Religionsunterricht in Corona-Zeiten
Domdekan Prälat Johann Neumüller leitet im Bistum Regensburg die Hauptabteilung Schule/Hochschule. Er ist verantwortlich für die Schulen in der Diözese, darunter 14 Schulen in direkter Trägerschaft der Schulstiftung. Zu seinem Aufgabengebiet zählt auch die Fachaufsicht über den Religionsunterricht an allen staatlichen und privaten Schulen auf Diözesangebiet. Hier kommen Fragen und Antworten an ihn zum Thema.
Herr Domdekan, Sie waren selbst über viele Jahre hinweg als Religionslehrer in Schulen tätig. Was zeichnet einen guten Religionsunterricht aus und warum ist er so wichtig für die Schülerinnen und Schüler?
Guter Religionsunterricht befähigt Schülerinnen und Schüler, religiöse Phänomene und Zeugnisse wahrzunehmen, religiöse Sprache und Traditionen zu verstehen, religiöses Wissen darzustellen und in religiösen Fragen begründet urteilen zu können. Im Idealfall regt er schließlich die Schülerinnen und Schüler dazu an, aus religiöser Motivation zu handeln.
Damit wird aber deutlich, dass Religionsunterricht nicht aus einer Außenperspektive stattfinden, nicht rein belehrend über Religion sprechen kann, sondern immer schon eine Innenperspektive wahrnimmt, immer schon aus konkreter, gelebter Religiosität heraus erwächst. Und dies bedingt eine konfessionelle Ausgestaltung des Religionsunterrichts: Lehrkraft wie Schüler teilen diese Innenperspektive einer gemeinsamen religiösen Tradition, in der sie stehen, und die anders ist als die anderer Gemeinschaften, anderer Konfessionen.
Nun sollen katholischer Religionsunterricht, evangelischer Religionsunterricht und Ethikunterricht zusammengelegt werden, damit die Kinder während der Pandemie im Klassenverband verbleiben können. Was sind die Hintergründe?
Der konfessionsgebundene Unterricht ist in Bayern durch Konkordat und Grundgesetz garantiert. In der Organisation des Unterrichtsbetriebs an den einzelnen Schulen bedeutet dies oftmals, dass im Fach Religion die katholischen bzw. evangelischen Schülerinnen und Schüler verschiedener Klassen zu konfessionsreinen Lerngruppen zusammengeholt werden müssen. Da eine Vermischung von Klassen aber derzeit wegen erhöhter Infektionsgefahr vermieden werden sollte, wird momentan die Bildung dieser Religionsgruppen hinterfragt.
Wenn der konfessionelle Religionsunterricht verfassungsrechtlich verankert ist, wie kann dann der Staat so eine Lösung erlauben?
Prälat Lorenz Wolf, der Leiter des Katholischen Büros Bayern, und Oberkirchenrat Stefan Blumtritt (ELKB) haben gemeinsam mit dem Ministerium ein Konzept mit vier Modellen für einen zeitlich begrenzten überkonfessionellen Religionsunterricht entworfen. Dabei handelt es sich um ein Angebot der Kirchen an die Schulen während der Zeit der Pandemie. Die vorgeschlagenen Modelle sind allerdings kein Muss. Sie sollen dann Umsetzung finden, wenn an manchen Schulen aufgrund hoher Infektionszahlen, der damit einhergehenden Hygienebestimmungen und der Gegebenheiten vor Ort und der Ängste vieler Eltern der Religionsunterricht nicht mehr in üblicher Weise durchgeführt werden kann.
Wie sehen der Bischof und das Bistum Regensburg diese Option?
Unser Bischof Dr. Rudolf Voderholzer bezeichnete am vergangenen Mittwoch beim Treffen der Schulleiterinnen und Schulleiter der kirchlichen Schulen der Schulstiftung des Bistums Regensburg zeitlich begrenzte Veränderungen bei der Organisation des Religionsunterrichts als zulässig, wenn sie dem Ziel dienen „die Menschen in gesundheitlicher Hinsicht zu schützen“. An der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit eines konfessionell gestalteten Religionsunterrichts ließ er keinen Zweifel. „Wir kehren zum Regelunterricht zurück, wenn es die Lage erlaubt.“
Was bedeutet diese Regelung für die Schulpraxis?
Staatlicherseits stellt – aufgrund des damit verbundenen Eingriffs in die Grundrechte jedes einzelnen – die Zustimmung der Erziehungsberechtigten aller betroffenen Schülerinnen und Schüler sowie der beteiligten Lehrkräfte die Grundvoraussetzung für die Einführung eines der vorgeschlagenen Modelle dar. Zudem wird eine Stellungnahme der Schulleitung gefordert, in der die Gründe für die jeweilige Entscheidung dargelegt werden.
Um den Schulleitungen die Umsetzung dieser Forderungen zu erleichtern, hat die Hauptabteilung Schule/Hochschule des Bistums Regensburg, die die Fachaufsicht über den katholischen Religionsunterricht in der Diözese innehat, einen digitalen Rückmeldebogen erstellt, der Anfang der Woche an alle Schulleitungen versandt wurde.
Sagen Sie uns bitte noch abschließend, wie sich die Corona-Pandemie auf die katholischen Schulen auswirkt.
Am letzten Mittwoch besuchte Bischof Dr. Rudolf Voderholzer das Treffen der Schulleiterinnen und Schulleiter der kirchlichen Schulen der Schulstiftung des Bistums Regensburg. Dieser Besuch diente dem Bischof in erster Linie dazu, von der Situation an den Schulen und ganz konkret der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Schülerinnen und Schüler in Zeiten von Corona zu hören.
Wichtige Themen dieses Treffens waren die Organisation eines einigermaßen „normalen“ Schulalltags, soweit dieser unter den gegebenen Umständen überhaupt möglich ist. Ein Teilnehmer sagte mit Blick auf die Schule, für die er Verantwortung trägt: „Die Leichtigkeit ist nach den Monaten von Corona raus.“ Insbesondere die zahlreichen Hygieneregeln und Quarantänevorschriften führen, obwohl sicherlich unvermeidlich, zu hohen Belastungen im Schulbetrieb.
Vielen Dank!