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Person der Woche: Die Glockensachverständigen Martin Kellhuber und Gerhard Hackl

Warum Glocken eine Wissenschaft für sich sind

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Regensburg, 3. November 2023

Martin Kellhuber und Gerhard Hackl gehören zum Team der Glockensachverständigen, das für die Glocken aus über 600 Pfarreien im ganzen Bistum zuständig ist. Kürzlich haben sie zusammen mit Bischof Rudolf Voderholzer die Glocken von St. Konrad in Regensburg untersucht. Über ihre Tätigkeit sprechen wir mit ihnen in unserer Rubrik Person der Woche.

Professionelle Anschlagshämmer gab es für Bischof Rudolf Voderholzer gleich zu Beginn der Turmbesteigung in St. Konrad: Denn beim Treffen mit den Glockensachverständigen des Bistums sollten auch die Glocken der Pfarrkirche im Regensburger Norden geläutet werden. Kirchenmusiker Prof. Martin Kellhuber und Dipl.-Ing. Gerhard Hackl vom Bischöflichen Baureferat hatten das Treffen arrangiert. Zusammen mit Pfarrer Thomas Eckert, Kirchenpfleger Erich Tahedl und Glockengießer Rudolf Perner ging es hinauf in den Glockenturm der Pfarrkirche.

Ein Treffen mit tieferem Hintergrund

Nicht ohne Grund fiel die Wahl auf St. Konrad, um dem Regensburger Bischof die Arbeit der Glockensachverständigen näherzubringen, erklärt Martin Kellhuber.

"Gerhard Hackl vom Baureferat des Bistums betreut mit mir seit 2007 das Regensburger Glockenwesen. Er stammt aus der Pfarrei St. Konrad und hatte die Idee, Herrn Bischof Voderholzer geeignete Anschlagshämmer zu überreichen, nachdem ein 'Behelfsschlägel' aus der Küche des Ortspfarrers bei der Glockenweihe im Oktober 2021 der bischöflichen Schlagkraft nicht gewachsen war. Zudem sehen wir dies als gute und sinnvolle Gelegenheit, einmal mit dem Diözesanbischof ausführlicher über unsere Arbeit zu sprechen. In der Vergangenheit gab es nur kurze Kontakte bei Neuanschaffungen und Einweihungen, bei denen die ganze Vorarbeit und Planung der Glockensachverständigen schon gelaufen war."

Die Glocken, die heute in St. Konrad hängen, sind noch recht neu. Erst vor zwei Jahren, am 3. Oktober 2021, hat Bischof Rudolf Voderholzer sie geweiht – ein außergewöhnliches Ereignis, an das sich alle noch gut erinnern.

"Ein Glockenguss ist immer ein außergewöhnliches Ereignis, oft handelt es sich aber nur um einzelne Glocken als Ergänzung eines Geläutes. Ein gesamtes Geläut mit einer größeren Anzahl von Glocken neu zu disponieren ist relativ selten und schon eine besondere Aufgabe."

Natürlich stellt sich auch die Frage: Wieso wurden die Glocken eigentlich erneuert?

"Da muss man wissen, dass das alte Stahlgeläute mit Stahljochen und einem Stahlglockenstuhl nach etwa 80 Jahren starke Korrosion an allen Teilen zeigte und auch klanglich eine sehr niedrige Qualität aufwies. Nur bei klanglich auffallend guten Stahlglocken – die es durchaus gibt – könnte der Aufwand einer „Restaurierung“ gerechtfertigt werden. Stahlstuhl, Stahljoche, Klöppel und die gesamte Technik hätten aber auch in diesem Fall ausgetauscht werden müssen. Somit war es kein allzu großer Schritt, die gesamte Anlage mit Materialien zu erneuern, die in anderen Kirchen bereits Jahrhunderte überdauert haben."

Die fünf neuen Glocken in St. Konrad stammen von der Glockengießerei Perner aus Passau. Sie wurden nach der Weihe an Allerheiligen 2021 in den Kirchturm gehoben, begleitet von Glockengießer Rudolf Perner, der einer der wenigen noch existierenden Glockengießer in Deutschland ist.

"Neben der Gießerei Perner in Passau sind aktuell noch die Glockengießereien Rincker in Hessen und Bachert in Baden-Württemberg aktiv. Alle Gießereien arbeiten nach dem historischen Lehmformverfahren. Sollten diese ihre Arbeit einstellen, bestünde die Gefahr, dass Jahrhunderte altes Fachwissen und Kunsthandwerk verloren gingen."

Drei Leute für 600 Pfarreien – wie ist das zu schaffen?

Über 600 Pfarreien gibt es im Bistum Regensburg. Das sind eine Menge Glocken, um die sich die Glockensachverständigen zu kümmern haben. Deshalb arbeiten sie praktisch auf Abruf – anders, so Martin Kellhuber, lässt sich die Arbeit nicht schaffen.

"Mit den vorhandenen Möglichkeiten können wir nur dort tätig sein, wo es sprichwörtlich brennt, also etwas im Argen liegt und Glocken, Türme oder andere Teile eines Geläutes Beschädigungen aufweisen. Mit einer vollständigen Datenaufnahme in eine Datenbank wäre ein hauptamtlicher Sachverständiger neben der laufenden Beratung für Pfarreien wohl über Jahrzehnte beschäftigt. Die Datenbank wird zurzeit nebenbei erstellt. Für die Pfarreien ist wichtig, dass zumindest eine fachliche Beratung bei Schäden an Läuteanlagen weiterhin gewährleistet werden kann."

Bei der Besteigung des Glockenturms von St. Konrad zeigte sich eines schnell: er ist bequem zu besteigen. Kellhuber weiß, wovon er spricht; immerhin ist er seit 2005 für die Glocken zuständig.

"Mit einem relativ niedrigen Turm mit großem Querschnitt, bequemen und sicheren Zugängen, sehr viel Platz in der Glockenstube und guter Beleuchtung, wie man es in St. Konrad vorfindet, hat man es selten zu tun. Manchmal findet man auch sehr steile und enge Zugänge, zu niedrige Geländer, Durchstiege ohne Sicherung, morsche Holzböden, Exkremente von Tauben, Fledermäusen oder auch bereits verendete Tiere, herumliegende ältere Bauteile von Geläuten usw. Und das alles noch bei schlechter Beleuchtung und in jeder Hand einen Koffer mit der nötigen Ausrüstung. So gehäuft gibt es das, Gott sei Dank, selten, mit unangenehmen Überraschungen muss man auf Türmen aber immer rechnen."

Ohnehin ist es nicht einfach damit getan, Glocken im Turm aufzuhängen, sondern alles muss genau abgestimmt werden. Doch nicht immer ist in Kirchtürmen alles ganz nach Vorschrift.

"Wenn es keinen jährlichen Wartungsvertrag mit einer Firma gibt und niemand regelmäßig auf dem Turm nach dem Rechten sieht und Verschleißteile nicht gewechselt werden, können Klöppel brechen, Zugseile reißen, Holzverbindungen locker werden – besonders in sehr trockenen Sommern, wie wir sie jetzt häufiger erleben – und im Extremfall auch Glocken abstürzen. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass auf schmalen und hohen Bauwerken mitunter mehrere tausend Kilogramm hängen und auch noch horizontal in Schwingung gebracht werden, ist es offensichtlich, dass hier besondere Vorsicht und regelmäßige Wartung nötig sind."

Text und Fotos: Katharina Winterlich

Weitere Infos

Für die Glocken sind im Bistum Regensburg drei Glockensachverständige zuständig: Kirchenmusiker Martin Kellhuber, Gerhard Hackl vom Baureferat und Regionalkantor Alexander Britzl. Die Glockensachverständigen sind über die Fachstelle Kirchenmusik erreichbar.



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