„Gott mit dir, du Land der Bayern!“ - Der künftige Bischof leistet Eid auf die Bayerische Verfassung
(pdr) Der künftige Bischof von Regensburg, Prof. Dr. Rudolf Voderholzer, leistete am Freitagvormittag um 11 Uhr in Anwesenheit der Bayerischen Staatsregierung den Eid auf die Verfassung des Freistaats Bayern. In seiner Ansprache wies er auf die Bedeutung dieses Bekenntnisses zum Rechtsstaat hin. Im Wortlaut der Text der Rede:
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Horst Seehofer,
sehr geehrte Frau Staatsministerin Frau Emilia Müller,
sehr geehrter Herr Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle,
Eminenz, lieber Herr Kardinal Reinhard Marx,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Bayerischen Staat von 1924 – interpretiert im Licht des Reichskonkordats von 1933 – sieht vor, dass der Bischof einer bayerischen Diözese vor seinem Amtsantritt Deutschland und Bayern die Treue schwört.
Dieser feierliche Eid ist Ausdruck einer in einem langen geschichtlichen Prozess gewachsenen Beziehung zwischen Staat und Kirche, die gekennzeichnet ist von einer grundsätzlichen
Unterscheidung
von Staat und Kirche, nicht aber von einerTrennung
der beiden Größen, sondern einer gegenseitigenZuordnung und Zusammenarbeit
.Es gehört zu den unverzichtbaren Errungenschaften der neuzeitlichen Geistesgeschichte, dass dem Staat nicht ein Totalanspruch auf den Menschen zukommt und der Staat seinen Bürgern nicht die Religion, den Glauben und ein bestimmtes religiös geprägtes Rechtssystem vorschreiben darf, ihm vielmehr die Freiheit der Religionsausübung einräumen muss.
Dass diese Errungenschaft keineswegs selbstverständlich und unverlierbar, sondern immer wieder auch gefährdet ist, zeigen uns die aktuellen Vorgänge in verschiedenen Ländern des Nahen und mittleren Ostens.
Umgekehrt hat auch die Kirche die Freiheit der Religionsausübung zu achten und darf nicht mit staatlichen Zwangsmaßnahmen versuchen, den Glauben der Kirche für alle verbindlich zu machen. Es ist die Erklärung über die Religionsfreiheit des Zweiten Vatikanischen Konzils „Dignitatis humanae“, die diese Einsicht mit Berufung auf die Praxis Jesu und die Kirche der Märtyrer höchstverbindlich als Lehre der Kirche formuliert hat.
Dieser grundsätzlichen Unterscheidung von Staat und Kirche steht die innere Hinordnung gegenüber, wie sie im so genannten Böckenförde‘schen Paradoxon zum Ausdruck kommt: „
Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.
“ Jürgen Habermas hat es bei seinem Gespräch mit Kardinal Ratzinger in der Katholischen Akademie 2004 sogar noch schärfer formuliert: der moderne Staat „zehrt“ von diesen Voraussetzungen, die vor-politischer, ja letztlich religiöser Natur sind. Und im Wort „zehren“ ist auch die Gefahr mit angedeutet, dass der Vorrat an vor-politischen Voraussetzungen des freiheitlichen Rechtsstaates einmal auf-„gezehrt“ sein könnte.Im Wissen um diese Zusammenhänge kann beispielsweise die Bayerische Verfassung das Grundrecht der Religionsfreiheit sehr bewusst verbinden mit der Formulierung der obersten Bildungsziele: Ich zitiere Artikel 131, Abschnitt 2 der Bayerischen Verfassung:
(2) „Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft und Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt.“
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich bekenne mich nicht nur zu dieser Bayerischen Verfassung und dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, die den Grund gelegt haben für eine für unser Land beispiellose Friedenszeit.
Dieser Eid ist mir darüber hinaus eine willkommene Gelegenheit, allen Menschen unseres Landes zu sagen, dass ich meinen Dienst als katholischer Bischof durchaus nicht nur eingeschränkt verstehe als allein auf die katholische Kirche bezogen, sondern dass ich ihn als Dienst auch für alle Menschen verstehe, unabhängig von ihrer Konfessions- und Religionszugehörigkeit, für die Menschen mit oder ohne ein religiöses Bekenntnis. Denn als Christen wollen wir mitarbeiten am Wohl unseres Landes: mit unserem Einsatz für Familien, für Alte, für Kranke, für Ungeborene, für Alleinerziehende oder für Arbeitslose.
Ich möchte diesen Eid auch verstanden wissen als ein Versprechen an Sie, Herr Ministerpräsident, stellvertretend für alle Frauen und Männer, die politische Verantwortung tragen: Ich werde als Bischof Ihr Partner sein, wenn es darum geht, sich für Gerechtigkeit einzusetzen und dem Wohl der Menschen in diesem Lande zu dienen.
Insbesondere können Sie auf mich zählen, wenn es um die Sicherung der vor-politischen Fundamente unseres Zusammenlebens geht, den Glauben an Gott, der nach unserer christlichen Überzeugung den Menschen nicht klein, sondern wahrhaft groß macht.
In Christus bietet Gott jedem Menschen seine Freundschaft und Liebe an. Und ich bin froh, mich mit diesem Eid an eine Verfassung zu binden, die jedem Menschen die Freiheit garantiert, zu diesem Angebot sein Ja oder sein Nein zu geben.
In diesem Sinne: „Gott mit dir du Land der Bayern!“
Ich danke Ihnen.