Sie erwähnten, dass Sie schon viel und lange unterrichtet haben. Was bereitet Ihnen daran so viel Freude, dass Sie sich dafür entschieden haben und nicht für den Weg des professionellen Singens?
Ich glaube schon, dass jeder gute Gesangslehrer auch selber ein guter Sänger sein muss – Das ist total wichtig, auch die eigenen künstlerischen Erfahrungen zu machen. Aber das Schöne am Unterrichten ist, dass man sieht, wenn jemand wenig Training, aber eine reine Naturstimme hat, und man dann merkt, wie durch Training die Persönlichkeit entfaltet werden kann und da auf einmal ein Künstler daraus wird. Das finde ich toll. Und wenn dann die Leute berührt aus dem Konzert rausgehen, dann ist es für mich genauso oder manchmal noch viel schöner, als wenn ich selber gesungen hätte. Einfach, weil ich diese Entwicklung mit dem Künstler miterlebt habe.
Wie viel Aufwand steckt dahinter, eine Person so wachsen zu lassen?
Ja, es ist viel Arbeit. Aber die ist nicht in Überstunden zu zählen. Das ist anders als es zum Beispiel beim mechanischen Klavierüben ist, wo ich einfach 100.000 Mal diese oder jene Fingerübungen machen muss. Beim Singen läuft sehr, sehr viel über Wahrnehmung: also dieses Gefühl der Klänge, wie ist mein Klang, wann schwingt die Stimme, wie kann ich sie benutzen? Und so weiter. Das hat sehr viel auch mit einer inneren Ausbildung zu tun, finde ich – dass ich mich als Lehrer zurücknehmen kann und mein Gegenüber kommen lassen, sich entwickeln lassen kann.
Ich habe immer dieses Zitat von Augustinus vor Augen: „Ich will, dass du bist.“ Also das heißt, dass das Gegenüber das Wichtige ist im Unterricht, nicht ich als Lehrer. Noch vor 50 oder 100 Jahren war das völlig anders. Da sind die Leute zu Meistern gegangen. Das waren dann irgendwelche virtuosen Sänger oder Geiger oder Ähnliches. Die waren in ihrer Persönlichkeit sehr stark, und die Schüler haben dann halt üben müssen. Da wandelt sich auch gerade dieses pädagogische Bild ganz extrem. Und das ist wahnsinnig wichtig und eine Herausforderung, das jeden Tag irgendwie für denjenigen zu bedienen, der zu mir kommt.
Sie sagten, dass auch Lehrer weiterhin selbst künstlerisch aktiv bleiben sollten. Sind Sie noch weiterhin aktiv?
Ja, ich mache schon Konzerte, Opern oder Liederabende. Die Opernbühne ist immer mit wahnsinnig viel Aufwand verbunden, weil das immer einen Rattenschwanz nach sich zieht mit Proben und Unterwegssein und Dergleichen, deshalb mache ich das eigentlich nicht mehr – die letzte Opern-Produktion habe ich vor der Geburt meiner Kinder gemacht, aber seit die da sind, will ich auch nicht so lange weg sein.
Gibt es da etwas, was sie am liebsten singen?
Tatsächlich mache ich am liebsten Themenabende. Beispielsweise Maria-Programme oder Ähnliches. Da kann man selbst schöne Konzepte zusammenstellen, die in sich stimmig sind, die Texte miteinander harmonieren und es auch zum Publikum oder zum Forum, wo man gebucht ist, passt. Wenn das beispielsweise ein Raum ist, der naturnah ist, oder mit vielen Fenstern – das habe ich im letzten Jahr gemacht – dann ist das Programm eben eher dominiert von Naturthemen. Natürlich ist das Thema Liebe ein Dauerbrenner. Das ist für mich das Tolle an solchen Konzepten, dass man selbst der Gestalter des Programmes ist. Wenn ich irgendwo als Sängerin gebucht werde, etwa beim großen Oratorium oder bei einer Opernproduktion, dann bin ich nur die Ausübende, da habe ich nicht viel zu melden. Dann mache ich meinen Job, wie es der Regisseur oder der Dirigent von mir verlangt. Aber wenn ich mit meinem Pianisten oder meiner Pianistin alleine das Programm gestalten kann, dann ist das ein wunderbar kreativer Prozess und es macht einfach viel mehr Freude am Ende.
Zum Thema „Maria-Programme“: Heißt das, dass Sie auch schon länger die Verbindung zur Kirchenmusik haben? War Regensburg deshalb für Sie naheliegend, weil Ihre neue Lehrstelle auch stark mit der Kirchenmusik verbunden ist?
Ja, das war ganz spannend: Dass diese Professur ausgeschrieben war, hat mir tatsächlich eine ehemalige Studentin erzählt, die das auf Facebook gelesen hat und sagte: „Sabine, bewirb Dich da mal! Da passt Du doch genau hin!“ Natürlich auch, weil sie wusste, dass ich aus der Oberpfalz stamme. Wie gesagt, komme ich aus Weiden und habe dort ganz klassisch im Kinderchor der Pfarrei begonnen zu singen. Ich war dort erst einfach Teil des Kinderchores und habe dann immer wieder kleine Soli gehabt. Dann war ich am Augustinus Gymnasium in Weiden, wo der Peter Pollinger, ein toller Schulmusiker, war. Dort habe ich ebenfalls solistisch gesungen. Auch da gab es immer den Bezug zur Kirchenmusik, beispielsweise wegen der Orchestermessen, die dort sehr viel abgehalten worden sind. Also da war ich von klein auf eigentlich mit involviert und aktiv. Gleichzeitig hat mein Vater die Bläsergruppe in der Pfarrei geleitet und meine Tante war die jüngste weibliche hauptamtliche Kirchenmusikerin der Diözese Regensburg. Die hat hier studiert, genauso wie die Geschwister meines Vaters. Auch mein Vater selbst hat hier mehrere Kurse besucht. Und dann kam diese Ausschreibung und ich dachte mir, warum eigentlich nicht? Außerdem ist Regensburg eine wunderschöne Stadt, mein Mann und ich würden unglaublich gern wieder zurück in die Oberpfalz – also Oberbayern ist schön, aber Heimat ist eben Heimat.
Worauf freuen Sie sich am Meisten im Hinblick auf Ihre neue Stelle, die sie am 14. Oktober antreten?
Auf meine neuen Studierenden! Da bin ich total gespannt darauf, die kennenzulernen und ich freue mich, ihnen etwas mit auf ihren Weg zu geben. Natürlich freue ich mich auch schon sehr auf meine tollen Kollegen. Einen Teil kenne ich bereits persönlich, und natürlich habe ich auch schon auf der Webseite nachgesehen: Das sind ganz tolle inspirierende Persönlichkeiten, und da freue ich mich, die kennenzulernen und mit ihnen gemeinsam etwas zu entwickeln und etwas Neues zu köcheln, sodass da am Schluss einfach tolle Sänger, tolle Pädagogen und tolle Kirchenmusiker rauskommen.
Das Interview führte Maximilian Wagner
Bilder: Thomas Oberst
(to)