News Bild „Hier wird nach Wahrheit gesucht“: Was den Schritt in die katholische Kirche heute so anziehend macht – Ein Gespräch mit dem Schauspieler und Autor Michel Ruge

„Hier wird nach Wahrheit gesucht“: Was den Schritt in die katholische Kirche heute so anziehend macht – Ein Gespräch mit dem Schauspieler und Autor Michel Ruge

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Michel Ruge, Jahrgang 1969, hat 2015 mit einem Bekenntnis über seine Konversion Furore gemacht. Der Kampfsportler, ausgebildete Schauspieler und Buchautor ("Das Ruge-Prinzip", "Bordsteinkönig"), der in St. Pauli aufwuchs, überwand den Sumpf aus Sex, Gewalt und Drogen und erklärte, was ihn an der katholischen Kirche begeistert - sein Bekenntnis wurde über eintausend Mal auf Facebook geteilt.

Das folgende Interview von Barbara Wenz erschien in der Tagespost am Samstag, 14. November 2015.

 

Herr Ruge, Sie haben neben Zustimmung auch eine große Bandbreite von Reaktionen auf Ihr Bekenntnis zur katholischen Kirche bekommen, die von Gleichgültigkeit, Abwendung, bis hin zu Häme, Spott und offener Feindschaft sogar von ehemaligen Bekannten und Freunden reicht. Damit stehen Sie in guter Gesellschaft gemeinsam mit herausragenden Persönlichkeiten wie Kardinal Newman, Gilbert Keith Chesterton, Alfred Döblin und anderen Konvertiten. Georg Alois Oblinger spricht in seinem Buch "Gesucht- gefunden" gar vom Konvertiten als dem Stachel im Fleisch einer Gesellschaft, welche dem Relativismus huldige.

Tatsächlich, die Aussage trifft es. Ich sehe eine Konversion als ein hochpolitisches Thema. Sich zum Katholizismus zu bekennen, bedeutet für die Mehrheit der Außenstehenden, man sei erzkonservativ, reaktionär. Die Menschen verstehen nicht, dass es hier doch nicht um ein politisches Lager, sondern um den ganz persönlichen Glauben geht. Ich habe meine Konversion aus dem Glauben heraus gemacht und bin dadurch viel freier als meine Kritiker, weil ich mich überhaupt keinem politischen Druck aussetzen muss, sondern meine Weltanschauung durch die Sichtweise des Glaubens betrachten und hinterfragen kann. Und alles, was den persönlichen Glauben betrifft, kann nur hundertprozentig sein oder es stimmt etwas damit nicht.

 

Wo sehen Sie die Ursachen für dieses "skandalon", das der Konvertit, mithin also auch Sie, derzeit unserer Gesellschaft bietet?

Wir leben ja mittlerweile in einem religiösen Supermarkt. Es ist angenehm, jedenfalls angenehmer, sich überall etwas zusammenzusuchen. Ein jeder glaubt, er sei ein "Freidenker" oder gar "Urchrist", dem es genügen könne, an Gott zu glauben, aber bloß nicht in die Kirche zu gehen: bloß das nicht! Dieser Auffassung kann ich nicht folgen. Ich empfinde mein Katholischsein in keiner Weise als Einengung.

 

Sie wurden nach Ihrem Outing mit einigen Reizwörtern der Kirchengeschichte auf Ihrer Facebookseite konfrontiert: Hexenverbrennung, Inquisition, Kreuzzüge, Missbrauchsskandal, angebliche Homophobie...

Es gibt einige Dinge, wo ich sage, die katholische Kirche muss selbstverständlich die Geschichte auch sauber aufarbeiten. Insbesonderebeim Missbrauchsskandal ist die Kirche da schon auf einem guten Wege, auch wenn noch viel zu tun ist. Letztlich aber gibt es keine Kollektivschuld. Es gibt nur Einzeltäter. Und wo Menschen zugange sind, passieren schlimme Sachen. Es passieren aber auch ganz großartige Sachen, ich denke dabei besonders an die wertvolle und unersetzbare karitative Arbeit weltweit. Und für mich ist und bleibt das Tolle, also grundlegend Positive an der katholischen Kirche: Hier wird nach Wahrheit gesucht!

 

Ich denke, Sie sprechen da einen Punkt an, der viele Konvertiten zu allen Zeiten überzeugt hat, aber ich würde noch weiter gehen: Das "skandalon" ist doch, dass die Kirche nicht nur zu allen Zeiten um Glaubenswahrheit ringt, sondern auch zuallererst eine Wahrheit anerkennt - nämlich diejenige Jesu Christi: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben." Worin besteht für Sie die Wahrheit der Botschaft Jesu?

Für mich ist das die Wahrheit seiner konsequenten Botschaft der Nächstenliebe. Damit erübrigt sich außerdem eine der vielen Debatten, die heute wieder an der Tagesordnung ist, weil man gar nicht debattieren muss, ob man Flüchtlingen hilft. Nächstenliebe gilt allen und kennt keine Grenzen. Sie soll sich aber nicht nur auf den fernen Nächsten, sondern auch direkt dem Nachbarn, dem Obdachlosen an der Ecke, der kranken Frau von gegenüber, dem Rollstuhlfahrer im Supermarkt erstrecken. Sie setzt Kräfte frei, damit Menschen anderen Menschen helfen. Diese Kraft stünde uns jederzeit zur Verfügung, wenn wir die Botschaft Christi radikal umsetzen würden. Zur Nächstenliebe unbedingt dazu gehört auch die Botschaft von der "Gewaltlosigkeit". Papst Franziskus hat neulich postuliert, dass Christen keine Waffen herstellen dürfen. Das ist absolut richtig! Christen sollen keine Waffen herstellen und sich nicht an Kriegen beteiligen!

 

Das klingt auch sehr gut - und es ist durchweg radikal. Aber ist es nicht auch ein wenig unrealistisch, sogar utopisch?

Ich befasse mich seit meinem 13. Lebensjahr mit Selbstverteidigung, Kampfsport, Waffenkunst und Gewaltprävention. In meiner Kampfkunstschule habe ich Soldaten und Angehörige von Sondereinsatzkommandos der Polizei ausgebildet. In meinem Leitfaden "Das Ruge-Prinzip" beschreibe ich, wie Gewalt zur Eskalation kommt und wie man sich im zivilen Leben als normaler Bürger davor schützen beziehungsweise damit umgehen kann - zum Beispiel, indem man andere zu Hilfe ruft und so einen "positiven Mob" organisiert. Aus all diesen Gründen meines persönlichen Lebenslaufes weiß ich sehr gut, ja, es ist mir zutiefst bewusst, dass die Gewaltspirale immer weiter hoch geht. Irgendjemand muss endlich aussteigen, wir Christen sind durch die Botschaft Jesu dringend dazu gerufen. Und diese Botschaft ist hervorragend. Vor allem im Hinblick auf die geopolitischen Ereignisse derzeit.

 

Sie schreiben, dass besonders Papst Franziskus Sie zur Kirche hingeführt hat. Gab es auch persönliche Kontakte, die Ihnen halfen, Ihren Weg zu finden?

Es gibt da einen katholischen Pfarrer, mit dem ich einen rein virtuellen Kontakt auf Facebook pflegte. Wir haben uns viel über den Glauben ausgetauscht, er war immer mein Ansprechpartner und hat auch viel für mich gebetet. Der Kontakt hat sich über vier Jahre erstreckt, bis es bei mir soweit war. Er hat mir viel geholfen bei meiner Entscheidungsfindung und besteht auch heute noch. Danke!

 

Sie sind ein ausgesprochen "tougher", also aufrechter Mann, gelten als hart im Nehmen. Sie sind ein versierter Kampfsportler, waren viele Jahre der "coolste Türsteher Berlins". Ihre großen Themen sind Gewaltprävention, Sicherheit und Zivilcourage. Kniet so einer wie Sie in der Messe?

Ach, wissen Sie, dem Allmächtigen auf der vielzitierten Augenhöhe zu begegnen, das brauche ich nicht. Es gibt meinem Gebet eine viel größere Tiefe, wenn ich mich dabei auch auf die Knie begebe. Als Kampfsportler weiß ich, dass jede Körperhaltung etwas verändert, mein Handeln verändert etwas, mein Gegenüber genau wie mich selbst. Ich verleihe meinem Geist Ausdruck, wenn ich durch eine Körperhaltung handle. Darum knie ich. Heutzutage glaubt jeder, jedem "auf Augenhöhe" begegnen zu müssen. Ich kann ein Gespräch mit meinem Mitmenschen suchen und ihm meinen Respekt ausdrücken - aber ich kann niemals mit einem anderen auf Augenhöhe sein. Wenn ich etwa mit meinem Schwiegervater spreche, so weiß ich, er ist mir in einigen Dingen weit voraus, und dafür bewundere ich ihn. In anderen wiederum bin ich ihm überlegen. Wie könnte ich mich je auf "Augenhöhe" mit diesem Mann befinden? Und - es ist doch eine Freiheit, mit seinem ganzen Körper zu beten, wir sind doch körperliche Wesen, wir haben unsere Sinne. Und schließlich: Wie kann man zu stolz sein gegenüber Gott?

 

Sie sind ein sehr politischer Mensch, und das scheint auch in Ihrem Artikel über Ihre Konversion durch. Sie wägen Pro und Contra ab, bringen Argumente gegen die Kirche, um Sie dann zu verwerfen. Das klingt kämpferisch. Doch mittendrin in Ihrem Plädoyer findet sich plötzlich die Rede vom eucharistischen Mysterium, welches das Wahrhaftige des christlichen Glaubens bewahre. Das lässt aufhorchen, tun sich doch selbst manche Katholiken heute schwer damit, das Geheimnis der Gegenwart des Herrn in Leib und Blut zu akzeptieren. Wie sind Sie zur Glaubenserkenntnis der Realpräsenz Christi in den Gestalten von Brot und Wein gekommen? Überfiel Sie diese Erkenntnis oder mussten Sie sich der Sache erst annähern?

In meinen Augen ist es einfach so, dass man, wenn man Glaube absolut, im wahrsten Sinne, leben möchte, man gar nicht um die Eucharistie herumkommt. Ich bin nach der Grotowschen Methode in Schauspiel ausgebildet worden: Wenn ich einen Bauarbeiter spielen müsste, dann würde ich eine Zeit lang als Bauarbeiter tätig sein, um den Schmerz, die Routine, das Ausgesetztsein an Sonne, Regen zu erfahren. Wenn man eine Sache tatsächlich erfährt, dann weiß man, was es bedeutet, es bekommt eine bestimmte Tiefe. Und von dieser Sache herkommend habe ich mich der Eucharistie angenähert. Du kannst noch soviel über das Schwimmen wissen, ein Schwimmhandbuch lesen, Übungen auf dem Trockenen machen, erst im Wasser wirst du ein Schwimmer. Und so ist es eben auch mit dem Sakrament der Eucharistie: Wenn man wirklich mit Gott in Kontakt kommen möchte, dann muss man das auch leben. Dann kommt man, meiner Ansicht nach, tatsächlich nicht um die Wahrhaftigkeit des eucharistischen Mysteriums herum. Jacques Maritain, französischer Schriftsteller und Philosoph, beschrieb sich selbst als "ein Konvertit, ein Mensch, den Gott wie einen Handschuh umgedreht hat".

 

Wie geht es Ihnen mit dieser Aussage?

Für mich ist eigentlich genau das Gegenteil der Fall! Meine Bekehrung war vielmehr ein Abstreifen, ein Abgeben von unnötigem Ballast, eine Befreiung zum Wesenskern meines Lebens. "Umkrempeln" hat für mich eher eine negative Bedeutung, aber abgesehen davon ist es vielmehr so, dass ich viel "leichter" geworden bin, weil viel abgefallen ist von mir: Es gibt die Vergebung, und dass alle Menschen vor Gott gleich sind, das befreit mich, und dieses Wissen, dieser Glaube, führt mich zum Kern des Lebens: Den natürlichen, ursprünglichen Zustand der Liebe.




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