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Traditionelle Nepomukfeier der Ackermann-Gemeinde im Bistum Regensburg

Nepomuk erinnert daran, dass Gott auch heute bei uns ist

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Regensburg, 4. September 2023

Der Heilige Nepomuk ist aktueller denn je: Bei der traditionellen Nepomukfeier der Ackermann-Gemeinde, der Gemeinschaft katholischer Heimatvertriebener, wurden auch die weltweit über 100 Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen angesprochen.

Eine lange Tradition bei der Ackermann-Gemeinde, der 1946 gegründeten Gesinnungsgemeinschaft katholischer Heimatvertriebener aus Böhmen, Mähren und Sudeten-Schlesien, sind Nepomukfeiern am oder um den 16. Mai (offizieller Gedenktag) in Erinnerung an den bekannten Brückenheiligen. Mitunter gibt es bei solchen Veranstaltungen auch ein Lichterschwimmen – etwa in Würzburg im Main. Im Bistum Regensburg ist der Brauch noch sehr jung. Zum Start bzw. zur Wiederaufnahme der Aktivitäten nach der Corona-Pandemie hat der Regensburger Diözesanverband der Ackermann-Gemeinde erstmals am 11. September 2021 eine Nepomukfeier nahe der Mündung der Naab in die Donau bei Mariaort (Gemeinde Sinzing) veranstaltet. Drei Aspekte sollten dabei berücksichtigt werden: die Erinnerung an den Brückenheiligen Nepomuk (Statue bei der Brücke), eine Andacht in einer Marien-Wallfahrtskirche wegen des besonderen Bezuges der Heimatvertriebenen zur Gottesmutter und die Einbeziehung des Freundeskreises Dr. Albert Rauch. Der frühere, am 10. Januar 2015 verstorbene Prälat Dr. Albert Rauch, langjähriger Direktor des Ostkirchen Instituts der Deutschen Bischofskonferenz und Pfarradministrator im nahen Etterzhausen, stand der Arbeit der Ackermann-Gemeinde, insbesondere auch dem Diözesanvorsitzenden Karl-Ludwig Ritzke nahe.

Ab dem dritten Mal kann man nun von Tradition sprechen: damit ist die Nepomukfeier der Ackermann-Gemeinde im Bistum Regensburg, die am ersten September-Samstag in Mariaort nahe dem Zusammenfluss von Naab und Donau stattfand, zur festen Einrichtung und Gepflogenheit geworden: Andacht in der Marien-Wallfahrtskirche, Gedenken an der Nepomuk-Statue und geselliges Beisammensein im Gasthaus Krieger.

Die Andacht in der Kirche Mariä Himmelfahrt zelebrierten diesmal Diakon Reiner Fleischmann, der auch Leiter der Notfallseelsorge im Bistum ist, und Kapuzinerpater Clemens Habiger, der 1942 in Zwittau/Svitavy geboren und 1946 mit seiner Familie von dort vertrieben wurde. „In einer Marienkirche sich zu treffen und dort nach der Vertreibung ein Stück Heimat zu finden, ist eine alte Tradition der Ackermann-Gemeinde. Auch wir in Regensburg wollen uns heute in alter Tradition vor dem Gnadenbild treffen.“ Mit diesen Worten begrüßte der Diözesanvorsitzende Karl-Ludwig Ritzke die Teilnehmer der Feier, vor allem Mitglieder der Ackermann-Gemeinde und auch Vertreter des Freundeskreises Dr. Albert Rauch, auf den Ritzke später einging. „Seit Jahrzehnten empfangen Sie in der Pfarradministratur Etterzhausen orthodoxe Priester sowie Theologinnen und Theologen und haben so, und das ist wichtig zur Zeit des Krieges in der Ukraine, einen großen Beitrag zur Versöhnung mit den Christen des Ostens geleistet“, würdigte er die Tätigkeit der Etterzhausener.

Ackermann-Gemeinde unterstützt seit Jahrzehnten die Verbindung zwischen Ost und West

Dass heuer in den Medien am 1. September nur wenig auf den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hingewiesen wurde bedauerte Diakon Fleischmann in seiner Begrüßung. Umso mehr ist für ihn das Wirken der Ackermann-Gemeinde, die seit Jahrzehnten „die Verbindung zwischen Ost und West unterstützt und stärkt“, ein wichtiger Pfeiler. „Der Heilige Johannes Welfflin aus Pomuk, wie sein vollständiger Name lautet, begegnet uns als Figur auf vielen Brücken. Als Brückenheiliger kann er uns auch Brücken im Glauben bauen“, wies der Diakon auf den Heiligen hin, der bei dieser Andacht besonders gewürdigt wurde – und der auch ein guter Hirte war, „der mutig dem Ungeist seiner Zeit widerstand“.

Diakon Fleischmann: Der Glaube ist als Basis für unser Handeln wichtig

Die weltweit über 100 Mio. Flüchtlinge und Vertriebenen und die Folgen für Politik und Kommunen bzw. Vorgänge an Grenzen oder im Mittelmeer nannte Diakon Fleischmann zu Beginn seiner Predigt und sprach deutlich von in diesem Kontext häufig vorkommenden Menschenrechtsverletzungen. Als Kontrapunkt führte er die im Jahr 1946 von Vertriebenen aus Böhmen und Mähren gegründete Ackermann-Gemeinde an, die von Beginn an für eine Versöhnung unter den Völkern, für ein freundschaftliches Miteinander eingetreten sei. „Das ist aktueller denn je“, forderte der Diakon. Er zitierte aus der Rede Theodor Heuss’ von 1950, der damals von drei Hügeln sprach, die Europa bzw. das christliche Abendland prägen: die Akropolis in Athen, das Kapitol in Rom und Golgatha in Jerusalem. Vor diesem Hintergrund verdeutlichte Diakon Fleischmann, dass der Glaube als Basis für das Handeln wichtig sei. „Handeln ist immer Ausdruck einer inneren Einstellung, auch des christlichen Glaubens. Wo Glaube drinsteht, kommt Nächstenliebe heraus“, so der Geistliche. Er stellte damit die Frage an die Andachtsbesucher: „Ist dein innerer Glaube auch nach außen spürbar oder bin ich schon abgestumpft? Bin ich bereit, auf Fremde zuzugehen oder ziehe ich emotional die Schranken hoch? Das eigene Handeln ist oft ein Spiegel des Inneren.“ Bei Johannes Nepomuk sei sein Glaube deutlich sichtbar geworden. Daher sei es wichtig, so der Diakon, die Botschaft Nepomuks zu den Menschen hinauszutragen.

Diakon Reiner Fleischmann bei seiner Predigt.

Wer bei sich daheim ist, ist überall daheim

Über seine Wurzeln im mährischen Zwittau, wo er im Februar 1942 geboren wurde, und seinen weiteren Lebensweg nach der Vertreibung 1946 erzählte kurz Kapuzinerpater Clemens Habiger. Einige Monate nach seiner Geburt, im August 1942, ist sein Vater im Krieg gefallen, so dass die Mutter alleine für die Familie sorgen musste. Nur ein paar Erinnerungen blieben von der Kindheit: eine mit einer Kutsche, eine andere mit einem Stier, der vor dem Fenster plötzlich auftauchte. Die Vertreibung verbindet er mit einem sehr kalten Januar und einem Güterzug bzw. Waggons zum Viehtransport, in dem auf aufgeschichteten Ziegelsteinen Feuer gemacht wurde, um sich zu wärmen. „Meine Mutter hat nicht viel mitnehmen können, es ging ganz schnell“, führte er aus. Letztlich gelandet ist er dann in Eichstätt, wo die Heimatvertriebenen gut angenommen wurden – auch weil viele von ihnen damals gefragte Berufe wie Schneiderin oder Friseurin ausübten. Clemens Habigers Firmpate war übrigens Hans Schütz, einer der Gründungsväter und langjähriger Bundesvorsitzender der Ackermann-Gemeinde. Auch wenn er in Eichstätt aufgewachsen ist, die Schule bzw. das Gymnasium besucht, an der Theologischen Hochschule studiert hat und viel mit der Frauenbergkapelle verbindet – „das Gefühl, daheim zu sein, kommt nur mit dem Geburtsort, mit Zwittau, auf“, bekannte er. Und der Pater ging noch einen Gedanken weiter. „Wer bei sich daheim ist, ist überall daheim – dass ich so sein kann, wie ich bin, dass ich angenommen bin“, interpretierte er abschließend den Heimat-Gedanken.

Nach diesen Ansprachen und den Grüßauer Marienrufen gedachten Vorsitzender Ritzke und Schatzmeister Prof. Dr. Bernhard Dick der im zurückliegenden Jahr verstorbenen Verbandsmitglieder und entzündeten in Erinnerung an Johannes Nepomuk, auf dessen Leichnam fünf Flammen erschienen sein sollen, fünf Kerzen. Nach den Fürbitten und dem gemeinsamen Vaterunser-Gebet erteilte Diakon Fleischmann den Segen.

Kapuzinerpater Clemens Habiger gewährte Einblicke in sein Leben.

Nepomuk erinnert uns daran, dass Gott auch heute bei uns ist

Nach der Andacht erinnerte Ritzke bei der Nepomuk-Statue neben der Fußgänger- und Radfahrerbrücke an den Brückenheiligen. „An vielen Orten in Bayern und Böhmen wacht er über Brücken und Plätze. Er erinnert uns daran, dass Gott auch heute bei uns ist. Es war sein mutiger Widerstand gegen König Wenzel, sein Verständnis als Beichtvater der von ihrem Mann gequälten Königin Sophie, die die Gläubigen auf seine Fürsprache bei Gott hoffen ließen. Dann waren es aber auch die vielen Legenden, die sich um sein Leben und Sterben ranken. Die vielen beliebten Statuen machen die Gegenwart Gottes im Leben des Volkes spürbar und sinnlich erfassbar, ähnlich den Ikonen in Osteuropa.“ Der Vorsitzende machte deutlich, dass auch die Menschen in Tschechien, selbst wenn sie nicht kirchlich gebunden sind, offen für religiöse Symbole seien – egal ob das Feiern des Namenstages, Hören und Singen von Weihnachtsliedern oder die wieder errichtete Mariensäule auf dem Altstädter Ring in Prag. Dies wie auch die vielen in Böhmen und Mähren verbreiteten Nepomuk-Statuen „zeigen uns, dass wir hier im Herzen Europas zusammengehören“, so der Diözesanvorsitzende.

Menschen bei Führung an einer Statue

Verdienstvolle Tätigkeit von Dr. Albert Rauch gewürdigt

Das Gedenken galt schließlich auch dem am 10. Januar 2015 verstorbenen Prälat Dr. Albert Rauch, Direktor des Ostkirchen Instituts der Deutschen Bischofskonferenz und langjährigen Pfarradministrator von Etterzhausen. „800 orthodoxe Stipendiaten, darunter 40 russische Theologen, sind unter seiner Leitung unserer katholischen Kirche begegnet und haben erfahren, wie verwandt miteinander unsere Kirchen sind. Das ist heute sehr wichtig, denn der Patriarch von Moskau, Kyrill, will unter dem Schutz von Putin glaubend machen, dass der Westen religiös und moralisch verdorben ist. Es wird auch eine Zeit nach Putin geben. Dann werden unsere ehemaligen Stipendiaten von dem Glauben und der Gastfreundschaft, die sie besonders hier in Etterzhausen, vor dem Nepomuk und in der Wallfahrtskirche erlebt haben, berichten. Sie werden berichten, dass Glaube und Leben der Gläubigen vor allem in der Katholischen Kirche sich nicht von der Orthodoxie wesentlich unterscheidet“, erklärte Ritzke. Mit einem gemeinsam gesungenen Nepomuk-Lied und einer Spezialversion des Liedes „Žádnej neví co sou Domažlice“ („Koana woaß des, wos is Domaschlitze“) endete die Feier.

Beim geselligen Beisammensein im Gasthof Krieger erinnerte Schatzmeister Dick daran, dass Anfang September 2021 mit der ersten Nepomukfeier auch die Aktivitäten der diözesanen Ackermann-Gemeinde nach der Corona-Pandemie wieder gestartet wurden. Wie einst der Eiserne Vorhang überwunden werden konnte, gelte es aktuell, so Dick, Lügen und Hass in die Schranken zu weisen, Brücken zu bauen und den Geist der Versöhnung und Freundschaft zu verbreiten. „Die Ackermann-Gemeinde ist heute nötiger denn je“, fasste er zusammen.

Nepomuk ist wunderschönes Symbol für den Brückenbau zwischen Bayern und Tschechen

Das unterstrich auch der Landtagsabgeordnete Tobias Gotthardt, der auch berufenes Mitglied des Bundesvorstands der Ackermann-Gemeinde ist, in seinem Grußwort. Für ihn sind die bayerisch/deutsch-tschechischen Beziehungen aus dem Glauben heraus besonders wichtig, sie sind Zeichen der Versöhnung und des Miteinanders. „Die Arbeit der Kirchen auf beiden Seiten der Grenze war wichtig für das, was heute erreicht ist“, bekräftigte der Landespolitiker. Er verwies auf das Treffen der damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer und Petr Nečas im Jahr 2010 und die aktuell guten Beziehungen zu einzelnen tschechischen Ministern der tschechischen Regierung sowie zu Premierminister Petr Fiala und Präsident Petr Pavel. „Auch jetzt geht es darum, dieses Miteinander weiter in die Herzen zu bringen“, appellierte Gotthardt und forderte eine „Politik der Kaffeetasse“, also nicht nur alle zwei Jahre ein Gipfeltreffen, sondern einfach im Alltag reden und sich austauschen. In diesem Sinne sei der Heilige Nepomuk ein „wunderschönes Symbol für den Brückenbau. Wer Brücken baut, braucht den Segen Gottes. Und wenn wir gemeinsam weiterbauen, können viele stabile Brücken entstehen“, fasste Gotthardt zusammen.

Auch beim gemütlichen Teil sorgten – wie schon bei der Andacht und dem Gedenken an der Nepomuk-Statue - Stefanie und Mareike Rademacher für den musikalischen Rahmen.

Text und Fotos: Markus Bauer

(SG)



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