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Person der Woche: Hochschulpfarrer Martin Seiberl

"Die jungen Leute sind in einer wichtigen Lebensphase"

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Regensburg, 06. Dezember 2024

Martin Seiberl ist seit 1. September der Hochschulpfarrer in der Katholischen Hochschulgemeinde an der Universität Regensburg. Er sprach im Interview "Person der Woche"
  mit Dr. Veit Neumann in der Redaktion der Katholischen SonntagsZeitung über seine neue Aufgabe, was er dafür mitbringt und auch darüber, wie er die KHG ausrichten möchte.

Verehrter Herr Pfarrer Seiberl, am 1. September haben Sie Ihre neue Tätigkeit als Hochschulseelsorger an der Universität Regensburg begonnen. Was ist bisher gelaufen?

Ich habe erste Erfahrungen gesammelt, konnte mich also schon in die Aufgabe einleben. Ein erster wichtiger Akzent ist, dass wir am Sonntagabend nun immer in der Dominikanerkirche St. Blasius Gottesdienst feiern.

Wie fühlen Sie sich derzeit?

Ich habe mich sehr gefreut, als mir im Frühjahr diese Stelle angeboten wurde. Es hörte und hört sich für mich nach einem spannenden pastoralen Bereich an.

Warum spannend?

Ich habe viel mit jungen Menschen zu tun, die in einer wichtigen Phase ihres Lebens sind. In dieser Lebensphase findet bei den jungen Menschen viel Orientierung statt. Auch kommen die Studenten und Studentinnen aus unterschiedlichen Fachbereichen. Sie stellen sich viele Fragen, die über den Studienalltag hinaus gehen.

Welche Fragen meinen Sie?

Die großen Fragen des Lebens, die zu diskutieren sind. Der Glaube ist dabei etwas ganz Fundamentales, das seinen Platz haben sollte. Auch die Herausforderungen, die junge Menschen verspüren, sind für die Hochschulseelsorge wichtig.

Sie wurden 2018 zum Priester geweiht. Sind Sie zu jung für die Hochschulseelsorge?

Ich bin jetzt 35 Jahre alt. Das Alter der Studenten geht im Schnitt von 20 bis 25 Jahren, mit Ausreißern in beide Richtungen. 35 ist daher ein gutes Alter: Einerseits bin ich noch nahe an den jungen Leuten dran, andererseits bringe ich doch etwas mehr Lebenserfahrung mit. Meine eigene Studentenzeit liegt eine Zeit zurück, jedoch noch nicht so lange.

Bisher zeigte sich die Hochschulgemeinde politisch, etwa mit Blick auf Migration. Wie politisch möchten Sie die Katholische Hochschulgemeinde aufstellen?

Ich bin der Auffassung, dass Projekte wie „Campus Asyl“ gute Projekte waren. Das stand natürlich in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Jahr 2015 und den vielen Menschen, die damals zu uns gekommen sind. Dieser Einsatz war ein pastoraler Auftrag zu seiner Zeit.

Wie ist es damit weitergegangen?

Es hat sich vieles geändert. Campus Asyl ist ein eigener Verein, mit dem wir kooperieren. Wir bewerben den Verein. Aber so eng verflochten wie früher sind wir nicht mehr.

Sehen Sie die KHG unpolitischer als bisher?

Jede Zeit hat ihre eigenen Herausforderungen. Ich bin offen für das, was die Zeit mit sich bringt. Wir sehen ja auch, dass sich die Prioritäten der Gesellschaft immer wieder neu ausrichten. Beispielsweise rücken aktuell wirtschaftliche Themen sowie Fragen nach innerer und äußerer Sicherheit in den Vordergrund. Für eine Hochschulgemeinde ist es nicht in erster Linie wichtig, wie man sie politisch positioniert. Glaube und politisches Engagement stehen gewiss in einem wichtigen Verhältnis zueinander. Die Politik ist aber nicht die erste Frage des Glaubens.

Welche Frage ist dann die erste?

Glaube berührt existentielle Fragen des Menschseins: Hat mein Leben überhaupt einen Sinn? Neige ich dazu, davon auszugehen, dass mein Leben dem Zufall entspringt, oder traue ich der Hoffnung, dass mein Leben in eine größere Geschichte eingebettet ist? In diesen Fragen gilt es, sich zu begegnen und am gegenseitigen Austausch zu wachsen. Politische Ausrichtungen betreffen in erster Linie die Gesellschaft.

Sie trennen Glaube und Gesellschaft?

Gewiss stehen Glaube und politisches Engagement in der Gesellschaft in einem wichtigen, ja: besonderen Verhältnis zueinander. Lassen Sie es mich so sagen: Der Glaube ist auf alle Fälle vorgelagert. In politischen Positionen steckt stets die Polis und das bringt übrigens Parteiungen mit sich.

Sehen Sie in Auseinandersetzungen ein Problem?

Solche Positionen führen nicht zuletzt zu Profilbildung. Der Glaube verfolgt jedoch ein anderes Ziel. Er sollte möglichst viele Menschen – trotz ihrer individuellen Unterschiedlichkeit – in einem Miteinander verbinden.

Was heißt das zum Beispiel?

Wenn wir uns am Sonntag zum Gottesdienst versammeln, in der Pfarrei oder hier in der Hochschulgemeinde, treffen sich immer Menschen unterschiedlichster Couleur, die alle ihre eigenen Biographien und ihre eigenen politischen Überzeugungen haben. Als Getaufte müssen wir trotz unterschiedlichster Überzeugungen zusammenkommen können, worin wir übrigens der Gesellschaft auch ein Vorbild geben.

Wer sind Ihre priesterlichen Vorbilder?

Im Hinblick auf meine Berufung haben mich viele Menschen geprägt. Dazu denke ich vor allem an meine verschiedenen Heimatpfarrer. Dazu würde ich aber auf jeden Fall auch auf die Priester im Rahmen der Priesterausbildung verweisen. Der Zugang zum Mysterium der Liturgie hat sich mir hier erschlossen. Wen ich gerade in der Jetzt-Zeit schätze, ist der Bischof von Passau, Stefan Oster. In meinen Augen steht er für eine intellektuelle Durchdringung des Glaubens, ein authentisches priesterliches Lebenszeugnis und die Kunst, unsere katholischen Überzeugungen charismatisch zu kommunizieren.

Ihr theologischer Interessenschwerpunkt liegt auf dem Alten Testament. Was bedeutet diese wissenschaftliche Vertiefung für Sie?

Gerade heute findet die Heilige Schrift zu wenig Beachtung. Wir sollen ihr aber mit der großen Wertschätzung und Liebe begegnen, die sie verdient. Auch ist die Schrift des Alten Testaments von ganz erheblicher Bedeutung für unsere Kultur und unser Menschenbild, auch heute und gerade in Europa. Aus der Kultur Europas ist auch die Universität entstanden.

Wie haben Sie zur Schrift gefunden?

Ich habe einen erheblichen Lernprozess während des Studiums durchlaufen. Die Heilige Schrift ist mir immer wichtiger geworden.

Sie sind Hochschulseelsorger auch für Nicht-Theologen. Ist Ihr Zugang zur Universität und zu den Studenten zu eng?

Ich entdecke die Heilige Schrift verstärkt als ein vielschichtiges Buch, das die großen Fragen der menschlichen Existenz, ja: des Menschseins behandelt. Ich erfahre die Heilige Schrift als Lebens- und Glaubensbuch.

Sie können auch Hebräisch lesen?

Ja, das gehört gewiss dazu und bietet Vorteile, da jede Übersetzung immer auch schon eine gewisse Interpretation eines Textes darstellt.

Predigen Sie über alttestamentliche Inhalte?

Ja, sicherlich mit einem gewissen Schwerpunkt. Die Leseordnung am Sonntag versucht, beides, die alttestamentliche Lesung und das Evangelium, miteinander zu verknüpfen.

Der Tisch des Wortes ist reich gedeckt?

Gerade im Alten Testament, das ja auch quantitativ den weitaus umfassenderen Teil unserer zweieinen Heiligen Schrift ausmacht. Bei vielen herrscht aber ein Unwissen. Manche haben daher das Vorurteil, das Alte Testament sei hauptsächlich grausam. Es enthalte viel Gewalt aus Geschichten lange vor unserer Zeit. Man stellt sich häufig gar nicht erst die Frage, was einem das in der heutigen Zeit sagen könnte. Das Neue Testament erscheint dagegen „bekömmlicher“. In jedem Fall muss man jedoch differenzieren.

Welches Testament ist wichtiger?

Aus christlicher Perspektive gehört beides wesentlich zusammen. Ohne das Alte Testament wäre das Neue Testament nicht zu entschlüsseln. Auch haben die ersten Christen – wie Jesus selbst – zunächst nur die hebräische Bibel, das heißt unser Altes Testament, als Heilige Schrift gekannt und verwendet. Die neutestamentlichen Schriften reflektieren das Christusereignis auf der Grundlage der Traditionen Israels. Hinter das Wissen um diese historische Vorbedingung sollte man keinesfalls zurückgehen, ansonsten würde man das Neue Testament seiner Wurzeln berauben. Das Alte Testament kann ebenso wie das Neue Testament den Glauben vertiefen.

Was meinen Sie mit Tiefe?

Zu fragen ist, welche Hintergründe diese Erzählungen haben, welche Absichten dahinterstehen und in welchem Punkt ich mein eigenes Leben, meine Biographie, meine eigenen Fragen in diesen Geschichten entdecken kann. Es ist bewegend, dort Lösungen für meine Situation in meiner Gegenwart zu finden.

Wie sehen Sie Ihren Weg bisher?

Froh und dankbar bin ich, dass ich in einem Elternhaus aufgewachsen bin, in dem der Glaube schon immer eine große Rolle gespielt hat. Der katholische Glaube war mit seiner wunderbaren Fülle an Ausdrucksformen ganz ins Leben eingebettet. Meine Eltern waren regelmäßige Kirchgänger. So sind wir, meine Schwester und ich, genau mit und in diesen Glauben hineingewachsen.

Was ist für Sie Heimat?

Meiner Heimatgemeinde in Hemau bin ich sehr verbunden. Sie ist mir wirklich Heimat in diesem Glauben. Darüber hinaus aber auch jeder andere Ort, an dem ich mich im Kreis meiner Glaubensgeschwister wiederfinde.

Wie haben Sie den katholischen Glauben in Ihrer Heimat erlebt?

Ich habe eine „klassische Laufbahn“ gehabt: Ministrieren, Erstkommunion, Firmung und noch viel mehr.

Was war für Sie dort besonders wichtig?

Ich habe die Kirche immer als einen positiven Ort erlebt. Die Pastoralreferenten und -referentinnen, die Ordensschwestern, die verschiedenen Pfarrer, mit allen habe ich nur Gutes erlebt.

Alles eitel Sonnenschein?

Es gab eine gewisse Phase der Entfremdung. Meine Schwester und ich haben mit den Eltern debattiert, ob wir jeden Sonntag in die Messe gehen müssen oder ob vielleicht jeder zweite Sonntag ausreicht.

Wie ging es weiter?

Ich bin wieder intensiver zur Kirche gekommen, als ich nach meiner Ausbildung zum Bankkaufmann das Abitur gemacht habe. Währenddessen suchte ich dann einen Nebenjob. Ich habe meinen Heimatpfarrer gefragt, ob es in der Pfarrei etwas gäbe. Und so ergab es sich, dass ich in unserem Mesnerteam mitarbeiten konnte. Ich war plötzlich wieder ganz intensiv im kirchlichen Leben. So lernte ich den Berufsalltag eines Pfarrers besser kennen.

Und dann?

In der Zeit des Abiturs kam der Gedanke auf oder vielmehr fragte ich mich: Wieso eigentlich nicht Priester werden? Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, was es bedeuten würde, Theologie zu studieren. Mein Heimatpfarrer ist mit mir einmal ins Priesterseminar nach Regensburg gefahren. Dr. Josef Graf war damals Spiritual. Er hat uns das Haus gezeigt. Es waren viele junge Leute da und ich dachte mir: Das ist ein schöner Ort, an dem man sich entwickeln und den Glauben vertiefen kann. Zuerst war es ein Wagnis. Ich versuchte, für mich herauszufinden, ob das mein Weg ist. Nach dem Propädeutikum in Passau kam ich nach Regensburg, auch zum Studium. Nach kurzer Zeit wurde mir klar: Das ist mein Weg. Ich habe eigentlich nie daran gezweifelt.

Wie lief es im Studium?

Die intellektuelle Durchdringung des Glaubens war für mich neu. Es war eine Art Bekehrungserlebnis.

Man kann sich zum Studium bekehren?

Nein. Ich musste bemerken, wie wenig ich von diesem Glauben weiß. Das hat mich sehr neugierig werden lassen. Die Auseinandersetzung mit dem Glauben hat für mich erst im Priesterseminar, im Studium und vor allem in den bibelwissenschaftlichen Fächern stattgefunden. Ich kannte die biblischen Geschichten und Erzählungen gerade des Alten Testaments aus Kinderbibeln.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Die Geschichte des Propheten Jona kannte ich aus meiner Kindheit. Auf einmal konnte ich sehen, was für ein hochstehendes literarisches Werk es ist, das spannende Aspekte des Gottesglaubens reflektiert. Der sperrige Prophet, der seinen Auftrag erst ablehnt, die beispielhafte Bekehrung der Bewohner von Ninive, das subtile Handeln Gottes und noch viel mehr: All das hat für mich eine intellektuelle Tiefe bekommen, sodass ich staunend da saß. Dann war mir klar, das alles ist sehr vernünftig.

Wie passt das alles mit der Hochschulseelsorge zusammen?

Hinter allem steht meine Liebe zur Kirche. Ich bin dankbar, dass ich katholischer Priester sein darf, weil ich das, was die katholische Kirche macht, wertschätze. Ich bin der Überzeugung, dass sie, dass wir wirklich diesem Auftrag Jesu folgen. Ob wir ihm immer gerecht werden, weiß ich nicht. Ich traue mir kein Urteil zu. Die Kirche ist auf jeden Fall für die Welt ein großer Segen. Ich hoffe, dass ich diese Erfahrungen, Überzeugungen und Fähigkeiten, die ich bisher entwickelt habe, gut für die Seelsorge an der Universität einsetzen kann.

Interview: Katholische Sonntagszeitung
Fotos: Katholische Sonntagszeitung
(chb)

Weitere Infos

Die katholische Hochschulgemeinde (KHG) bietet wöchentlich einen Sonntagsgottesdienst in der Dominikanerkirche St. Blasius Regensburg an. An jedem Sonntagabend ab 20.00 Uhr wird dort die Heilige Messe gefeiert. Der Gottesdienst steht allen Gläubigen offen. Die in der Altstadt von Regensburg gelegene Dominikanerkirche St. Blasius ist nach sieben Jahren der Renovierung dafür wieder zugänglich.



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