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Paneuropa-Union tagt im Kloster Andechs

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Bei ihrem 47. Andechser Europatag stellte die Paneuropa-Union Deutschland die Frage nach persönlicher Freiheit und totalitärer Unterdrückung. Der deutsche Paneuropa-Präsident und langjährige Europaabgeordnete Bernd Posselt sprach angesichts der politischen Umwälzungen und Bedrohungen in den USA, Rußland, der Arabischen Welt und in Europa selbst vom „Ende aller Sicherheit“. Das „Kostbarste, was wir von unseren Eltern und Großeltern ererbt haben“, nämlich europäische Einigung, Friede, Freiheit und rechtstaatliche Demokratie, müsse Generation für Generation neu erarbeitet und erkämpft werden. Deshalb gelte es die grassierende Konsumentenhaltung gegenüber Staat und Politik zu überwinden und durch selbstbewusstes bürgerschaftliches Engagement zu ersetzen.

 

Die 160 Gäste aus 14 Nationen, die aus verschiedenen Teilen Europas auf Bayerns Heiligen Berg gekommen waren, zeigten sich beeindruckt von den Zeichen christlicher Gemeinsamkeit, die die Bischöfe Rudolf Voderholzer und Frantisek Radkovský aus den beiden benachbarten Partnerdiözesen Regensburg und Pilsen setzten, zumal in letzterer die sudetendeutschen Wurzeln des einer Vertriebenenfamilie entstammenden Prof. Voderholzer liegen. Auf Bitten Posselts beteten sie mit den Teilnehmern spontan ein Vaterunser für den soeben verstorbenen Prager Kardinal Miloslav Vlk, der unter den Kommunisten Berufsverbot hatte und als Fensterputzer dafür sorgte, dass die von den Machthabern verbotene paneuropäische Untergrundzeitschrift „Mitteleuropa“ diskret ihre Adressaten erreichen konnte.

 

 

Fritz Gerlich und „Der gerade Weg“

Bischof Voderholzer referierte über den auf Befehl Hitlers ermordeten Münchener Journalisten Fritz Gerlich, der schon vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten gemeinsam mit dem Fürsten Erich von Waldburg-Zeil eine Zeitung namens „“Der Gerade Weg““ gegründet hatte, die sich deutlich wie kein anderes Medium gegen die braune Ideologie richtete und sich für den christlichen Naturrechtsgedanken einsetzte. Anders als sein publizistischer Widerstand gegen den Nationalsozialismus und der Zeitungstitel sei der Lebensweg von Gerlich nicht besonders gerade gewesen: Als von deutschnationalen Traditionen und Auffassungen geprägter Calvinist aus Stettin sei er nach München gekommen, um dort zuerst als Archivar und dann als Redakteur des Vorgängerblattes der Süddeutschen Zeitung, der Münchner Neuesten Nachrichten, zum eher liberalen Journalisten und später zum begeisterten Vertreter eines christlichen Europa zu werden.

 

Schon vor dem Ersten Weltkrieg habe er ein Buch über Geschichte und Theorie des Kapitalismus verfasst, dem weitere Werke folgten, darunter eines über den Marxismus-Leninismus mit dem interessanten Titel „Der Kommunismus als Lehre vom tausendjährigen Reich.“ Der Wendepunkt im Leben Gerlichs sei die Begegnung mit der stigmatisierten Therese von Konnersreuth gewesen, zu der er mit der Absicht gefahren sei, einen Schwindel aufzudecken. Nach seiner Rückkehr wurde er zum überzeugten Katholiken und Kämpfer gegen die NS-Ideologie, bis er 1934 im KZ Dachau umgebracht wurde.

Der tschechische Historiker und Diplomat Jan Šícha skizzierte die Entstehung der Freiheits- und Menschenrechtsbewegung „Charta 77“ in Folge der KSZE-Konferenz von Helsinki sowie das Lebenswerk des Hauptinitiators dieser Widerstandsgruppe, Jan Patočka. Dieser war Schüler des aus dem mährischen Proßnitz stammenden Phänomenologen Edmund Husserl und zugleich mit der von den Nationalsozialisten ermordeten Edith Stein dessen Assistent an der Universität Freiburg. Šícha nannte Patočka gemeinsam mit dem frühneuzeitlichen Pädagogen Comenius und dem Vertreter des böhmischen Landespatriotismus, dem Reformtheologen Bernhard Bolzano, einen der drei wirklich großen Denker, die Böhmen hervorgebracht habe.

 

Der deutsche Historiker Prof. Manfred Kittel wies darauf hin, dass München schon 1919 eine frühe Brutstätte des Kommunismus“ gewesen sei. Dagegen hätten sich ebenfalls sehr früh starke rechtsextreme und nationalistische Elemente herausgebildet – eine Wechselwirkung, die es so sonst nur in Ungarn gegeben habe. Dass der Kommunismus in totalitärer Form schon zuvor in Rußland Fuß gefasst habe, hänge damit zusammen, dass keine andere der marxistischen revolutionären Bewegungen über eine Persönlichkeit von der Brutalität und Durchsetzungskraft Lenins verfügt habe.

 

Der christliche Philosoph Prof. Rocco Buttiglione, Vizepräsident des italienischen Abgeordnetenhauses, berichtete beim Bühnengespräch im Klostergasthof, wie er schon lange vor dem Sturz des Kommunismus nach Polen gereist sei und die dortige Landessprache erlernt habe, um ein Buch über das philosophische Werk des jungen Karol Wojtyla zu verfassen. Dabei sei er mit Oppositionskreisen gegen das Regime in Kontakt gekommen, die später die Gewerkschaftsbewegung Solidarność gegründet hätten, die letztlich den Eisernen Vorhang zum Einsturz brachte. Um diese zu unterstützen, habe er mit anderen ein Netzwerk aufgebaut, das von den Kommunisten verbotene Publikationen nach Polen und in die Tschechoslowakei geschmuggelt habe. Papst Johannes Paul II., dem er aufgrund seiner früheren Freundschaft dann auch in Rom oft begegnet sei, habe Europa nach der Zeit der Eurosklerose wieder neu mit christlichem Geist belebt, den Helmut Kohl mit viel Energie zu einem politischen Projekt umgemünzt habe.

 

Am Sonntag zelebrierte Bischof František Radkovský die Heilige Messe zu Ehren des Heiligen Benedikt in der Andechser Wallfahrtskirche. Das abschließende Podium zum Thema „Manipulation, Angst, Tyrannei – wie bleiben wir frei?““ moderierte der Staatsrechtler und internationale Paneuropa-Vizepräsident Dirk H. Voß.

 

(Anm. d. Red.: Textauszüge aus einem Beitrag der Paneuropa-Pressestelle München)



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