News Bild Versöhnungsfeier in Tschenstochau: Deutsche und Polnische Bischofskonferenz würdigen historischen Briefwechsel

Versöhnungsfeier in Tschenstochau: Deutsche und Polnische Bischofskonferenz würdigen historischen Briefwechsel

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Mit einer Gedenkfeier und einem Gottesdienst in Tschenstochau haben am Sonntag die Polnische und die Deutsche Bischofskonferenz des historischen Briefwechsels zwischen beiden Episkopaten vor 50 Jahren gedacht. Der Briefwechsel zählt zu den Wendepunkten in der Geschichte von Polen und Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Am Ende des polnischen Briefes stehen die Worte: „Wir strecken unsere Hände zu Ihnen hin in den Bänken des zu Ende gehenden Konzils, gewähren Vergebung und bitten um Vergebung.“ Die beiden Delegationen wurden von den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen, Erzbischof Stanisław Gądecki und Kardinal Reinhard Marx, geleitet. Unter den anwesenden Bischöfen war auch u.a. Bischof Dr. Rudolf Voderholzer.


Während der Eucharistiefeier in der Kapelle der Mutter Gottes von Tschenstochau würdigte Kardinal Marx das heutige Verhältnis zwischen Polen und Deutschland: „Das alltägliche Zusammenleben von Polen und Deutschen ist so normal, wie man es sich nur denken kann.“ Umso schwieriger sei die Zeit während des Weltkrieges gewesen. Der polnische Klerus habe während der Jahre der Besatzung einen „gewaltigen Blutzoll entrichten müssen“, so Kardinal Marx. Daher sei es umso bedeutender gewesen, dass „die polnischen Bischöfe nur zwanzig Jahre nach all der Barbarei Vergebung gewährt und – mehr noch – auch Vergebung erbeten haben“. Das Entscheidende des 1965 begonnenen Versöhnungsprozesses sei gewesen: „Beide, die Bischöfe in Polen und in Deutschland, haben tatsächlich dafür gesorgt, dass Hass, Zwietracht und politisches Kalkül unsere Hände nicht wieder trennen konnten. Bei allem Auf und Ab der politischen Beziehungen, bei manchen Ungereimtheiten und Enttäuschungen, die es auch im Verhältnis zwischen der Kirche in Deutschland und in Polen gab: Die Kirche in beiden Ländern – nicht nur die Bischöfe, sondern auch Priester und Laien – ist zusammengeblieben. Gemeinsam wollen wir unsere Heimat Europa und die Zukunft des Christentums auf unserem Kontinent gestalten. Dies war gleichsam das Programm des Briefwechsels. Ihm sind wir treu geblieben. Ihm müssen wir auch in Zukunft treu bleiben“, betonte Kardinal Marx.

Festakt würdigt Versöhnungsprozess

Bei einem Festakt würdigten die Vertreter beider Bischofskonferenzen den langen und erfolgreichen Versöhnungsprozess. Dazu trug auch ein Podiumsgespräch bei, an dem die Vorsitzenden der polnisch-deutschen Kontaktgruppe der Bischofskonferenzen, Erzbischof Dr. Ludwig Schick (Bamberg) und Erzbischof Dr. Wiktor Skworc (Kattowitz), sowie Dr. Andrzej Grajewski (Publizist, Gość Niedzielny) und Dr. Gerhard Albert (Geschäftsführer von Renovabis) teilnahmen.

 

Erzbischof Stanisław Gądecki hob bei dem Festakt hervor: „Mea culpa bezieht sich auf die Sünden der Vergangenheit. Denn ohne die Sünden der Vergangenheit können wir die Situation von heute nicht verstehen. Die Kirche kann und darf nicht mit Arroganz in der Gegenwart leben, sich von den Sünden ausgenommen fühlen und als Quelle des Bösen die Sünden der anderen, der Vergangenheit, ausmachen. Das Bekennen der Sünde der anderen befreit nicht vom Anerkennen der Sünden der Gegenwart, es hilft, das eigene Gewissen zu wecken und den Weg zur Bekehrung für uns alle zu öffnen. Dank sei Gott für unser heutiges Treffen auf Jasna Góra.“

 

Genau zu diesem Ort lud die Polnische Bischofskonferenz Papst Paul VI. und die Bischöfe aus der ganzen Welt, darunter die Bischöfe aus Deutschland, ein, um das 1.000. Jubiläum der Taufe Polens, am 3. Mai 1966, gemeinsam zu feiern. „Heute werden wir Seite an Seite stehen, die deutschen und die polnischen Bischöfe, um zu sagen, dass wir versöhnt sind! Versöhnt in Christus und untereinander.“ Erzbischof Gądecki erinnerte an das „Bensberger Memorandum“ von 1968, das sich für die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze ausgesprochen hatte. Mitunterzeichner dieses Dokuments war Prof. Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., der in einem Brief bekannt hatte, wegen dieser Initiative, auf die er lange gewartet habe, glücklich zu sein.

 

Erzbischof Gądecki zitierte darüber hinaus mit Blick auf die Zukunft die Worte des ehemaligen polnischen Primas, Kardinal Stefan Wyszyński, der 1966 auf Jasna Góra ausgerufen hatte: „Der Hass führt zu den Friedhöfen, die Liebe führt zum neuen Leben.“ Deshalb gebe es auch in unserer Zeit keinen Raum für Hass aufgrund von Herkunft, Rasse oder Religion gegenüber Personen, die seit Jahren auf unserem Kontinent leben oder in den vergangenen Monaten aus dem Nahen Osten gekommen sind, so Erzbischof Gądecki. „Als Christen sind wir dazu berufen, ein Zeugnis der Liebe zu geben, und somit das Haus unserer Heimat auf einem soliden Felsen zu bauen."

 

In seiner Ansprache ging Kardinal Marx auch auf die politische Lage im heutigen Europa ein und fragte: „Ist die Europäische Union gerüstet, sich in einer sich dramatisch verändernden Welt zu behaupten und Beiträge für Frieden und Wohlergehen auch außerhalb der eigenen Grenzen zu erbringen? … Was fordert das Drama der Hunderttausende von Flüchtlingen von uns, die sich vor allem aus dem Nahen Osten nach Europa aufgemacht haben, um Terror und Krieg in der Heimat zu entkommen?“ Seit einiger Zeit habe man den Eindruck, „dass Tendenzen des Nationalismus, des Egoismus, der Selbstbezogenheit überall in Europa im Aufwind sind. Viele glauben, die Probleme des eigenen Landes ließen sich leichter lösen, wenn man sich auf sich selbst zurückzieht. Solidarität scheint zu einer immer knapperen Ressource zu werden. Ich bin überzeugt: Dies sind Irrwege … Die europäischen Völker können die großen Probleme unserer Zeit nur gemeinsam lösen“, so Kardinal Marx. „Hier ist auch die Kirche gefordert. Wir dürfen nicht abseits der europäischen Debatte stehen, sondern können eine starke Rolle spielen. Wir müssen unsere Werte kraftvoll bezeugen und so dafür sorgen, dass das große geistige und moralische Erbe des Christentums weiterhin auf unserem Kontinent wirkmächtig bleibt.“

 

Unterzeichnung einer Gemeinsamen Erklärung

Höhepunkt des Festaktes war die Unterzeichnung einer Gemeinsamen Erklärung, die den geschichtlichen Ertrag des Briefwechsels würdigt und einen Ausblick auf die weitere Entwicklung gibt. Die Erklärung unter dem Titel „Zukunft gestalten aus dem Geist erfahrener Versöhnung“ fragt nach Gegenwart und Zukunft der polnisch-deutschen Beziehungen in Kirche und Politik. „Das Geschenk der Versöhnung, das wir empfangen haben, schärft unseren Blick und lässt uns die Aufgaben besser erkennen, vor denen wir stehen. Den Kirchen in beiden Ländern ist es aufgetragen, die Zukunft aus dem Geist der erfahrenen Versöhnung zu gestalten. Dabei bleibt die Einheit Europas mit seinen christlich geprägten Grundlagen eine Aufgabe, an der wir als Kirche aktiv und intensiv mitarbeiten wollen. Wir sind Christen, wir sind Polen und Deutsche, aber wir sind gemeinsam Europäer!“

 

Das Geschenk der Versöhnung mache sensibel für die Situationen von Unversöhntheit und Unfrieden in der heutigen Welt, so Kardinal Marx. Die beiden Bischofskonferenzen feiern das Jubiläum des Briefwechsels mit der Absicht, „die Erfahrung der Versöhnung in das Gespräch mit der Kirche und der Gesellschaft in anderen Ländern einzubringen und so Impulse für Versöhnungsprozesse in Europa zu setzen“. Die Polnische und die Deutsche Bischofskonferenz haben sich deshalb in Tschenstochau darauf verständigt, dazu konkrete Projekte durchzuführen und die gemeinsam von den Bischofskonferenzen mitgetragene Maximilian-Kolbe-Stiftung weiterzuentwickeln und auszubauen.

 

Die Gemeinsame Erklärung betont den Charakter Europas als Werte- und Kulturgemeinschaft: „Vielerorts gerät heute in Vergessenheit, dass die christlichen Werte und das christliche Menschenbild den europäischen Geist und die Identität der Europäer tief prägen. Die Überzeugung von der unverlierbaren Würde eines jeden Menschen begründet unser Verständnis von Freiheit und Solidarität. Sie wurzelt im Glauben an die Gottesebenbildlichkeit des Menschen, den das Christentum auf unserem Kontinent verbreitet hat. Eine tiefere Begründung der Menschenwürde kann es nicht geben.“ Die Gemeinsame Erklärung schließt mit dem Appell: „Wir schauen heute nicht nur zurück auf ein historisches Ereignis, sondern wir verpflichten uns gemeinsam neu, als Kirche in Polen und Deutschland engagiert einzutreten für Versöhnung, Frieden und Solidarität. Dieser gemeinsame Weg geht weiter! Er sollte noch mehr, über die Begegnung der Bischöfe hinaus, zu intensiverem Austausch auf allen Ebenen der Kirche in unseren Ländern werden. Dazu ermutigen wir, das wollen wir gemeinsam voranbringen.“



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