Regensburg, 04. November 2022
Die Themen „Umweltbewusstsein“ und „Nachhaltigkeit“ sind in den letzten Jahren immer weiter in den Fokus geraten. An jeder Ecke finden wir mittlerweile vegetarische oder vegane Produkte, Bio-Lebensmittel und recycelte Plastikverpackungen. Immer mehr wird auch in der Modewelt mit Begriffen wie „fair“ „bio“ und „organic“ geworben.
Im Rahmen eines Vortragabends zum Thema „Nachhaltig leben – eine Kopfsache?“ hat die Psychologin Lina Malessa das Thema Nachhaltigkeit aus der psychologischen Perspektive betrachtet. Der Weg zu einem umweltbewussten Handeln sei ein langer, erklärt die Psychologin. Im Folgenden seien ihre zentralen Aussagen wiedergegeben:
Der lange Weg zu umweltbewusstem Handeln
Den meisten ist inzwischen bewusst, dass es Möglichkeiten zu einem bewussteren Umgang mit unserer Umwelt gibt. Warum Wissen nicht unbedingt Verhaltensänderung bedeutet, dafür kann die Psychologie interessante Erklärungsansätze bieten.
Der Weg von der Problemerkennung bis hin zum Handeln und zur Verhaltensänderung ist ein langer. Haben wir erst einmal erkannt, dass es ein Problem gibt, an dem sich etwas ändern muss, ist das ein bedeutsamer erster Schritt. Wichtig ist dann aber auch, dass wir uns von diesem Problem emotional betroffen fühlen. Ist dies nicht der Fall, ist es auch weniger wahrscheinlich, dass wir denken, es wäre an uns, zu handeln. Es stellt sich außerdem die Frage, ob wir uns verantwortlich für dieses Problem fühlen. Fühlen wir uns (mit-)verantwortlich, kann sich die Motivation bilden, etwas verändern zu wollen. Selbst dann aber kann es noch passieren, dass wir doch nicht zum Schritt der Handlungsintention kommen. Hier kommt das Thema „Selbstwirksamkeit“ ins Spiel. Nur wenn wir überzeugt sind, etwas bewirken zu können, werden wir uns dazu entschließen, zu handeln und etwas zu verändern.
Verantwortung, Motivation und Selbstwirksamkeit
Nehmen wir also an, eine Person würde sich, zum Beispiel aufgrund von Naturkatastrophen, vom Klimawandel betroffen fühlen. Dann könnte der Gedanke aufkommen: „Trage ich zur Klimaveränderung bei?“ Diese Person würde dann vielleicht überlegen: „Ich fahre Auto, ich konsumiere Fleisch, ich fliege hin und wieder in den Urlaub“ – und so zu dem Schluss kommen, dass auch sie zur Verschmutzung der Umwelt beiträgt.
Aus dieser Realisation kann sich die Motivation bilden, sich umweltbewusster zu verhalten. Gedanken wie „Was kann ich als Einzelner schon verändern?“ kommen auf. Wir müssen uns also bewusst machen, dass jede Reduktion der Umweltverschmutzung bedeutsam ist und dass wir zumindest einen kleinen Beitrag dazu leisten können. Je mehr Menschen etwas verändern, desto größer wird auch die positive Wirkung sein.
Die Intentions-Verhaltens-Lücke
Gehen wir einmal von dem Idealfall aus, jedem von uns wäre bewusst, dass es das Problem des Klimawandels gibt. Wir fühlen uns betroffen und wir sehen unseren eigenen Anteil daran. Die Motivation, etwas zu verändern, hat sich ebenfalls entwickelt. Und wir glauben sogar, etwas bewirken zu können. Unsere Intention, zu handeln und etwas zu verändern, ist also da. Selbst dann ist aber noch nichts von außen Sichtbares geschehen.
Und auch an diesem Punkt können wir noch von unserem Handeln abgehalten werden – wenn es uns nicht gelingt, unsere Intentionen umzusetzen.
Die psychologische Theorie der „Intentions-Verhaltens-Lücke“ besagt, dass es oft Diskrepanzen gibt zwischen dem, was wir erreichen wollen, und dem, wie wir uns tatsächlich verhalten. Dazu tragen unter anderem unsere Gewohnheiten bei, in die wir immer wieder automatisch zurückfallen. Oft fehlt uns zudem ein genauer Plan der Umsetzung.
Wie wir uns austricksen, ohne es zu merken
„Ich möchte mich umweltfreundlicher verhalten. Heute fahre ich aber mit dem Auto in die Stadt. Damit spare ich viel Zeit und auf die Bahn ist ja eh kein Verlass. Außerdem kostet mich eine Bahnfahrt mindestens das gleiche wie die Autofahrt, wenn nicht sogar mehr.“
Klingt doch nach einer plausiblen Erklärung, oder? Das Beispiel veranschaulicht ganz gut das Phänomen der kognitiven Dissonanzreduktion – eine weitere Theorie aus der Psychologie. „Kognitive Dissonanz“ entsteht, wenn wir zwei Kognitionen haben, die nicht zueinander passen. Das löst ein unangenehmes Gefühl aus. Um dieses zu reduzieren, reden wir den Widerspruch entweder klein oder aber wir finden Gründe und Rechtfertigungen dafür, warum wir uns anders verhalten, als wir es eigentlich wollten.
„Wenn-Dann-Pläne“
Eine Strategie ist es, konkrete „Wenn-Dann-Pläne“ zu entwickeln. Sie sind dafür da, uns auf die kritische Situation vorzubereiten, sodass wir genau wissen, wie wir in dieser Situation handeln wollen. Ein sinnvoller Wenn-Dann-Plan könnte beispielsweise lauten: „Wenn ich sonntagmorgens Brötchen haben möchte, fahre ich mit dem Fahrrad zum Bäcker. Wenn es regnet, fahre ich entweder trotzdem mit dem Fahrrad oder aber ich verzichte auf die Sonntagsbrötchen und esse etwas, was ich noch zu Hause habe“ Dieser Plan ist konkret. Er beschreibt eine bestimmte Situation und es ist klar, wie ich mich verhalten möchte, wenn diese eintritt.
So klappt’s mit der Umsetzung! – Tipps für den Alltag von einer Psychologin
Es gibt einige Punkte, die uns daran hindern können, etwas an unserem Verhalten zu ändern. Mit einem gewissen Bewusstsein sowie Selbstvertrauen und Flexibilität aber können wir diese Hindernisse überwinden und es schaffen, uns umweltbewusster und nachhaltiger zu verhalten.
Anbei ein paar Tipps, die auf eurem Weg zu mehr nachhaltigem Handeln helfen können:
Wissen aneignen
Eignen Sie sich aktiv Wissen an. Sie entscheiden, was Sie mitbekommen.
Eigene Verhaltensmuster erkennen und reflektieren
Seien Sie ehrlich zu sich selbst: Wo tragen Sie zur Umweltverschmutzung bei?
Ideen für Veränderung sammeln
Überlegen Sie, was und wie Sie etwas an Ihrem Verhalten verändern können.
Motivation erkennen und fördern
Denken Sie darüber nach, was Sie dazu motiviert, sich umweltbewusster zu verhalten. Es fällt leichter, auf ein Ziel hinzuarbeiten, wenn wir wissen, warum wir das Ziel erreichen möchten.
Konkrete und realistische Pläne für die Umsetzung aufstellen
Stellen Sie sich konkrete Wenn-Dann-Pläne auf und berücksichtigen Sie mögliche Hindernisse. Seien Sie dabei realistisch. Wir können und müssen nicht auf einmal alles verändern. Jeder kleine Schritt zählt und jede Veränderung ist wichtig.
Fortschritt konsequent evaluieren
Beobachten Sie Ihren Fortschritt und wertschätzen Sie ihn.
Pläne ggf. anpassen
Wenn Sie merken, dass Sie Ihr Ziel, so wie es aktuell gesetzt ist, nicht erreichbar ist, nehmen Sie das wahr. Erlauben Sie sich, den Plan ggf. anzupassen. Es hilft wenig, auf unrealistische Ziele hinzuarbeiten. Wenn nötig, schrauben Sie die Erwartungen lieber etwas zurück.
Neue Gewohnheiten aufbauen – Die Übung macht’s!
Geben Sie sich Zeit. Wir handeln oft automatisiert und unseren Gewohnheiten entsprechend. Das hat seinen Sinn. Denn nur so sind wir in der Lage, wichtige Dinge automatisiert auszuführen, ohne dass sie uns jedes Mal viel Energie kosten. Auch im Kontext des umweltbewussten Verhaltens wird es passieren, dass Sie in alte Gewohnheiten zurückfallen. Erlauben Sie sich Fehler, sein Sie geduldig mit sich selbst.
Und denken Sie daran: Sie können schon heute einen bedeutsamen Teil zu unserer Welt von morgen beitragen!
Text: Lina Malessa / (jw)
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