Treffen der Schülerkreise Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. – Bischof Voderholzer leitet Symposium in Rom thematisch ein
In der befreienden Treue zur Wahrheit
Rom, 24. September 2022
Wenn sich die Schülerkreise Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI. einmal im Jahr in Rom im Schatten des Petersdomes treffen, dann geht es stets um die Theologie des inzwischen 95jährigen emeritierten Pontifex und sein Wirken in Kirche und Welt. Die Schüler - und nicht nur sie - wissen sich der treuen Interpretation des unglaublich reichhaltigen und umfangreichen Werkes verpflichtet, aber es geht ihnen auch darum, die darin enthaltene Wahrheit ins Heute zu heben und mit aktuellen Fragestellungen zu verbinden. Das war auch jetzt beim Symposium der Fall. Denn während allenthalben vielfach gefragt und gemeint wird, das Gefühl vieler Gläubigen und deren Erfahrung sei eine weitere und neue Offenbarungsquelle im Jetzt, stand das Spannungsverhältnis von verbindlicher Wahrheit und der Weiterentwicklung der Lehre der Kirche im Mittelpunkt der (wissenschaftlichen) Überlegungen. Namhafte Experten gaben dabei die Impulse, die nicht zuletzt beim öffentlichen Symposium am 24. September den Horizont der Gespräche und des Dialogs befruchteten. Über allem stand, gleichsam als Richtschnur einer dynamischen Treue, das Pauluswort aus dem ersten Korintherbrief (11,23) wie eine befreiend bindende Einladung: “Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe”.
Gutes Miteinander zweier Schülerkreise
Apropos Schülerkreise: Seit vielen Jahrzehnten gibt es den Kreis jener Schülerinnen und Schüler, die bei Professor Ratzinger studierten und promovierten. Seit 2008 existiert aber auch der Neue Schülerkreis. Zu den Zielen des Vereins zählt vor allem die Förderung der theologischen Wissenschaft und Forschung im Geiste der Theologie Joseph Ratzingers/Papst Benedikts XVI., als deren spezifische Kennzeichen die grundlegende Bedeutung der Heiligen Schrift in ihrer Einheit aus Altem und Neuem Testament, die Verbindung historisch-kritischer Exegese mit der theologischen Schriftauslegung, die Bedeutung der Kirchenväter für die Theologie, die unabdingbare Verwurzelung der Theologie und der Theologen im Leben der Kirche, die Bedeutung der Liturgie für die Theologie sowie die ökumenische Ausrichtung sowohl im Blick auf die Orthodoxie als auch die reformatorischen Gemeinschaften angesehen werden. Während der (alte) Schülerkreis ehemalige Promovenden und Habilitanden des früheren Professors versammelte und versammelt, vereint der Neue Schülerkreis auf Wunsch von Papst Benedikt XVI. junge Theologen, die sich um die Erforschung des Werkes des emeritierten Papstes und der Weiterführung seines theologischen Ansatzes verpflichtet sehen. Gerade hier sieht er geeignete Antworten für die theologischen Fragen unserer Zeit. Beide Schülerkreise haben in den vergangenen Jahren zu einem sehr guten Miteinander gefunden. Auf Wunsch von Papst em. Benedikt XVI. ist Kurienkardinal Kurt Koch, der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Protektor beider Schülerkreise.
Richtige Balance zwischen Treue und Veränderung
Auf die richtige Balance zwischen Treue und Veränderung machte auch der in Rom tätige Kirchenrechtler Prälat Markus Graulich aufmerksam. Grundsätzlich, so der Untersekretär des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte, gelte: “Das Recht der Kirche stützt sich – vermittelt durch die Theologie und das Lehramt – auf die Offenbarung, die uns in Schrift und Tradition vorliegt. Das Recht wird auf diese Weise zum unerlässlichen Instrument für das persönliche und gemeinschaftliche Leben in der Kirche, dem es eine Ordnung gibt. Veränderungen der Rechtsordnung setzen daher die vertiefte theologische Erkenntnis der Offenbarung und die Dogmen voraus, welche das Lehramt definiert hat.” Aber es sei eben auch so: “Wo eindeutige dogmatische Festlegungen fehlen, kann auch das Recht keine Eindeutigkeit schaffen. Diese Tatsache ist während der Erarbeitung des derzeit gültigen kirchlichen Gesetzbuches sehr deutlich geworden. Der Inhalt des Kirchenrechts, seine materiale Dimension, entwickelt sich gemäß der vom Lehramt der Kirche getroffenen Definitionen. Was die Gestalt des Kirchenrechts, also seine formale Dimension angeht, gibt es größere Möglichkeiten für eine Entwicklung.
(…) Während das Recht zunächst durch Beschlüsse von Konzilien und Synoden, später durch die Dekretalen der Päpste gesetzt wurde, kam es – wie zuvor in den Staaten Europas – auch in der Kirche zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur Zusammenfassung der universalen Rechtsordnung in einen Codex, der durch weitere Gesetze ergänzt wird. Die Balance zwischen Treue und Entwicklung wird dabei gehalten.
Im Hinblick auf die Lehr- und Rechtstradition der Kirche könne das “Diktum des hl. Anselm fides quaerens intellectum (der Glaube sucht Verstehen) um zwei Sätze erweitert werden: fides quaerens actionem (der Glaube sucht die Tat, die Praxis gelebten Lebens) und: fides quaerens determinationem (der Glaube sucht Orientierung, Recht). Dadurch bleiben Lehre und Recht, Dogma und Kirchenrecht aufeinander verwiesen und entwickeln sich gemeinsam in der Überzeugung, dass jedes Sollen des Christen seinen Grund im Sein in Christus hat. Wird dieses Sein recht verstanden, wird es im Leben bejaht und damit zum canon, Richtung und Maßstab des Lebens.”
Was sagt das Zweite Vatikanische Konzil?
Das Symposium in Rom wurde thematisch eingeleitet von einer grundsätzlichen Überlegung des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer, der die Frage der Lehrentwicklung in der Kirche auf der Basis des Zweiten Vatikanischen Konzils beleuchtete. Dabei bezog er sich auf die in der Offenbarungskonstitution “Dei Verbum” getroffene Konzilsaussage „Die apostolische Überlieferung kennt in der Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes einen Fortschritt“ (DV 8).
Tatsächlich spreche auch das letzte Konzil davon, dass “die Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes einen Fortschritt kennt im Verständnis des überlieferten Glaubens. Zu diesem Wachstum tragen gemäß der Lehre des Konzils verschiedene Faktoren bei: „[E]s wächst das Verständnis der überlieferten Dinge und Worte durch das Nachsinnen und Studium der Gläubigen, die sie in ihrem Herzen erwägen (vgl. Lk 2,19.51), durch innere Einsicht, die aus geistlicher Erfahrung stammt, durch die Verkündigung derer, die mit der Nachfolge im Bischofsamt das sichere Charisma der Wahrheit empfangen haben“.
Gemäß DV 10 ist es dem Lehramt der Bischöfe anvertraut, eine Lehrentwicklung festzustellen, zu prüfen und gegebenenfalls für verbindlich zu erklären: „Die Aufgabe aber, das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes verbindlich zu erklären, ist nur dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut, dessen Vollmacht im Namen Jesu Christi ausgeübt wird.“
Forderungen des Synodalen Weges: Gefahr des Bruchs mit einer 2000-jährigen Überlieferung
Gegenwärtig gebe es aber eine neue Situation. Man erlebe geradezu eine Flut von Forderungen nach „Weiterentwicklung“ der Lehre: “Im Zusammenhang des so genannten Synodalen Weges in Deutschland werden von etlichen Mitgliedern der Vollversammlung sogar mehrheitlich Forderungen erhoben nach ‚Weiterentwicklung‘ der kirchlichen Lehre in verschiedensten Bereichen, nicht nur der Sexualmoral, sondern auch in der Sakramentenlehre im Bezug auf das Bischofsamt, auf die Zulassungsbedingungen zum Weiheamt in all seinen drei Stufen, in der Anthropologie, in der Ekklesiologie (Stichwort „synodale“ Kirche) etc..“ Und dabei berufe man sich “einerseits auf die gelebte Praxis, auf die Lebenswirklichkeit, in Verbindung mit dem Sensus fidei fidelium als ernstzunehmender Glaubensquelle sowie andererseits auch auf die Tatsache der in der Dogmengeschichte vermeintlich nachweisbaren angeblich vielfältigen und sprunghaften, nicht selten sogar widersprüchlichen Fälle von Lehrveränderung und folgert daraus die Möglichkeit, auch heute vor dem Hintergrund einer Vertrauenskrise der Kirche und einer Plausibilitätskrise ihrer Lehre mutig an diese Weiterentwicklung heranzugehen.”
Voderholzer nannte unter anderem die Forderung nach Zulassung von Frauen zu allen Weihestufen. Diese sei “nicht eine Fortentwicklung der Lehre, sondern steht im deutlichen Widerspruch zum Apostolischen Schreiben ‚Ordinatio sacerdotalis‘ (22. Mai 1994) von Papst Johannes Paul II., der erklärte, dass die Kirche keine Vollmacht habe, von der Praxis Jesu und der Apostel abzuweichen, nur Männer in das apostolische Dienstamt zu berufen. An dieser Lehre sei ‚endgültig‘ (definitive) festzuhalten. Papst Franziskus hat in etlichen eindeutigen Aussagen (von freilich unterschiedlichem Gewicht) diese Lehre bekräftigt. Eine Abkehr davon stellte einen Bruch mit einer 2000-jährigen Überlieferung dar; das Insistieren auf der genannten Forderung birgt die ernste Gefahr einer Kirchenspaltung.”
Grundfrage des Menschen: Wie muss ich Gott begegnen?
Der Liturgieexperte Pater Uwe Michael Lang, der in London lehrt, widmete sich der aktuellen Frage, wie heute gebetet werden kann. Sein Thema: Beten wie die Väter, um zu glauben, wie sie geglaubt haben: Lex orandi – Lex credendi. Er kam auch auf die Frage nach dem Verhältnis von Kontinuität und Bruch in der Liturgie zu sprechen zu kommen. Ganz im Sinne Ratzingers empfahl auch er eine Neulesung (relecture) der Konzilskonstitution Sacrosanctum Concilium, die über manche kontrovers geführte Diskussion hinausweisen kann.
Joseph Ratzinger hat, so der Experte, in seinen Schriften zur Liturgie eine theologische und spirituelle Vertiefung des Verhältnisses von lex orandi und lex credendi vorgenommen. Sein Vorwort zu Theologie der Liturgie, dem Band, mit dem die Veröffentlichung seiner Gesammelten Schriften im Jahr 2008 begann, enthält eine kurze Betrachtung über Bedeutungsfülle des Begriffs „Orthodoxie“, in dem die Worthälfte „doxa“ nicht „Meinung“, sondern „Herrlichkeit“ bedeutet: Es geht nicht um die richtige „Meinung“ über Gott, sondern um die rechte Weise, ihn zu verherrlichen, auf ihn zu antworten. Denn das ist die Grundfrage des Menschen, der anfängt, sich selbst recht zu verstehen: Wie muss ich Gott begegnen?
Zur Diskussion um Kontinuität und Bruch in der liturgischen Entwicklung
In einem Beitrag, so Pater Lang, den er nur wenige Monate vor seiner Wahl zum Nachfolger Petri verfasste, legte Joseph Ratzinger folgende Bestimmung des Begriffs „Ritus“ vor: „Der „Ritus“, die im Glauben und Leben der Kirche gereifte Gestalt des Betens und Feierns, ist kondensierte Gestalt der lebendigen Überlieferung, in der ein Ritenraum das Ganze seines Glaubens und Betens ausdrückt und so zugleich die Gemeinschaft der Generationen erlebbar wird, die Gemeinschaft mit den Betern vor uns und nach uns. So ist der Ritus eine Vor-Gabe an die Kirche, lebendige Gestalt von Paradosis.“ Lang weiter: „Die Diskussion um Kontinuität und Bruch in der liturgischen Entwicklung hat nichts an Aktualität verloren und wird nicht nur im wissenschaftlichen Diskurs, sondern auch vor einer breiteren Öffentlichkeit geführt. Joseph Ratzinger wurde zu einem Wegbereiter, der eine neue Generation von Forschenden anregte, das vorherrschende Paradigma in Frage zu stellen, wonach die Geschichte vor allem der römischen Messe von einer frühen dynamischen Entfaltung über einen mittelalterlichen Niedergang zu einer frühneuzeitlichen Stagnation geführt habe. Durch seine wichtigen Beiträge förderte Ratzinger auch kritisches Nachdenken über die liturgischen Reformen des 20. Jahrhunderts und einen nüchternen Blick auf den gegenwärtigen Zustand des katholischen Gottesdienstes.“
„Warum ich noch in der Kirche bin“
Der Kölner Priester Herausgeber des Deutschen Martyrologiums, Prälat Helmut Moll, der u.a. lange in Rom unter Ratzinger in der Glaubenskongregation arbeitete, beleuchtete einige Wurzeln der Theologie und des Denkens Joseph Ratzingers/Papst Benedikts XVI. Er beschrieb dabei dessen Aufwachsen in seiner Familie in der bayerischen Lebenswelt, die Bedeutung der Liturgie in Leben der Kirche, die kanonische Auslegung der Heiligen Schrift und schließlich die Kirchlichkeit der christlichen Existenz. Insgesamt machte Moll deutlich, wie sehr Joseph Ratzinger von Anfang seines Lebens an in das Geheimnis der Osternacht und damit der sicheren Hoffnung auf die Auferstehung eingetaucht sei. Moll sagte schließlich: „In seinem Vortrag ‚Warum ich noch in der Kirche bin‘ aus dem Jahr 1971 fasst Prof. Ratzinger die Beweggründe für seine Kirchlichkeit ganz persönlich. ‚Ich bin in der Kirche, weil ich daran glaube, dass nach wie vor und unaufhebbar durch uns, hinter 'unserer Kirche' 'Seine Kirche' lebt und dass ich bei Ihm nicht anders stehen kann, als indem ich bei und in Seiner Kirche stehe. Ich bin in der Kirche, weil ich trotz allem daran glaube, dass sie zutiefst nicht unsere, sondern eben 'Seine' Kirche ist.‘ Auf dieser Grundlage entfaltet Professor Ratzinger in ruhigen Zügen den sich daraus ergebenden Lebensvollzug des Christen. (…) ‚Dass man uns vorgaukelt, man könne ohne das Bestehen seiner selbst, ohne die Geduld des Verzichts und die Mühsal der Überwindung Mensch werden, dass man uns vormacht, die Härte des Stehens zum Übernommenen und das geduldige Erleiden der Spannung zwischen dem Sollen des Menschen und seinem tatsächlichen Sein brauche es nicht, das macht ganz wesentlich die Krise unserer Stunde aus.‘ Im Bestehen seiner selbst, in der Geduld des Verzichts und der Mühsal der Überwindung, in der Härte des Stehens zum Übernommenen und im geduldigen Erleiden der Spannung zwischen dem Sollen des Menschen und seinem tatsächlichen Sein vollzieht sich das Menschsein im Licht der Erlösung.“
Entwicklung in Kontinuität und nicht Veränderung im Bruch
Kardinal Kurt Koch, der Protektor der Schülerkreise, ging in seinem Abschlußwort auf die immer wieder betonte „Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruches“ im Blick auf das Zweite Vatikanische Konzil ein und betonte, dass manche „im Konzil die Beendigung der bisherigen Traditionsgestalt der Kirche, nach der etwas Neues begonnen habe,“ sehen und dass „das im so genannten „Geist des Konzils“ greifbar, jedoch noch nicht zum Durchbruch gekommen sei und deshalb nach dem Konzil verwirklicht werden müsse.“ Diese Hermeneutik sei „vor allem daran zu erkennen, dass in einer beinahe inflationären Weise zwischen der so genannten vor-konziliaren und nach-konziliaren Kirche unterschieden wird. In einer weithin dualistischen Geschichtsschau wird die Diskontinuität zwischen der Zeit vor und nach dem Konzil betont. In diesem Verständnis bedeutet Weiterentwicklung der Glaubenslehre nicht mehr Entwicklung, sondern Veränderung und Neuformulierung nach dem Bruch. Einer der wohl profiliertesten Protagonisten dieser Konzilshermeneutik ist Hans Küng gewesen, der das Konzil als „Integration des Paradigmas der Reformation und der Moderne in die katholische Kirche“ verstanden wissen wollte. Da die Moderne wesentlich einen gravierenden Traditionsbruch bedeutet, impliziert nach Küng auch die Interpretation des Zweiten Vatikanischen Konzils in der modernitätsverträglichen Sinnrichtung einen elementaren Bruch mit der Tradition. Küng hat zudem im Zweiten Vaticanum, das er als ‚Konzil mit seinen Kompromissen, Halbheiten und Mehrdeutigkeiten‘ beurteilt, einen gravierenden ‚Geburtsfehler‘ diagnostiziert, den man nur dadurch korrigieren könne, dass der mit dem Konzil begonnene Bruch über das Konzil hinaus zu Ende geführt werde.“
Koch wandte sich gegen „Extrempositionen“, die „freilich aus völlig unterschiedlichen Gründen eine Hermeneutik des Bruchs und der Diskontinuität“ vermuten, „weil sie das Zweite Vatikanische Konzil nicht im Gesamt der Tradition der Kirche verstehen. Diese verfehlte Einstellung hat Papst Benedikt XVI. klarsichtig erkannt und mit den Worten ausgesprochen: ‚Man kann die Lehrautorität der Kirche nicht im Jahr 1962 einfrieren – das muss der Bruderschaft (sc. der Priesterbruderschaft St. Pius X.) ganz klar sein. Aber manchen von denen, die sich als große Verteidiger des Konzils hervortun, muss auch in Erinnerung gerufen werden, dass das II. Vaticanum die ganze Lehrgeschichte der Kirche in sich trägt. Wer ihm gehorsam sein will, muss den Glauben der Jahrhunderte annehmen und darf nicht die Wurzeln abschneiden, von denen der Baum lebt.“
In diesem Urteil ist deutlich, dass Papst Benedikt XVI. eine Lehrentwicklung für möglich und theologisch verantwortbar hält, wenn sie wirklich Entwicklung in Kontinuität und nicht Veränderung im Bruch ist.“
Natur einer wahren Reform: Erneuerung der Kirche und ihrer Lehre in Kontinuität mit der Tradition
Im Zusammenspiel von Kontinuität und Diskontinuität auf verschiedenen Ebenen liege die Natur einer wahren Reform: „Mit diesem Prinzip einer Erneuerung der Kirche und auch ihrer Lehre in Kontinuität mit der Tradition wird sichtbar, wie Papst Benedikt XVI. das Zweite Vatikanische Konzil als Ganzes versteht: Seiner eigenen Intention gemäß wollte das Zweite Vaticanum wie jedes frühere Konzil im Licht der umfassenden und lebendigen Tradition der Kirche verstanden und interpretiert werden. Diese Kontinuität mit der Tradition ist vom Konzil aber in einer innovativen Weise wahrgenommen worden, indem es die Tradition der Kirche mit einer vergegenwärtigenden Interpretation in der neuen geschichtlichen Situation, in der die Kirche lebt, verbunden hat. Das Konzil ist in die Tradition hinein offen gewesen, und es ist zugleich für die Gegenwart und die Zukunft des Glaubens offen gewesen. Im Entwicklungsprozess des Neuen unter Wahrung der Kontinuität ist es dem Konzil um die Erneuerung des einen Subjekts „Kirche“ gegangen: „Die Kirche ist ein Subjekt, das mit der Zeit wächst und sich weiterentwickelt, dabei aber immer sie selbst bleibt, das Gottesvolk als das eine Subjekt auf seinem Weg.“
In diesem zweifachen Sinn sei das Zweite Vaticanum ein Reformkonzil gewesen, so Kardinal Koch: „Es hat keine neue Kirche im Bruch mit der Tradition geschaffen und auch keinen neuen Glauben intendiert, sondern eine erneuerte Kirche und eine Erneuerung des Glaubens aus dem Geist der christlichen Botschaft, die ein für allemal offenbart worden ist und in der lebendigen Tradition der Kirche überliefert ist. Wahre Erneuerung besteht deshalb in der Rückbesinnung auf das Ursprüngliche, das als normativ zu betrachten ist. (…) Das Konzil aber wollte den katholischen Glauben ursprungsgetreu und zeitgemäss verkünden, um den Menschen im Heute die Wahrheit und Schönheit des Glaubens so weitergeben zu können, dass sie ihn verstehen und als Geschenk für ihr Leben annehmen können.“
Und was von der Reform der Kirche zu sagen sei, gelte auch für die Erneuerung und Weiterentwicklung der Lehre des Glaubens: „Sie muss sich an der verbindlichen Offenbarung orientieren und in die jeweilige Zeit hinein neu so ausgelegt werden, dass sie von den Menschen empfangen und verstanden werden kann.“
In der vom Theologen und Publizisten Martin Lohmann, der selbst korrespondierendes Mitglied des Neuen Schülerkreises ist, moderierten Podiumsdiskussion meldeten sich viele Zuhörer und Zuschauer (Radio Horeb und EWTN) zu Wort und fragten gerade im Hinblick auf den sogenannten Synodalen Weg nach Glaubenssicherheit und Verlässlichkeit der Lehre.
Das öffentliche Symposium mit den Vorträgen und der Podiumsdiskussion kann hier angesehen werden.
Text: Martin Lohmann / mk
Bilder: EWTN