Gegen alle Wahrscheinlichkeit die Netze erneut auszuwerfen - Pastoralbesuch von Bischof Gerhard Ludwig Müller im Dekanat Dingolfing
Die Christen dürften sich nicht in ihr Schneckenhaus zurückziehen. „Für unseren Dienst müssen wir letztlich nicht vor den Menschen, sondern vor Gott bestehen“ – das waren zentrale Aussagen, die Bischof Gerhard Ludwig Müller am vergangenen Freitag während seines Pastoralbesuchs im Dekanat Dingolfing immer wieder tätigte. Der Besuch war gleichzeitig Höhepunkt und Abschluss der Großen Visitation des von weitgreifenden Umbrüchen betroffenen Dekanats, die Regionaldekan Monsignore Josef Thalhammer 2008 und 2009 durchgeführt hat. Visitation, das bedeute vor allem, sich in der gemeinsamen Aufgabe der Seelsorge zu versichern und sich im Glauben neu zu stärken, sagte der Bischof, der am Morgen in der Pfarrkirche St. Vitus in Teisbach bei Dingolfing von einer großen Schar Kinder mit Blumen und Gesang herzlich empfangen wurde.
In Teisbach sprach Bischof Gerhard Ludwig mit den Kindern im Kindergarten St. Vitus über die Liebe Gottes zu uns Menschen, um sich anschließend im selben Gebäude bei Rektor Andreas Fischer über die Situation der Grundschule in dem Ort zu informieren. „Gemäß der bayerischen Verfassung legen wir einen großen Nachdruck auf die Werteerziehung, durchaus im christlichen Sinne“, sagte Rektor Fischer: „Sie selbst wissen ganz genau, was es heißt, gegen den Gegenwind des Zeitgeistes einzustehen.“ Auch an der Grundschule wird sich in Kürze ein dramatischer Schülermangel bemerkbar machen.
Bischof Gerhard Ludwig sprach im Anschluss bei einer Begegnung mit den Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz in Mengkofen von der „Katastrophe“, dass die Zahl der Kinder rasant abnimmt. „Statt alles zu tun, dass die Kinder angenommen werden, forderte das EU-Parlament erst kürzlich die flächendeckende Möglichkeit zur Abtreibung für alle Frauen.“ Dahinter stecke das „falsche Dogma“, wonach Kinder eine Belästigung seien. Es sei das große Manko unserer Zeit, dass viele Menschen nicht mehr an die große Liebe Gottes glauben, so der Bischof. 58 Schwestern leben derzeit im Kloster, von denen 30 pflegebedürftig sind. „Wir leben hier das Apostolat des Gebetes und des Leidens“, sagte die Schwester Oberin: „Wir bitten Gott um seinen Beistand für die Pfarrei und die Diözese Regensburg, ja für die ganze Kirche.“ Und der Bischof gab seiner festen Überzeugung Ausdruck, dass es gerade heute gelte, jenseits aller Zahlen und Statistiken sowie gegen alle Wahrscheinlichkeit die Netze erneut auszuwerfen, so wie es Jesus im Evangelium den Aposteln sagt. „Wir sind wie ein kleines Senfkorn.“
Hans Brennsteiner, Inhaber und Geschäftsführer der Brennsteiner GmbH Mercedes-Benz Service und Vermittlung in Dingolfing, erklärte beim Besuch des Bischofs in diesem Ausschnitt der Arbeitswelt im Dekanat: „Es ehrt Sie, dass Sie die Pastoral so ernst nehmen und sich intensiv um das Leben der Menschen bei uns kümmern.“ Brennsteiner, der sich für die bevorstehenden Pfarrgemeinderatswahlen im März einmal mehr zur Verfügung gestellt hat, sagte, dass es den Familienbetrieben in der Branche „noch gut“ ginge. Bischof Gerhard Ludwig sprach sich dagegen aus, den sakralen Bereich des Lebens vom Profanen zu trennen und erinnerte an die großen Sozialenzykliken der Päpste, die den unternehmerischen Geist durchaus schätzen. „Wir wissen, wie falsch sich die Wirtschaft in der Form rein staatlicher Lenkung entwickelt.“ Im übrigen sei Geschäftserfolg nichts Anrüchiges, so der Bischof.
Landrat Heinrich Trapp unterstrich bei der Begegnung am Nachmittag im Landratsamt die Zusammenarbeit mit der Kirche auf sehr vielen Ebenen. „Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass wir uns viel leichter tun, wenn wir mit Gemeinschaften kooperieren, die sich an Werten orientieren“, so Trapp. Der Landkreis sei für das „vorbildliche ehrenamtliche Engagement“ vieler Christen in ihren Gemeinden „sehr dankbar“. Menschen mit Nähe zur Kirche würden sich sehr viel mehr in die Gesellschaft einbringen. Bischof Gerhard Ludwig erinnerte daran, dass die Kirche die Begegnung von Mensch zu Mensch ermögliche, wie dies staatliche Einrichtungen nicht tun könnten. „Bei uns in der Kirche gibt es ja keine Ausländer“, stellte der Bischof fest. Auch in Brennpunkten der Integration gebe es keine realistische Alternative zur Integration. Kirche ist Heimat für jeden und alle. Im Landkreis gibt es eine Gemeinschaft von 10.000 Russlanddeutschen und durchaus Schulen mit sehr hohem Anteil an islamischen Kindern.
In der folgenden Dekanatskonferenz im Pfarrsaal von St. Josef Dingolfing verwies Regionaldekan Josef Thalhammer auf diese hohe Fluktuation und die Migration im Dekanat, was nicht zuletzt mit dem großen wirtschaftlichen Einfluss zusammenhänge, den BMW in der Region ausübt. Bischof Gerhard Ludwig sprach davon, sich nicht einfach auf das Funktionieren der „volkskirchlichen Strukturen“ zu verlassen. Vielmehr müsse man sich in Umbruchssituationen wie der derzeitigen auf die Grundlagen der Kirche zurückbesinnen: „Wir sind ja nicht nur Träger von Kultur.“ Die Kirche in ihrer Geschichte sei der Weg der Glaubenden durch Höhen und Tiefen. So befinde sich die pilgernde Kirche zwischen den Verfolgungen und den Tröstungen, die Gott ihr zukommen lässt. Im übrigen habe man in der Zeit vor 200 Jahren auch nicht einfach an die Strukturen der zusammengebrochenen Reichskirche anknüpfen können. Zur Botschaft des Heils gebe es allerdings keine Alternative, so Bischof Gerhard Ludwig. „Wir sind eine Zeichen für eine bessere Welt, auch wenn uns widersprochen wird.“
Mit den vielen hundert Gläubigen, die aus dem gesamten Dekanat gekommen waren, feierte der Bischof als Höhepunkt des Tages schließlich ein Pontifikalamt in St. Josef. Er sprach sich in seiner Predigt dagegen aus, angesichts bekannt werdender Missbrauchsfälle einen Generalverdacht auf den Klerus als zu legen. In Wirklichkeit solle durch solche dauernden und gezielten Berichte Misstrauen zwischen die Seelsorger und die Gläubigen gesät werden. Es gelte allerdings auch, dass Vertrauen auf Gott und Glaube schwinden, wenn die Menschen zu gering von sich denken, so Bischof Gerhard Ludwig.