News Bild Impuls zum Lebensschutz von Bischof Dr. Rudolf Voderholzer für Radio Horeb - gesendet am 06.09.2022

Impuls zum Lebensschutz von Bischof Dr. Rudolf Voderholzer für Radio Horeb - gesendet am 06.09.2022

Opferperspektive auch in Abtreibungs-Debatte einnehmen

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Regensburg, 7. September 2022
 

Dieser Beitrag von Bischof Dr. Rudolf Voderholzer wurde am 6. September 2022 auf Radio Horeb gesendet: Zum Audiobeitrag. Wir dokumentieren im Folgenden den Text im Wortlaut.
 

Die derzeitige Politik fordert uns Christen erneut heraus, dass wir uns klar zum Lebensschutz bekennen.

Ich appelliere an die ganze Gesellschaft, dass wir alle auch in der Frage der Abtreibung die Opferperspektive einnehmen.

Zuvor aber erinnere ich daran, dass uns sowohl die Vernunft (inklusive die geltende Gesetzeslage) als auch besonders der biblisch begründete christliche Glaube zum unbedingten Schutz des ungeborenen Lebens auffordert.

Zum ersten: Nicht erst der christliche Glaube verlangt den Lebensschutz. Wir dürfen uns nicht in eine vermeintlich religiöse Sonderwelt oder Sonderethik abdrängen lassen.

Auch wer die Voraussetzungen des biblisch begründeten Glaubens nicht teilt, ist verpflichtet zum Lebensschutz, ist verpflichtet, die Stimme zu erheben für das Leben und Anwalt zu sein für die Schwächsten in unserer Gesellschaft. Das gebieten die Vernunft und das natürliche Sittengesetz, das uns als Handlungsregel nahelegt, mit anderen so umzugehen, wie wir selbst es für uns wünschten: die Goldene Regel. Darüber hinaus hat das Grundgesetz unseres Landes – unter dem Eindruck der Folgen einer menschenverachtenden Ideologie – im ersten Artikel festgehalten: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung der staatlichen Gewalt.“ In Artikel 2 heißt es: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich“ (GG).

Kind mit körperlicher Beeinträchtigung

Diese Rechte gelten für das Leben jeder menschlichen Person vom ersten Augenblick der Empfängnis bis zu ihrem letzten Atemzug, unabhängig davon, ob die betreffende Person den ästhetischen, ökonomischen oder sonstigen Erwartungen und Vorstellungen anderer oder der Gesellschaft entspricht. Jede menschliche Person ist ein Zweck an sich selbst, darf dementsprechend auch nicht anderen Interessen geopfert werden. Diese elementaren Einsichten, erarbeitet vor allem von der großen deutschen Philosophie, sind der menschlichen Vernunft unmittelbar einsichtig. Sie gehören zum Fundament unserer freiheitlichen Gesellschaft. Wir sollten sie und ihren philosophisch einsichtigen Geltungsanspruch nicht leichtfertig preisgeben und uns nicht zu früh auf die Position des Glaubens stützen. Das Thema Lebensrecht ist nicht erst ein christliches Thema, es ist ein Menschheitsthema. Es geht um das Recht, um die Anerkenntnis des Rechtes anderer, die meinem Handeln Grenzen setzen. Und es geht letzten Endes um das Funktionieren des Rechtsstaates.

Wir sind aufgerufen, denen eine Stimme zu geben, die ihr Selbstbestimmungsrecht über ihre Leiblichkeit und über ihre Sexualität noch nicht selbst zum Ausdruck bringen können. Sie brauchen uns.

Die biblische Botschaft, auf die sich unser christlicher Glaube stützt, hat nun darüber hinaus wesentlich zur Erkenntnis und zur vertieften Begründung der unveräußerlichen Rechte der menschlichen Person beigetragen. Jeder Mensch ist ein Bild Gottes, jeder Mensch ist berufen zum Dialog und zur Gemeinschaft mit ihm, jeder Mensch hat eine unsterbliche Seele. Und so hat er auch teil an seiner göttlichen Würde. Wenn Gott in seiner Menschwerdung unser aller Menschenbruder geworden ist, unsere menschliche Natur angenommen hat, hat er damit den Menschen erhöht und geadelt. Jeden Menschen. So beten wir, vereint mit dem gläubigen Israel im Psalm 139:

„Du hast mein Inneres geschaffen, / mich gewoben im Schoß meiner Mutter. /
Ich danke Dir, dass du mich so wunderbar gestaltet hast.“

Und weiter geht es im Psalm mit der Vorstellung, dass jedes menschliche Wesen vom ersten Augenblick seines Daseins bei Gott Ansehen hat, weil Er auf ihn schaut:

„Als ich geformt wurde im Dunkeln / kunstvoll gewirkt in den Tiefen der Erde, / waren meine Glieder dir nicht verborgen. / Deine Augen sahen, wie ich entstand, …“

Unser Ja zum Leben ist der Mitvollzug des göttlichen Ja zum Leben, ist Antwort auf sein Schöpfungshandeln. In diesem Glauben wird in der ganzen jüdisch-christlichen Tradition das Kind als ein Segen betrachtet. Jede Geburt ist ein Beweis, dass Gott ein Freund des Lebens ist. Und mit der Menschwerdung des Sohnes hat der dreifaltige Gott selbst die Perspektive des im Mutterleib Heranwachsenden eingenommen.

Mutter mit Kind

In der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs mussten vor allem wir Bischöfe lernen, die Opferperspektive einzunehmen, oft leider erst auf Druck der Medien und der Öffentlichkeit. Und das war sehr wichtig. Erst wenn ein gewaltsames Geschehen aus der Perspektive des Schwächeren betrachtet wird, erkennt man seine wahre Grausamkeit. Diese Erkenntnis klingt trivial, bei der Abtreibung weigert man sich allerdings oft, sie anzuwenden. Und deshalb bitte ich Sie alle mitzuhelfen, dass bei der Abtreibung ebenso die Opferperspektive eingenommen wird. Es ist eben nicht nur so, dass eine Frau oder ein Paar eine Schwangerschaft abbricht. Das Wort „Schwangerschaftsabbruch“ ist eine ideologische Verkürzung. Der Embryo ist nicht ein neues und weiteres Organ der Mutter. Er ist ein eigenständiges menschliches Wesen mit allen Potenzialen für ein Leben. Wird er getötet, wird ihm jede Chance auf eine selbstbestimmte Zukunft, auf eigene „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst“ (GS 1) geraubt. Vielleicht waren Sie schon einmal bei einer Sammelbestattung von Sternenkindern dabei, also von Kindern, die vor, während oder kurz nach der Geburt gestorben sind. Da kann man den Schmerz und die Trauer der Eltern erleben. Sie geben Zeugnis davon, was dies zumindest bei gewollten Kindern bedeutet. Aber auch die ungewollten haben eine Zukunft, die es zu ermöglichen gilt. Caritas und andere Beratungsstellen für schwangere Frauen in Bedrängnis stehen mit Rat und Tat zur Seite. Der schwächste Teil aber ist dieses kleine Wesen, ja dieser Mensch. Er ist absolut hilf- und wehrlos. Stellen wir uns gemeinsam an seine Seite!
 

Bischof Dr. Rudolf Voderholzer


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