Predigt von Bischof Gerhard Ludwig anlässlich der Priesterweihe im Hohen Dom St. Peter zu Regensburg
Regensburg, 30. Juni 2007
Am Samstag, 30. Juni 2007 weihte Bischof Gerhard Ludwig Müller im Regensburger Dom St. Peter sechs junge Männer zu Priestern. Die Neupriester sind Thomas Gleißner aus Niedermurach, Johannes Kiefmann aus Oberviechtach, Alexander Kohl aus Sulzbach-Rosenberg, Thomas Richthammer aus Nabburg, Markus Urban aus Waldmünchen und Hans-Jürgen Zeitler aus Train. Sie waren 2006 in Waldmünchen durch Bischof Gerhard Ludwig zu Diakonen geweiht worden.
Predigt von Bischof Gerhard Ludwig Müller anlässlich der Priesterweihe:
Der Herr der Ernte hat die inständigen Bitten der Gläubigen um Arbeiter für seinen Weinberg erhört.
Heute empfangen sechs junge Diakone durch das Weihegebet und die Handauflegung des Bischofs als Nachfolger der Apostel die Weihe zum Priester. Sie werden eingereiht in die apostolische Sendung und Bevollmächtigung mit der Gnade des Heiligen Geistes, die von Jesus Christus ausgeht:
„Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Empfangt den Heiligen Geist“ (Joh 20,21f.).
Darin ist eingeschlossen die geistliche Vollmacht zum Dienst am Wort Gottes, zur Feier der heiligen Sakramente insbesondere zur Darbringung des eucharistischen Opfers und zur Vergebung der Sünden, sowie Pflicht und Auftrag als Hirten für die ihnen anvertraute Kirche Gottes zu sorgen (vgl. Apg 20,28). Sie wirken im Namen Jesu Christi des obersten Hirten der Kirche und Hohenpriesters des Neuen und Ewigen Bundes. Wie für die Apostel gilt auch für die Bischöfe und Presbyter die Selbstbezeichnung:
„Wir sind also Gesandte an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt: Wir bitten euch an Christi Statt: Lasst euch mit Gott versöhnen“
(2 Kor 5,20).
Das II. Vatikanische Konzil hat das Wesen des katholischen Weihepriestertums im Dekret über Dienst und Leben der Priester so auf den Punkt gebracht: Christus hat in der Weihe im unterschiedlichem Maß des Bischofs- und Presbyteramtes an seiner eigenen Weihe und Sendung Anteil gegeben. Daraus folgt: „Da das Amt der Priester dem Bischofsstand verbunden ist, nimmt es an der Vollmacht teil, mit der Christus selbst seinen Leib auferbaut, heiligt und leitet.
Darum setzt das Priestertum der Amtspriester zwar die christlichen Grundsakramente voraus, wird aber durch ein eigenes Sakrament übertragen. Dieses zeichnet die Priester durch die Salbung des Heiligen Geistes mit einem besonderen Prägemal und macht sie auf diese Weise dem Priester Christus gleichförmig, so dass sie in der Person des Hauptes Christus handeln können“( PO Art 2).
Dies ist das Wesentliche, was der Glaube der Kirche von Ursprung, Entfaltung und Auftrag des sakramentalen Priestertums in der Kirche des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes bekennt.
Der priesterliche Dienst wird jedoch von Menschen ausgeübt, die seit der Gründung der katholischen Kirche vor 2000 Jahren in unterschiedlichen Kulturen, Epochen und Zivilisationen leben. Jeder Mensch ist immer auch ein Kind seiner Zeit mit ihren Herausforderungen, Chancen und Grenzen. Dies betrifft nicht nur weit zurückliegende Epochen, die wir uns nur theoretisch über geschichtliche Quellen einigermaßen erschließen. Wir können die unterschiedlichen Bedingungen und tiefgreifenden Wandlungen auch in der Spanne der gegenwärtig zusammenlebenden drei Generationen selbst erfahren.
In den letzten Wochen haben wir mit Priesterjubilaren zusammen die hl. Messe hier in der Sailerkapelle gefeiert. Ins Auge sticht sofort die unterschiedliche Größe der Weihekurse. Angesichts der erheblich kleineren Zahl der Weihekandidaten pro Jahr könnte man traurig und müde werden. Aber wann hat Christus unserem altehrwürdigen Bistum, das kanonisch im Jahre 739 vom Apostel der Deutschen, dem hl. Bonifatius in einer weitgehend heidnisch denkenden Bevölkerung errichtet worden ist, jedes Jahr die stabile Zahl von 25 Priesterweihen versprochen?
Jesus hat vielmehr festgestellt, dass es immer zu wenig Arbeiter gibt und wir darum den Herrn der Ernte bitten sollen, dass ER Arbeiter für seine Ernte aussende (vgl. Mt 9,37f).
Statt über den Mangel an Priester- und Ordensberufen zu klagen und wortreich die Ermäßigung der Zulassungsbedingungen zu wiederholen, hat er uns die Bitte und das Gebet um Priesterberufungen aufgetragen. ER allein beruft, wen er will (vgl. Mk 3,13f.). An einzelnen Menschen liegt es, ob er diesem Ruf antwortet und seine Bereitschaft erklärt:
„Hier bin ich, sende mich“
(Jes 6,8).
Da wir alle Kinder unserer Zeit sind und keiner von uns unbeeinflusst bleibt von der geistigen und moralischen Verfassung unserer Mit- und Umwelt, fragen wir in der Berufungspastoral unserer Diözese: Was sind die Faktoren, die es begünstigen, dass ein Mensch in seiner jugendlichen Reifezeit, seine persönliche Berufung erkennt, ihr folgt und an ihr ein Leben lang festhalten kann? Welche Einflüsse stehen dem entgegen?
In einer Zeit, in der eine christliche Sozialisation nicht mehr selbstverständlich ist, müssen die Wurzeln der geistlichen Identität einer christlichen Persönlichkeit in die Tiefe des Lebensquells in einer personalen Gottesbeziehung hinabreichen. Nur so wird einer beim gefallenen religiösen Grundwasserspiegel unserer Tage nicht schon von seinen Wurzeln her Mangel leiden und am Ende zugrunde gehen.
Nur eine geistig und geistlich reife christliche Persönlichkeit mit einem tiefen Glaubens- und Gebetsleben wird heute in der Lage sein, die Berufung zum zölibatären Priestertum, zum Leben nach den evangelischen Räten im Ordensstand oder in der sakramentalen, unauflöslichen Ehe anzunehmen und beispielgebend vorzuleben.
Der Apostel mahnt die Christen „angesichts des Erbarmens Gottes“, sich „selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt“
(Röm 12,1).
Augenscheinlich verdichtet sich in den Begriffen Opfer und Selbsthingabe an Gott der so tief empfundene Riss zwischen einem christlichen und einem neuheidnischen Menschenbild in der Gegenwart. Angesichts der Parolen, alles auf den Genuss des Augenblicks zu setzen, da die Zukunft ungewiss und das ewige Leben nach dem kurzen Erdendasein nur eine Fata Morgana sei, der nachzulaufen töricht und vergeblich sei, klingt die christliche Einstellung zum Leben hochherzig, erlöst und frei:
„Ich lebe für Gott. Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich aber noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich dahingegeben hat“ (Gal 2,19f).
Darum ermuntere und ermahne ich alle Gläubigen, besonders unsere lieben Jugendlichen, in Geist, Seele und Leib sich nicht verderben zu lassen von den Götzen Geld, Karriere, Sexismus oder der Mentalität des Sichtreiben- und Sichbedienenlassens.
Paulus mahnt Timotheus, seinen Schüler und Nachfolger im Apostelamt:
„Mein Sohn! Niemand soll dich wegen deiner Jugend gering schätzen. Sei den Gläubigen ein Vorbild in deinen Worten und in deinem Lebenswandel, in der Liebe, im Glauben, in der Lauterkeit“ (1Tim 4,12).
Wer diese christliche Grundeinstellung zum Leben sich zu eigen gemacht hat, und wer zum Hirten und Priester der Kirche berufen worden ist, der sorgt für die Herde Gottes
„freiwillig, wie Gott es will und aus Neigung.“
Der Priester wird ihnen zum
„Typos und Vorbild der Herde“ gerade im Blick auf den obersten Hirten, der uns „den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit“ am Ende schenken wird (1Petr 5,2ff).
Auch wenn die Boten des Gottesreiches nicht immer verständnisvoll und mit offenen Armen empfangen werden, sogar auf Widerstand und Ablehnung stoßen, beschimpft und verlacht werden, kann sie niemand und nichts daran hindern, sich an Christus dem guten Hirten zu orientieren.
Wohl jeden überkommt einmal die Versuchung, resigniert wie einst der Prophet Elias unter einem Baum zusammenzubrechen und zu stöhnen:
„Nun ist es genug, Herr. Nimm mein Leben; denn ich bin nicht besser als meine Väter“ (1Kön 19,4).
Aber dann wollen wir uns dennoch stärken lassen mit der Gabe Gottes von oben, so wie Paulus dem Timotheus ins Gedächtnis ruft:
„Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir durch die Auflegung meiner Hände zuteil geworden ist. Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ (2 Tim 1,6f).
Derjenige ist ein Hirte nach Jesu Herzen, der in seinem Herzen Mitleid und Liebe verspürt für die Menschen unserer Zeit, die müde und erschöpft sind von der Hetze des Alltags und der nicht mehr zu bewältigenden Überfülle von Informationen, der Reizüberflutung der Medien, die sich der Kommerzialisierung ihrer leiblichen und geistigen Triebe und Antriebe ausgesetzt sehen und nicht mehr die Kraft haben, sich dem Sog der Gleichschaltung aller unserer Empfindungen, unseres Gewissens und der Urteilsbildung zu widersetzen, aller, die unter der tausendfachen Verletzung ihrer menschlichen Würde in einer mitleidlosen Umwelt leiden und den aufrechten Gang nicht mehr wagen.
Ja, die Menschen folgen blind und taub den vielen Meinungsmachern und Trendsettern. Aber es fehlen ihnen die Hirten, Priester und Propheten Gottes, denen es nicht um sich selbst geht, sondern die so wie Jesus ihr ganzes Sein und Leben hingeben und opfern für die Menschen, damit unsere Brüder und Schwestern in Christus - im Bildwort gesprochen - als Schafe der Herde Gottes auf die gute Weide des Wortes und der Gnade Gottes geführt werden.
Ich bitte euch, meine liebe Weihekandidaten und alle, die sich im Priesterseminar auf das Priestertum vorbereiten oder die in sich die Berufung zu diesem herrlichen Dienst des Neuen Bundes spüren, großherzig euer Leben in den Dienst seines Reiches und Evangeliums zu stellen. Christus enttäuscht niemanden, der ihm nachfolgt. Strukturdebatten und Pastoralpläne machen die Kirche nicht modern. Es geht nicht zuerst um Seelsorgeeinheiten und ihre Organisation, sondern um Seelsorger, die Menschen zu Christus dem guten Hirten hinführen. In der Begegnung von Person zu Person wird Christus erkennbar.
Lassen wir uns vom Mitleid Christi für die Menschen berühren und seien wir ihnen gute Hirten. Gehen wir wie Jesus durch alle Städte und Dörfer. Denn wie er verkünden wir das Evangelium vom Reich und heilen in seinem Namen die Menschen von all ihren Krankheiten und Leiden an Geist und Seele.
Im Blick auf die vielen Städte und Dörfer, d.h. die 770 Seelsorgestellen und die vielen hundert schulischen und karitativen Einrichtungen unser Diözese gilt es nicht zu verzagen, sondern ohne Unterlass um Priesterberufe zu beten. Denn der oberste Hirte seiner Kirche sagt uns immerfort:
„Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,38).