Regensburger Bischof: Erneuerung von Ost und West auf der Basis des Menschen als Geschöpf Gottes ist für ein menschenwürdiges gemeinsames Europa entscheidend
(pdr) „Das Angesicht Europas muss aus dem Christentum und auf der Basis der Würde und Gottebenbildlichkeit jedes Menschen erneuert werden. Wir Christen lassen uns beim Prozess des Zusammenwachsens Europas nicht von dem urfalschen Dogma des Liberalismus, nach dem Religion angeblich Privatsache ist, aus der Verantwortung drängen“, das betonte Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller bei der bundesweiten Eröffnung der Pfingstaktion des kirchlichen Hilfswerkes „Renovabis“ für Osteuropa am Sonntag, 9. Mai, im Regensburger Dom. Der Name des Hilfswerkes Renovabis erinnere daran, dass die Bibel von einer Erneuerung des Angesichts der Welt durch den Geist Gottes, den Heiligen Geist spreche. „Gott ist in die Welt gekommen und darum ist die Welt der Ort, wo das Heil Gottes sichtbar wird“, stellte er die Weltverantwortung der Christen heraus. Eine Erneuerung der Welt tue Not, nicht nur im Osten, sondern vor allem auch im Westen, hob der Regensburger Bischof hervor. „Östlicher Kommunismus oder Sozialismus und westlicher Kapitalismus oder Neoliberalismus sind die feindlichen Brüder, die aus der einen Wurzel des atheistischen Materialismus entsprungen sind, einer Weltkonzeption ohne Gott“, verdeutlichte der Regensburger Bischof die Defizite beider Weltkonzeptionen. Auch im Westen sei die Meinung weit verbreitet, nach der der Mensch keine ewige Hoffnung in Gott habe und keinen letzten unverfügbaren Wert. „Wir Christen melden daher unseren Anspruch an, dass wir das zusammenwachsende Europa mitgestalten können, durch unseren Glauben, durch unsere individualethischen und durch unsere sozialethischen Prinzipien.“ Die Sozialarbeit der Kirche und ihre Einsatz für die Menschenwürde und gerechte Verhältnisse sei keine „sekundäre Rechtfertigung“ der eigenen Existenz der Kirche, sondern gehöre zu deren ureigenem Wesen, so der Bischof.
Kritik an den amerikanischen Menschenrechtsverletzung im Irak
In diesem Zusammenhang übte der Regensburger Bischof deutliche Kritik an der Misshandlung irakischer Gefangener. „Wer an Gott glaubt, wer den lebendigen Gott im Mittelpunkt seines Lebens hat, der hat einen unbedingten Respekt vor seinem Mitmenschen, selbst wenn es ein Feind wäre“, hob er hervor. Selbst gegenüber einem Gegner gebe es keine Berechtigung, seinen untersten Instinkten freien Lauf zu lassen. Amerika, das die Leitfigur für den Westen abgeben wolle, meine „mit pseudoreligiösen Parolen der Welt Freiheit und Frieden bringen zu können, und in Wirklichkeit tritt man die Menschenwürde in den Dreck, so wie wir es jetzt im Irak sehen“.
Das Christentum mit der Gottebenbildlichkeit und daraus erwachsenden Würde jedes einzelnen Menschen sei dagegen Basis für eine wirklich menschenwürdige Welt und Zukunft. Der Kommunismus und Sozialismus habe dagegen im Osten eine geistige und auch materielle Wüste , eine „Vorhölle“ hinterlassen. Den Menschen aus christlicher Verantwortung und Solidarität daraus einen Weg zu zeigen und auf diesem Weg zu begleiten sei die Zielsetzung von Renovabis. Die Kirche sei in diesem Prozess hin zu einer menschenwürdigeren Welt ein „erhobenes Zeichen für die Nationen“ gegen Nationalismus und Menschverachtung und für die gemeinsame Berufung der Menschen, „im Haus des Vaters“ friedlich zusammenzuleben. „Diese Sorge für alle Menschen, nicht nur für die Katholikinnen und Katholiken, ist Kraft des Geschaffenseins jedes Menschen und Kraft seiner Gottebenbildlichkeit ein Gebot der Christen. Deshalb helfen wir den Menschen in Osteuropa durch Renovabis.“
Christliche Werte als Schutzwall gegen Nationalismus und Neoliberalismus
Die Christen müssen in diesem Prozess der Hilfe und des Zusammenwachsens die größten Förderer sein. Zugleich sollten die Christen eine „gewaltige Gegenkraft bilden gegen die Ideologien, des Neoliberalismus, wo es nur um den Profit einzelner geht und nicht um das Gemeinwohl aller“ ermutigte Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller zu aktiver Mitgestaltung. Auch gegen die Neosozialismus und Neokommunistischen Kräfte, die an nichts anderem Interesse hätten, als am Schüren des Hasses der Menschen gegeneinander, sollten die Christen eine Front bilden. Die Früchte des Geistes, des Heiligen Geistes, der uns an Pfingsten verheiße ist, seien Freiheit, Sanftmut, Liebe und Solidarität. Aus diesem Geist heraus könnten alte Gegensätze überwunden werden und eine neue Zukunft und die Bereitschaft auf Verzicht für andere wachsen.
Zusammen mit dem Regensburger Bischof feierten den Eröffnungsgottesdienst Bischof Frantisek Radkovsky von Pilsen, Bischof Petru Gherghel von der rumänischen Diözese Iasi, Weihbischof Pero Sudar aus Sarajewo in Bosnien-Herzegowina, Renovabis-Hauptgeschäftsführer Pater Dietger Demuth, Generalvikar und Dompropst Dr. Wilhelm Gegenfurtner und Domkapitular Peter Hubbauer. Die Regensburger Domspatzen unter der Leitung von Karl-Heiz Liebl sangen die „Missa quarta“ von Lajos Bardos. An der Domorgel spielte Domorganist Professor Franz Josef Stoiber. Das Domradio Köln übertrug den Gottesdienst live aus Regensburg.
Hauptgeschäftsführer Pater Demuth: Auch nach dem EU-Beitritt massives soziales Gefälle
Hauptgeschäftsführer Pater Dietger Demuth betonte bei der bei der Hinführung zum Gottesdienst, dass auch nach dem Beitritt von acht mittel- und osteuropäischen Staaten es “nach wie vor ein massives soziales Gefälle in Europa gibt“. Der Beitritt sei ein bedeutendes Ereignis für den so viele Jahre getrennten Kontinent und für das Hilfswerk der Katholiken in Deutschland eine Ermutigung, besonders den benachteiligten Menschen in den Ländern des ehemaligen Ostblocks zu einer menschenwürdigen Zukunft zu verhelfen. „Renovabis ist seit seiner Gründung nach dem Fall des „Eisernen Vorhanges“ ein Zeichen der Solidarität zwischen den Menschen in West und Ost“, so Pater Demuth. In diesem Jahr wolle das Hilfswerk mit seinem Motto „Heimatlos ! Mitten in Europa“ auf die von Not und Verzweiflung vielleicht am schlimmsten betroffenen Menschen aufmerksam machen, nämlich die etwa 60 Millionen Flüchtlinge und Migranten im Ostern Europas und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. „Seit Jahren kümmert sich Renovabis mit seinen Partnern um Migranten, Flüchtlinge und Vertriebene in den Ländern Mittel- und Osteuropas. Vor allem aber leistet die Aktion wichtige Beiträge, dass die Menschen in ihrer Heimat bleiben können und eine Zukunftsperspektive haben“, so der Hauptgeschäftsführer von Renovabis. Dies geschehe zum Beispiel durch Ausbildungs- und Rückkehrprogramme für Kriegsflüchtlinge oder die Schaffung von Arbeitsplätzen. „Helfen sie mit, dass Menschen in ihrer Heimat ein Zuhause haben und ein menschenwürdiges Leben führen können“, rief Pater Demuth zur Unterstützung der diesjährigen Renovabisaktion auf.
Staatssekretärin Müller: Regensburg soll in der Wissenschaft Ost-West-Zentrum werden
Staatssekretärin Emilia Müller, hob in Vertretung des Bayerischen Ministerpräsidenten bei dem anschließenden Festakt hervor, dass es eine Aufgabe der Politik aber gerade auch der Kirche sei, am Aufbau eines an Werten orientierten gemeinsamen Europas mitzubauen. Die Staatsregierung und auch sie ganz persönlich seien „außerordentlich dankbar dafür, wie konstruktiv Renovabis aus christlichem Antrieb“ dieses Zusammenwachsen Europas schon seit Jahren fördere. Dies geschehe nicht nur durch Hilfsprojekte in den Ländern Osteuropas, sondern auch durch Partnerprojekte und vor allem durch eine Versachlichung der Debatte bei uns, wenn es zum Beispiel um Fragen von Migration und Flüchtlingen gehe. Viele Migranten vertrauten letztlich nur mehr der Kirche, für die Renovabis stehe. Renovabis greife die Sorgen und Nöte der Betroffenen auf, der Frauen, Kinder, Jugendlichen und Alten, die von Migrationsfolgen besonders betroffen sind. Das kirchliche Hilfswerk biete Hilfen vor Ort, um den Migrationsdruck zu verringern, ermögliche die Rückwanderung und trage zu Stabilität in den Heimatländern bei. „Die Menschen brauchen neue Perspektiven - und die müssen bei ihnen zuhause beginnen“, dankte die Staatssekretärin Renovabis
„Ostbayern und Regensburg kehren zurück in das alte kontinentale Beziehungsgeflecht, besonders auch im Wissenschaftsbereich“, betonte die Staatssekretärin, die Rolle von Regensburg und Ostbayern im europäischen Integrationsprozess. Mit Weitblick sei an der Universität das „Europäum“, das „Bohemicum“, und das „Slowakikium“ eingerichtet worden. „Die Staatsregierung fördert diese Integrationsfunktionen gern auch weiterhin: Forschungseinrichtungen wie das Südost-Institut, das Osteuropa-Institut und die Stiftung Ostrecht sollen hierher nach Regenburg verlegt werden“, stellt die Staatssekretärin in Aussicht. Ihre Ortswahl „Regensburg“ als zukünftiges Ost-Westzentrum in der Forschung sei zukunftsorientiert.
Wir haben die Kraft, Europa seine Seele zurückzugeben
“An diesem Wochenende habe ich erlebt, dass wir die Kraft haben, Europa seine Seele wiederzugeben“, das berichtete der Pilsener Bischof Frantisek Radkovsky begeistert vom ökumenischen Treffen mit mehr als 10.000 Teilnehmern in Stuttgart. Dieses Zeugnis des Glaubens der Christen und ihr Einsatz für ein von Christus beseeltes Europa bedürfe auch der materiellen Unterstützung, wie sie Renovabis in hervorragender Weise leiste. Der Bischof der Regensburger Partnerdiözese betonte, dass auch nach dem Beitritt der Tschechei zur EU in seinem Land Hilfe von Renovabis weiter nötig sei. So habe er wegen der ungeklärten wirtschaftlichen Situation in seiner Diözese jetzt älteren Priestern das Gehalt kürzen müssen. Neben den zurückgehenden Staatszuschüssen sei Renovabis oft der einzige Geldgeber, hob er die Bedeutung des Hilfswerkes hervor. „Ich will aber nicht klagen, sondern auch im Namen der Brüder und Schwestern in Südosteuropa, denen es noch viel schlechter geht, Renovabis herzlich danken“, schloss er sein Grußwort.
Bischof Petru Gherghel aus der rumänischen Diözese Iasi überbrachte den Dank und die Grüße seiner Landsleute an Renovabis und die deutschen Katholiken. Zum diesjährigen Jahresthema von Renovabis, der Vertreibung, Migration und Heimatlosigkeit, berichtete er aus Rumänien: „Vor 1989 haben die Menschen aus politischen Gründen unser Land verlassen. Heute ist es die Suche nach Arbeit und sicheren Lebensbedingungen. Das Problem ist umfangreich, komplex und dramatisch“, so beschrieb er die Auswirkungen auf sein Heimatland. Nach Schätzungen haben bereits eine Million Menschen Rumänien verlassen, allein 50.000 gingen aus seiner Diözese. Hilfe bräuchten zum einen die Auswanderer in den ihnen fremden Ländern, wo sie nicht selten ausgenutzt würden. Hilfe bräuchten aber auch die zurückgelassenen Frauen und Kinder, die ihren Vater und Ernährer oft sehr lange nicht zu Gesicht bekommen. Deren Lebensbedingungen zu verbessern, sei ein zentrales Anliegen seiner Kirche. Langfristig müsse es jedoch zu einem Ausgleich kommen, der es den Menschen erlaube, in ihrer Heimat und bei ihren Familien zu bleiben. Ein solches Gleichgewicht sei nicht nur für die Menschen in Rumänien, sondern auch für die heutigen Zuwanderungsländer langfristig von Vorteil
Renovabis hat in den vergangenen elf Jahren etwa 11.000 sozial-caritative, kirchlich-pastorale sowie Bildungs- und Medienprojekte in den Ländern Mittel und Osteuropas unterstützt. Allein im vergangene Jahr konnten 1218 Projekte mit 34,43 Millionen Euro unterstützt werden.