Warum sind Sie Priester geworden?
Ich hatte das Glück, dass mir meine Eltern ein gesundes und bodenständiges Gottvertrauen vermittelt haben und dass ich über viele Jahre einen Heimatpfarrer erleben durfte, der sich sehr authentisch als Jünger Jesu erwies. So reifte in mir der Wunsch, mich auch in die Spuren Jesu zu begeben und als Seelsorger zu wirken. Ich verspüre heute noch die Sehnsucht, mich gemeinsam mit den mir anvertrauten Menschen auf den Weg der Nachfolge Jesu zu machen und seine Botschaft von der Liebe Gottes in Wort und Tat zu verkünden. Mit 16 Jahren habe ich meinen Wunsch, Priester zu werden, zu Hause bekannt gegeben. Seitdem versuche ich mit Höhen und Tiefen, diesem Weg treu zu bleiben und mich für die Menschen als guter Seelsorger zu erweisen.
Was schätzen Sie am meisten nach der Corona-Pandemie?
Ich bin froh, dass die Kontaktbeschränkungen der Vergangenheit angehören und dass Seelsorge wieder real und nicht virtuell gestaltet werden kann. Vor allem die verschiedenen pfarrlichen Angebote und Gottesdienstformate leben von der konkreten Begegnung und dem direkten (Mit)Erleben. Kein soziales Medium ersetzt den realen Kontakt.
Wie kann man aktuell junge Menschen für die Kirche gewinnen?
Es gehört mitunter zu den schwersten Aufgaben in unserer wissenschaftlich und intellektuell geprägten Gesellschaft, junge Menschen für den Glauben an eine letzte wahre Wirklichkeit, die wir Gott nennen, zu begeistern. Die Kirche steht seit vielen Jahren im Kreuzfeuer der Kritik, weil sie selbstverschuldet Vertrauen missbraucht und das Licht, das sie weitergeben sollte, verdunkelt hat. Dieses verloren gegangene Vertrauen will hart zurückerarbeitet werden. Das braucht Zeit und Geduld. Wer junge Menschen heute für eine Gemeinschaft gewinnen will, muss zuerst selbst für das brennen, was er vermitteln will. Junge Menschen wollen Schönes erleben und nicht zwischen die Fronten kirchenpolitischer Streitigkeiten geraten. Ich selbst hatte auch hier das Glück, wohlbehütet in einer guten Jugendgruppe aufzuwachsen und Glaubens- und Lebenserfahrungen im guten Austausch mit anderen zu sammeln und zu vertiefen. Dieses Angebot versuchen wir in der Dompfarreiengemeinschaft anzubieten und wir freuen uns über alle, die diesen Weg mitgehen.
Wie steht es um die Verbands- und Ministrantenarbeit im Dekanat. Welche positiven Akzente sehen Sie?
Im Dekanat Regensburg gibt es jährlich Ministrantentage. Auch in den einzelnen Pfarreien sehe ich ein großes Bemühen in der Ministrantenarbeit, junge Menschen positiv ins Leben hinein zu begleiten und durch kind- und jugendgerechte Angebote schöne Erlebnisse zu ermöglichen. Die Verbands- und Ministrantenarbeit lebt von konkreten Erfahrungen, die den Glauben erschließen und Gemeinschaft fördern.
Wie ist die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen? Welche Rolle diese in Zukunft?
Ehrenamtlichen kommt heute und morgen eine noch größere Bedeutung zu als in der Vergangenheit. Aufgrund des Rückgangs pastoraler Berufe ist es sehr wünschenswert, dass Ehrenamtliche je nach Kompetenz eigenverantwortlich Aufgaben in der Seelsorge übernehmen. Partizipation und Mitwirkung am Aufbau der Gemeinde ist Teamarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen. Wertschätzung und Achtsamkeit im Umgang miteinander gehören zum Fundament, damit diese Zusammenarbeit fruchtbar wird.
Welche Rolle spielt das Thema Neuevangelisierung?
Überall, wo es gelingt, Menschen für die Botschaft Jesu zu begeistern und zu öffnen, geschieht Evangelisierung. Ich will aber niemanden meine Überzeugung aufzwingen. Ich möchte versuchen, so zu leben, dass ich selbst Medium der Frohen Botschaft sein kann. Und dann lade ich ein, den Weg Jesu mitzugehen und miteinander zu lernen, was es heißt, Mensch zu sein.
Welche Angebote machen Sie im Dekanat älteren Menschen?
Seniorenarbeit wird in den verschiedenen Pfarreien je nach Personalressource gestaltet. Wir versuchen auch auf Stadtebene mit dem Seniorenbeirat der Stadt Regensburg zusammenzuwirken. In der Dompfarreiengemeinschaft z. B. gibt es ein eigenes Gremium, das die Seniorenarbeit plant und organisiert. Es werden monatlich Gottesdienste gefeiert und anschließend zur Begegnung mit Kaffee und Kuchen eingeladen. Zweimal im Jahr gibt es einen Halbtagesausflug mit Andacht, Kultur und Einkehr. Auch seniorengerechte Vorträge stehen auf dem Programm.
Wird der Glaube in den Familien noch gelebt – und wie unterstützen Sie die Familien?
Ich bin davon überzeugt, dass viele Familien guten Willens sind und den Glauben als wertvolle Grundlage für die Erziehung ihrer Kinder sehen. Das gelebte Brauchtum geht aber zurück und traditionelle Riten werden nicht mehr verstanden. Es braucht deshalb niederschwellige Angebote, um den Familien Andockstationen zu bieten, wo sie den Glauben wieder (neu) erleben lernen.
Welchen Mehrwert hat die Kirche gegenüber dem Staat?
Ich möchte die Kirche nicht gegen den Staat ausspielen, da ich Staatsbürger und Mitglied der Kirche bin. Die Aufgaben in Staat und Kirche sollten gemeinsam zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger erfüllt werden. In einer multikulturellen Gesellschaft ist es wichtig, die eigene spirituelle Mitte zu finden, aber auch offen für den Dialog mit anderen Kulturen, Religionen und Konfessionen zu sein. Der Staat gibt Richtlinien und Grenzen vor, die das Zusammenleben regeln. In Deutschland können wir dankbar sein, dass wir einen guten Wohlstand erreicht haben und unser Sozialsystem auch schwächere nicht aus den Augen verliert. Die Kirche und deren Mitglieder sollten mit gutem Beispiel vorleben, was Mensch-Sein bedeutet und wie ein friedvolles Miteinander in unserer Gesellschaft gelingen kann. Jesus hat einmal gesagt: An der Liebe werden die Menschen erkennen, dass Ihr meine Jünger/innen seid. Die Qualität des Zusammenlebens in den Pfarreien(gemeinschaften) wird zeigen, ob die Kirche einen Mehrwert zu bieten hat.
Das Interview führte Stefan Groß (to)