zum 8. November und der Poritunkula-Ablass am 2. August. An diesen Tagen waren die Gotteshäuser voll, denn wer den Ablass gewinnen wollte, der musste beichten und die Kommunion empfangen. Weitere Bedingungen waren das Beten des „Vater Unser“, ein „Gegrüßet seist Du Maria“ und das Glaubensbekenntnis oder ein Gebet nach freier Wahl.
Seltsame Geschehnisse
Vor allem in Bayern war man überzeugt, dass, je öfter man am Portiunkulatag die Kirche besuchte, umso größer oder umfangreicher dann auch der Ablass ausfallen würde. Und so kam es, dass sich an Portiunkula seltsame Dinge abspielten: Man besuchte die Kirche, betete die vorgeschriebene Zahl von Gebeten, ging dann zum Familiengrab auf dem Friedhof – wer kein Grab hatte, der ging ein paarmal um das Gotteshaus herum – um danach wieder in die Kirche zu gehen. Diese Prozedur wiederholte sich noch einige Male – bis der Ablass groß genug für alle begangenen „Sünden“ war. So mancher holte seine Ablässe auch gleich „auf Vorrat“. So konnte man sein eigenes Gewissen beruhigen und für die Armen Seelen blieben auch noch ein paar Ablässe übrig.
Feiertag in den Klöstern
Hochbetrieb herrschte an Portiunkula auch in und um die Klosterkirchen. So beschreibt Karl von Leprechting im Jahr 1855 den Portiunkulatag in einem Kloster im Lechgebiet als „großen Feiertag wegen des Ablasses“, an dem die reichen Bauern aus dem Umkreis ganze Wägen voller Lebensmittel, Butter, Eier, Schmalz und besonders auch Gerste für das Brauhaus in das Kloster brachten: „Dafür werden sie in einem großen Saal ausgespeist mit einem förmlichen Mahl (Knödlsuppen, Voressen, Rindfleisch und Kraut, dann Weißbrod und Bier, soviel einer trinken mag). Beim Abschied erhalten sie noch ein Sterbeablasskreuz, geweihte Beter und Bilder.“
Ablass für die Verstorbenen
Auch in den Wetterregeln taucht das Portiunkulafest auf: „Eine Portiunkulawoche ist immer gut, entweder die vor oder nach Portiunkula“, wussten unsere Vorfahren. Und am Tag des Portiunkulafestes, am 2. August, steht nach altem Glauben der Himmel offen – wer heute stirbt, kommt gleich hinein.
Noch heute kann der Portiunkula-Ablass am 2. August oder am darauffolgenden Sonntag (ab 12 Uhr des Vortages bis 24 Uhr) gewonnen werden. Die Gläubigen können ihn entweder für sich selbst, oder für Verstorbene – nicht aber für noch lebende Mitmenschen – erbitten.
Text: Judith Kumpfmüller