„Wir wollen uns alle gemeinsam zu Christus bekehren“ - Frankfurter Konfessionsgespräch mit Bischof Gerhard Ludwig Müller und Landesbischof Friedrich Weber
Vom 12. bis 16. Mai 2010 findet in München der 2. Ökumenische Kirchentag statt. Bereits mehr als 100.000 Gläubige haben sich für dieses konfessionsübergreifende Großereignis angemeldet. Anlässlich des ÖKT 2010 lud Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller als Vorsitzender der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz und Landesbischof Dr. Friedrich Weber, Catolica-Beauftragter der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Journalisten aus ganz Deutschland erstmals zum Frankfurter Konfessionsgespräch ein. In Impulsreferaten und anschließendem Gespräch stellten sich die beiden Vertreter der katholischen und evangelisch-lutherischen Kirche den wichtigen Fragen zur Ökumene in unserer Zeit.
Mit Blick auf die Entwicklung der Ökumene zeigten sich beide Bischöfe beeindruckt von der Vielzahl ökumenischer Begegnungen und Anstrengungen: Der Kontaktgesprächskreis zwischen Vertretern der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, die Wiederaufnahme des Gesprächs zwischen der DBK und dem Moskauer Patriarchat, die Gemeinsame Kommission der Orthodoxen Kirche und der DBK, die Dritte bilaterale Arbeitsgruppe Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in Deutschland (VELKD) und DBK wie auch die einzelnen Bemühungen der Diözesen und Pfarreien. Überall werden Möglichkeiten und Chancen ernsthaft diskutiert. Die Ökumene in Deutschland ist auf einem guten Weg. Man kann miteinander beten, wesentliche Grundlehren des Christentums gemeinsam bezeugen, diakonisch und gesellschaftspolitisch die befreiende Botschaft der Liebe Gottes und von der Würde des Menschen öffentlich bezeugen. Den Pluralismus dürften beide Kirchen wahrlich nutzen, um selbst Gesellschaft zu gestalten.
Landesbischof Friedrich Weber betonte, dass Lutheraner und Katholiken in Deutschland immer auch Teil weltweiter Gemeinschaften seien: der römisch-katholischen Weltkirche und des Lutherischen Weltbundes (LWB). Dies mache es sofort einleuchtend, dass in Deutschland theologische Gespräche nicht isoliert geführt werden könnten, sondern immer nur rückgekoppelt an den ökumenischen Diskurs beider Weltgemeinschaften. Ein ökumenisches Weiterkommen sei letztlich nur möglich, wenn auch Rom sich ökumenische Ergebnisse zu eigen mache. Der Dialog zwischen Vatikan und dem LWB sei der erste, den die römisch-katholische Kirche nach dem II. Vatikanum mit einer anderen Kirche begonnen habe.
Bischof Gerhard Ludwig Müller richtet den Blick auf die konfessorische Ökumene: Im so genannten Neo-Atheismus, der gegen den „Gotteswahn“ von Juden, Christen, Muslimen ankämpfen wolle, stünde überhaupt die Rationalität des Glaubens an die Existenz Gottes, die Wahrheitsfähigkeit des Menschen und die Würde der menschlichen Person auf dem Spiel. „Hier dürfen wir nicht nur die Gemeinsamkeiten zwischen den Christen beschwören, wir müssen sie uns auch spirituell und theologisch neu aneignen und in gemeinsamen Äußerungen und Haltungen zu den großen Fragen der Bioethik, der weltweiten sozialen Gerechtigkeit, der Wirtschaftsethik, der politischen Ethik nachhaltig für die Gesellschaft einbringen“, erklärte der Ökumenebeauftragte der DBK.
Es hat sich viel getan in den letzten 50 Jahren, erklärte der evangelische Landesbischof: Die ökumenische Uhr sei nicht mehr zurückzudrehen, auch wenn sie in den letzten Jahren langsamer voranzuschreiten scheine. Die ökumenische Ungeduld, die die Menschen heute vielerorts erlebten, sei gerade ein Kennzeichen und Frucht des Erfolgs der Ökumene. Gerade weil einiges erreicht und vieles bearbeitet wurde, komme deutlicher ans Licht, wo noch immer die Differenzen lägen. Ginge man der Frage nach, wo beide Kirchen stehen, müsse man auch das Trennende offen und in geschwisterlicher Verbundenheit ansprechen. „Der Ökumenische Kirchentag in München steht unter dem Motto „…damit ihr Hoffnung habt“. Damit ist keine Hoffnung auf „eigene Rechnung“ gemeint. Im Blick ist die Hoffnung, die der Glaube schenkt. Meine Arbeit in der Ökumene ist ohne diese Hoffnung nicht möglich. Für mich findet sie in der „Leidenschaft für das Mögliche“ Ausdruck. Meine Hoffnung für den Kirchentag ist, dass er das Erreichte verstetigt und dass das Miteinander selbstverständlicher Teil des jeweiligen Kirche-Seins wird“, sagte Landesbischof Friedrich Weber mit Blick auf den bevorstehenden Ökumenischen Kirchentag in München.
Bischof Gerhard Ludwig Müller verwies auf die missionarische Dynamik der Ökumene. Trotz der noch vorhandenen Divergenzen werde deutlich, dass die Christen sich missionarisch verstünden. Vor dem Staat seien beide Kirchen zwar verschiedene Gemeinschaften, theologisch gesprochen gehörten sie durch das Bekenntnis des Glaubens und die Taufe schon zur einen Kirche Gottes, die sich auf dem guten Weg zur vollen Gemeinschaft befände: „Wir dürfen nicht bei der Bewahrung des Status quo verharren. Wir kommen der von Gott uns vorgegebenen Einheit auf der Ebene der sichtbaren Kirche näher, wenn wir die Sendung, die Christus uns allen aufgetragen hat, erfüllen. In der christlichen Ökumene wollen wir nicht die anderen Christen zu uns bekehren, sondern wir wollen uns alle gemeinsam zu Christus bekehren. Je mehr wir mit Christus als Haupt der Kirche vereint sind, um so mehr wachsen wir auch, die wir noch nicht in der vollen von ihm vorgegebenen Einheit als Glieder seines Leibes zusammenleben“ verdeutlichte Bischof Gerhard Ludwig Müller und bezog sich auf Brief an die Epheser (4,13):„So sollen wir alle zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, damit wir zum vollkommenen Menschen werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen.“