Regensburg, 17. November 2023
Seit Jahrhunderten führen barocke Fresken und Bildtafeln in den Kirchen Altbayerns den Lebenden die Nähe des Todes vor Augen. Und sie zeigen auf, dass der Tod keine Standesunterschiede kennt. Er bringt der Dame die letzten Blumen, schließt dem Gelehrten das Buch, stößt den Patrizier vom Stuhl und nimmt dem Musikanten sein Instrument aus der Hand. In den Totentanzdarstellungen wird die Angst vor dem eigenen Tod dargestellt, vergebens sucht man nach tröstlichen Elementen.
Seinen Ursprung hat der Totentanz vermutlich im 14. Jahrhundert in Frankreich. Allerdings sind sich Experten bis heute über die genaue Entstehung und Deutung uneinig. Anfangs setzte sich der Totentanz aus Texten – meist vierzeilige Wechselreden – und szenischen Darstellungen zusammen. Später malte man Bilder mit den dazugehörigen Texten an Friedhofsmauern, bald auch in Kirchen. Über England kam der Totentanz schließlich nach Deutschland.
Die Darstellungen machten bewusst, dass der Tod Arme wie Reiche und Gute wie Böse gleichermaßen heimsucht. Männer, Frauen und Kinder – unabhängig von Stand und Beruf – tanzen mit dem Tod zusammen im Reigen. Neben der Vergänglichkeit des eigenen Lebens sollten die Darstellungen auch daran erinnern, ein gottgefälliges Leben zu führen, da der Mensch jederzeit abberufen werden kann und Himmel, Hölle oder Fegefeuer auf ihn warten.
Da kommt der Tod
Durch kürzere oder längere Verse sollten die Darstellungen noch eindringlicher werden – wie beim Totentanz in der Pfarrkirche von Chammünster im Landkreis Cham, wo beim Zusammentreffen von zwei Toten mit zwei Lebendigen zu lesen ist: „Was ihr seid, das sind wir gewesen – was wir sind, werdet ihr sein“. Und wo der Tod zum Bauern kommt ist geschrieben:
„Der Bauersmann der ehrenvolle
Bebaut mit Fleiß die Erdenscholle
Da kommt der Tod, gebietet Ruh,
Deckt seinen Leib mit Erde zu.“
Seltene Kunstdenkmäler
Guterhaltene Totentanz-Darstellungen sind heute selten. Zu den bekanntesten zählt der Totentanz im ehemaligen Beinhaus im historischen Friedhof von Sankt Peter in Straubing. Im Jahr 1763, also vor genau 260 Jahren, hatte der Maler Felix Hölzl den Auftrag erhalten, die Wände dieser Toten- und Seelenkapelle mit einem Totentanz-Zyklus auszumalen. Doch in Straubing gibt es noch drei weitere dieser seltenen Totentänze: In der Kirche St. Veit, mitten im Stadtzentrum, im Straubinger Gäubodenmuseum, der vierte befindet sich in Privatbesitz. Ganz in der Nähe, in Haselbach bei Bogen, findet sich einer der ältesten niederbayerischen Totentänze aus dem Ende des 17. Jahrhunderts. Etwas ganz Besonderes ist auch das Fresko in der St.-Anna-Kapelle in Roding aus dem Jahr 1660. Der Tod führt hier als Spielmann eine lange Prozession an. Originell ist der Totentanz aus dem Jahr 1908 in der Friedhofskapelle von Zenching bei Furth im Wald, der aus acht Ölgemälden besteht. Hier führt der Tod eine junge Frau zum Tanz, die noch nichts von ihrem Schicksal ahnt. Doch darunter ist zu lesen:
„Nun haben wir solang getanzt, bis mich der Tod hat eingeschanzt“
Der Wondreber Totentanz
Wohl eine der eindrucksvollsten Totentanz-Darstellungen Ostbayerns findet sich in der Totenkapelle in Wondreb, einem Gemeindeteil von Tirschenreuth. Auf der getäfelten Holzdecke im Inneren der Friedhofskapelle sind auf 28 Feldern Bilder eines Totentanzes zu sehen. Die um 1710 gemalten Szenen füllen die gesamte Decke. Die düsteren Bilder sind mit Reimen versehen wie:
„Auch die Wiegen ist schon zum Tod ein Stiegen“ oder „Bauer gehe mit, du g’hörst in mein Schnitt“ und „All Ehr und Pracht, auch Geld und Gut mein Pfeil und Sens überwiegen tut“.
Der Totentanz von Viechtach
Bei der Innenrenovierung der St. Annakirche in Viechtach im Bayerischen Wald 1986/88 wurden im Bereich des Tonnengewölbes unter der tieferliegenden, sogenannten Gruft Fragmente eines Totentanzzyklus entdeckt. Zwei Jahre später erfolgte eine behutsame Restaurierung der St. Anna-Kapelle, die freigelegten Fragmente wurden so weit wie möglich im Originalzustand belassen. Bei dem Viechtacher Totentanz soll es sich um einen Zyklus aus dem 16. oder 17. Jahrhundert handeln, damit wäre es einer der ältesten Totentanzfresken Altbayerns. Er umfasst insgesamt 13 Szenen, in denen der Tod einen Menschen – vom Papst über Mönch und Nonne bis zum Handwerker und Bauern – abholt. Ungeachtet ihres Standes haben sie sich ihrem Schicksal zu fügen.
Vom Kindlein zum Greis
Der jüngste Totentanz Niederbayerns aus dem Jahr 1929 findet sich in der Friedhofskapelle in Aldersbach im Bistum Passau. Hier sind Bilder und Sprache eher dem damaligen Zeitgeist angepasst:
„Süßes Kindlein in der Wiegen
unschuldsvoll den Engeln gleich.
Komm, Du sollst mit ihnen fliegen
In des Himmels selig Reich“.
Auch zur Jungfrau wendet sich der Tod:
„Holde Jungfrau, wonnetrunken,
in der Blüten-Maienzeit.
Willst mit Deinen Reizen prunken,
Törin, mir bist du geweiht“.
Doch für den Greis findet der Tod tröstende Worte:
„Müder Greis, mit leisem Zittern
wankest Du dem Grabe zu.
Reich die Hand mir, Freund ich führe
sanft Dich hin zur ewgen Ruh‘“.
Text: Judith Kumpfmüller