News Bild "Verzeihung des Unverzeichlichen?“ Philosophin Prof. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkowitz sprach im Regensburger Priesterseminar

"Verzeihung des Unverzeichlichen?“ Philosophin Prof. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkowitz sprach im Regensburger Priesterseminar

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Die Aula des Priesterseminars St. Wolfgang  ist am Montagnachmittag bestens gefüllt, als die renommierte Philosophin Prof. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkowitz zu ihrem Vortrag „Verzeihung des Unverzeichlichen? Ein religionsphilosophischer Versuch“ ansetzt.

Die Kennerin von Romano Guardini und Edith Stein war langjährige Inhaberin des Lehrstuhls für Religionsphilosophie und vergleichende Religionswissenschaft an der Technischen Universität Dresden und ist jetzige Leiterin des „Europäischen Institut für Philosophie und Religion“ an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Papst Benedikt XVI. in Heiligenkreuz bei Wien. Sie sprach im Rahmen der sogenannten „Recollectio“, eines Einkehrtages für Priester im Bistum Regensburg, der traditionell am Montag der Karwoche vor der „Missa chrismatis“ stattfindet.

Auch Bischof Dr. Rudolf Voderholzer und Weihbischof Dr. Josef Graf waren unter den zahlreich anwesenden Priestern, Kaplänen, Diakonen und Weihekandidaten und begrüßten die in der Oberpfalz geborene Philosophin.

„Die Sprache meiner Kultur enthält das Wort Vergebung“

Passend zum „Heiligen Jahr der Barmherzigkeit“ und der Thematik der Karwoche sprach Prof. Gerl-Falkowitz über die Möglichkeit des Verzeihens – einer Fähigkeit, die nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich, sondern auch angesichts der offenkundigen politischen Verbrechen und Massenmorde des 20. und frühen 21. Jahrhunderts (im Zuge der Morde der Terrororganisation „Islamischer Staat“) von nicht wenigen Menschen in Zweifel gezogen wird.

Anhand zahlreicher großer religiöser und philosophischer Denker aus Vergangenheit und Gegenwart wie Paulus, Augustinus, Cyrill von Jerusalem, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Sören Kierkegaard, John Henry Newman, Leo Schestow, Alexander Solschenitzyn oder Jacques Derrida verdeutlichte sie die Möglichkeiten und  Grenzen menschlichem Willens zu verzeihen und zu vergeben. So erinnerte sie einerseits beispielsweise an den 1971 veröffentlichten Essay „Pardonner?“ des jüdisch-französischen Philosophen Vladimir Jankélévitch (1903-1985), der im Angesicht des Holocaust jegliche Formen politischer Amnestien verwarf sowie es kategorisch ablehnte, im Namen toter Opfer zu verzeihen und damit dem Vergessen einen legalen und legitimen Anspruch zu verleihen: „Die Enkel der Täter dürfen niemals den Enkeln der Opfer die Hände schütteln“ so Gerl-Falkowitz Jankélévitch zitierend.

Andererseits nannte sie jedoch ebenso gute Gründe, diese Position in Zweifel zu ziehen. Einer, der sich gegen die obengenannte Position wandte war laut Gerl-Falkowitz der postmodernde Denker (und genau wie Jankélevitch bekennende Agnostiker) Jacques Derrida (1930-2004). Der Dekonstruktivist, der in seinen letzten Lebensjahren eifrig Augustinus und die Bibel las, betonte gegenüber Vladimir Jankélévitch und Anhängern von dessen Ansichten, dass in der Sprache seiner Kultur das Wort „Vergebung“ enthalten sei – denn wenn man nur Dinge verzeihe, die laut Derrida die Kirche als „lässliche Sünden“ bezeichne, dann haben die Worte „Vergebung“ und „Verzeihung“ eigentlich keine Bedeutung. Spannender wäre es erst dann, wenn das Unverzeihbare – also „Todsünden“ – verziehen würde. „Wenn diese Sprache verschwinde“, so Gerl-Falkowitz den Agnostiker Derrida zitierend, „möchte ich in dieser Kultur nicht leben!“ Neben Derrida erinnerte die Philosophin außerdem an die Holocaustüberlebende Eva Mozes Kor, die während des 2. Weltkrieges ein Opfer der Menschenexperimente von KZ-Arzt Josef Mengele war und die über den befreienden Umgang der Vergebung gegenüber ihren Peinigern sprach.

 

Das Böse in seiner Nichtigkeit bloßstellen

Hanna-Barbara Gerl-Falkowitz wies jedoch in ihrem Vortrag über die rein zwischenmenschlich leistbare Dimension von Verzeihung und Vergebung hinaus und blickte gemeinsam mit den anwesenden Geistlichen auch im Angesicht von Karwoche und des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit auf die heilsame Kraft des Sakraments der Beichte. Sie ermunterte mit Blick auf 2 Kor 5, 21 („Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden“) zu einem erneuerten Verständnis der Heilstat Jesu, die dieser mit Kreuzigung und Auferstehung für die gesamte Menschheit vollzogen habe. Dieser starb nicht nur für unsere Sünden, so Gerl-Falkowitz, sondern als Sünde selbst. Deshalb verzeihe Jesus auch nicht „von oben herab“, sondern als jemand, der als Sündloser die Wirkungen der Sünde konkret erfahren habe. Die anwesenden Geistlichen und Beichtväter erinnerte sie daran, dass das Böse, welches laut Augustinus meist unter dem Vorwand guter Gründe geschehe, in der Beichte unbedingt einerseits in seiner Nichtigkeit aufgedeckt werden müsse –  andererseits dieses jedoch mit dem liebenden Blick Jesu geschehen sollte, den dieser im Geschehen des Gründonnerstags dem ihn drei Mal verratenden Petrus zuwarf, so die Religionsphilosophin. Dieser Blick der Liebe helfe nachweislich Menschen, die sich in Schuld und Sünde verstrickt haben, da er sie aus vorgefertigten Verteidigungsmustern herausholen würde und sie spüren lasse, dass im Zentrum der Beichte die Sünde, nicht jedoch der Sünder selbst stehe.



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