Siebter Sonntag der Osterzeit C – Offenbarung 22, 12 – 14, 16 – 17, 20
„Ich, Johannes, hörte eine Stimme, die zu mir sprach: 12Siehe, ich komme bald und mit mir bringe ich den Lohn und ich werde jedem geben, was seinem Werk entspricht. 13Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende. 14Selig, die ihre Gewänder waschen: Sie haben Anteil am Baum des Lebens und sie werden durch die Tore in die Stadt eintreten können. 16Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt als Zeugen für das, was die Gemeinden betrifft. Ich bin die Wurzel und der Stamm Davids, der strahlende Morgenstern. 17Der Geist und die Braut aber sagen: Komm! Wer hört, der rufe: Komm! Wer durstig ist, der komme! Wer will, empfange unentgeltlich das Wasser des Lebens! 20Er, der dies bezeugt, spricht: Ja, ich komme bald. – Amen. Komm, Herr Jesus!“
Am Ende der Osterzeit hören wir heute die letzten Worte aus der Offenbarung des Johannes, die uns durch diese Osterzeit begleitet hat. Sie enthalten die gläubige Antwort des Sehers auf das, was er gesehen und wovon er im biblischen Buch der Offenbarung berichtet hat. Die Worde mögen uns erstaunen: „Komm, Herr Jesus!“
Die Offenbarung des Johannes schildert ja in drastischen Worten den Untergang dieser Welt. Der griechische Titel dieses Buches – „Apokalypse“ – ist uns ja sprichwörtlich geworden für „apokalyptische“, also grauenhafte Zustände und kaum überbietbares Leid. Dieses Leiden aber hat ein Ziel: „einen neuen Himmel und eine neue Erde“ (Offb 21,1). Das Leiden der Apokalypse ist also kein Selbstzweck, keine bloße Rache Gottes. Der Herr will vielmehr alles neu machen (vgl. Offb 21,5). Und doch könnte uns der Schlussteil der Offenbarung erstaunen: Wäre es nicht eine menschliche Reaktion, angesichts all dessen, was noch an Schlimmen geschehen muss, mit der Wiederkunft Jesu Christi und dem Ende der Welt warten zu wollen? Könnte nicht der Seher – zugespitzt – bitten: Komm, Herr Jesus – aber nicht zu bald?
Nein: Der Seher erhofft die baldige Ankunft Jesu, das baldige Ende der Welt. Die frühe Kirche lebte in der Erwartung, Jesus Christus würde sehr bald wiederkommen – das Ende der Welt war nur eine Frage von Jahren, nicht von Jahrtausenden. Aus dem Glauben an die Auferstehung Jesu von den Toten und aus dem Versprechen der Wiederkunft Jesu folgte die starke Hoffnung, der Herr möge bald wiederkommen und die Schöpfung zu sich heimholen. Diese enge Verbindung mit dem Ostergeheimnis durchstrahlt auch den Schlussteil der Offenbarung: „Wer durstig ist, der komme!“, schreibt der Seher Johannes und zitiert damit den Propheten Jesaja: „Auf, alle Durstigen, kommt zum Wasser!“ (Jes 55,1). Eben diese Lesung haben wir auch in der Osternacht gehört. Jesus Christus bezeichnet sich als „Morgenstern“. In der Osternacht singt das Exsultet, das Jubellied auf die Osterkerze und den rettenden Sieg Jesu über den Tod, die Osterkerze mögen leuchten „bis der Morgenstern erscheint, jener wahre Morgenstern, der in Ewigkeit nicht untergeht: dein Sohn, unser Herr Jesus Christus, der von den Toten erstand, der den Menschen erstrahlt im österlichen Licht; der mit dir lebt und herrscht in Ewigkeit.“
Wir dürfen hoffen, dass Christus uns in das Geheimnis seines Todes hineingenommen hat – und damit auch in die Herrlichkeit seiner Auferstehung. Diese Auferstehung wird sich vollenden, wenn Gott die ganze Schöpfung zu sich nimmt, wenn diese Welt der neuen Welt weichen muss, dieses irdische Leben dem himmlischen, unser verweslicher Leib der Unverweslichkeit (vgl. 1 Kor 15,53). Daher dürfen wir einstimmen in die Bitte der ganzen Kirche aller Zeiten: „Komm, Herr Jesus!“
Text: Benedikt Bögle
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