Brauchtum in Ostbayern: von Martini bis Kathrein
Gänsgaben und Wolfauslassen
Regensburg, 9. November 2024
Am 11. November ist der Gedenktag des heiligen Martin. Besonders auf dem Land stand der Heilige früher in hohem Ansehen. Über die Bräuche vom Heiligen Martin am 11. November bis zur Heiligen Katharina am 25. November schreibt Judith Kumpfmüller in „Brauchtum in Ostbayern".
An seinem Namenstag trank man den Martinswein, die Martinskerze wurde angezündet und an vielen Orten fanden die Martinsumritte statt. Und natürlich wurde die Martinsgans geschlachtet, die schönste und schwerste auf dem Hof musste es sein. Jahrhunderte lang war die Gans aber nicht nur Festtagsbraten, sondern galt auch als Zahlungsmittel. Neben der Pachtsumme hatte der Bauer seinen Pachtherrn jedesmal ein paar fette Gänse zu entrichten. Diese „Gänsegaben“, der „Martinszins“ oder das „Martinslehen“, mussten noch vor Sonnenaufgang auf dem Hof des Pachtherrn abgegeben werden. Da ist es nicht verwunderlich, dass um Martini auf so manchem Tisch eine fette Gans stand. Weil zum Essen auch das Trinken gehört – schließlich hatte der Heilige Martin ja einmal Wasser in Wein verwandelt – wurde St. Martin auch zum Patron der Gastwirte. Nach dem Gänsebraten gab es oft noch nussgefüllte Martinshörner oder Hufeisen. In einigen Gegenden durften an diesem Tag die Martinsbrezen nicht fehlen, daneben gab es Martinswecken oder den Martinsspitz.
Wolfauslassen und Goaßlschnalzn
Das Wolfauslassen an Martini ist einer der ältesten Bräuche im Bayerischen Wald. Es geht auf eine Zeit zurück, als in den dunklen Wäldern noch Luchse, Bären und Wölfe lebten. Sie machten den Waldhirten schwer zu schaffen. So versuchte man zu Beginn der Weidezeit, den Wolf „auszutreiben“. Mit ihren schweren, dumpf klingenden Stierglocken und den meterlangen Goaßln, den Hüterpeitschen, machten die Hirten einen Höllenlärm, um das „Untier“ in die Tiefe der Wälder zu treiben. Wenn dann zu Martini Hirten und Herden wieder in die Dörfer zurückkehrten, wurde der Wolf wieder „ausgelassen“. Der Hüter und seine Burschen zogen von Hof zu Hof, schepperten mit den Glocken und knallten mit den Peitschen in die Nacht. Das sollte für den Wolf das Zeichen sein, dass er nun wieder allein in den Wäldern war, und für den Bauern war es die Aufforderung, den Hütelohn auszuzahlen.
Während der Brauch des Wolfaustreibens im Frühjahr fast gänzlich ausgestorben ist, hat sich das Wolfauslassen am Ende der Hütezeit bis heute erhalten. Der uralte Brauch wird heute wieder in zahlreichen Orten im Bayerischen Wald gepflegt. Als Hochburg des Wolfauslassens gilt die Gemeinde Rinchnach. Sie hält mit 1370 Kuhglocken sogar den Weltrekord im Wolfauslassen. Am Abend vor Martini schnallen sich hier bis zu 600 Wolferer aus den verschiedenen Ortsteilen ihre bis zu 90 Zentimeter großen und 35 Kilo schweren Glocken um die Hüften und ziehen in den historischen Ortskern ein. Die Gruppen, bestehend aus Hirte, Burschen und Goaßlschnalzern präsentieren sich nacheinander den Zuschauern. Dann, kurz nach 21 Uhr, ist das „Rudel“ vollständig und läutet gemeinsam was das Zeug hält. Vom Dorfplatz aus ziehen die „Wölfe“ weiter durch den Ort, und erst in den frühen Morgenstunden kehrt langsam wieder Ruhe ein.
In der Spinnstube
Der November war auch die Zeit, in der sich die Frauen nach der Stallarbeit zum Spinnen und „Ratschen“ trafen. Mägde und unverheiratete Mädchen, aber auch manche Häuslleut kamen fast jeden Abend in einer anderen Bauernstube zusammen. Oft sind auch die Bäuerinnen mitgegangen, um gemeinsam mit den anderen zu spinnen. Jede brachte ihr eigenes Spinnrad mit, und dann surrten schon einmal bis zu acht Spinnräder in der Stube. Die Gastgeberin stellte eine Schüssel mit Kletzen auf den Tisch und dann begann das Spinnen – und natürlich auch der „Ratsch“. „Im Summa muaß ma d’Weda fürchtn und im Winter dö Gunklarinna mim Ausrichtn“, klagten die Männer, die von den Treffen erst einmal ausgeschlossen waren.
Kathrein stellt den Tanz ein
Der Namenstag der heiligen Katharina am 25. November war früher einer der wichtigsten Termine im bäuerlichen Kalender. Überall in Altbayern wurde um diesen Tag zu Kathreintänzen eingeladen, war es doch der letzte Tag an dem getanzt werden durfte. In der Adventszeit waren Tanz und Vergnügen generell verboten. „Kathrein stellt den Tanz ein“ sagt eine alte Bauernregel. In früherer Zeit war Kathrein auch die letzte Möglichkeit, noch in diesem Jahr zu heiraten, denn mit einer Hochzeit war meist ein Tanzvergnügen verbunden. Außerdem sollte man sich in der kommenden Adventszeit, in der nach altem Glauben die Geister umgehen, möglichst unauffällig verhalten, um nicht den Zorn dunkler Mächte zu erregen. Und so traf man sich in ganz Altbayern an Kathrein zum letzten ausgelassenen Tanz im alten Jahr. Neben den Kathreintänzen waren einst auch die Kathreinmärkte in vielen Orten beliebte Anziehungspunkte.
Kathreinmarkt im Schlosspark
Immer mehr Gemeinden haben die Tradition der Kathreinmärkte in den vergangenen Jahren wieder ins Leben gerufen, darunter Plattling, Moosbach oder Weiden.
Gleich zwei Tage dauert der Kathreinmarkt in Gerzen, einem der ältesten Orte im Vilstal in Landkreis Landshut. Schon der Termin ist ungewöhnlich. Immer am Donnerstag und Freitag um Kathrein (heuer am 21. und 22. November) – noch vor den ersten Adventsmärkten am darauffolgenden Wochenende – lässt der Kathreinmarkt im Schlosspark vorweihnachtliche Stimmung aufkommen. Mit Einbruch der Dämmerung herrscht reges Treiben an den Verkaufsständen, romantisches Kerzenlicht führt die Besucher durch den idyllischen Park zu den Marktbuden. Neben Advents- und Weihnachtsartikeln gibt es ein reichhaltiges Angebot an heimischen Produkten und Handwerkskunst aus der Region. Und Aufwärmen kann man sich mit einer Tasse Glühwein an den offenen Feuerstellen.
Der Kathreinmarkt in Gerzen ist an beiden Tagen ab 16 Uhr geöffnet.
Text: Judith Kumpfmüller
(kw)
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