Fritz Gerlich - Ein journalistischer Märtyrer

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Vor 80 Jahren brachten die Nazis Fritz Gerlich in Dachau um

Die bloße Beseitigung genügte ihnen nicht: Nachdem die Nazis den katholischen Münchner Publizisten Fritz Gerlich in einer Nacht- und Nebelaktion am 30. Juni 1934 aus dem Münchner Polizeigefängnis ins Konzentrationslager Dachau gebracht und dort erschossen hatten, wurde er mit anderen Mordopfern verbrannt und anonym beigesetzt. Der Witwe schickten sie nur die Brille ihres Mannes, Wochen später, Blut klebte noch am Gestell. Vom verhassten Gegner sollte so wenig wie möglich zurückbleiben.

Jahrzehntelang sah es so aus, als hätten Adolf Hitler und seine Schergen auch über das Ende ihrer Schreckensherrschaft hinaus dieses Ziel erreicht. Gerlich war keine Größe in der Erinnerung an den Widerstand im Dritten Reich. Der kühne Versuch, Hitler mit einer zum Kampforgan umgeformten Wochenzeitung unter dem Titel "Der Gerade Weg" zu stoppen, noch bevor er an die Macht kommt, blieb seltsam unbeachtet. Gerlichs Nachlass war in alle Winde verstreut und ist bis heute nicht vollständig erschlossen.

Historiker und auch die Kirche interessierten sich lange nicht sonderlich für den prophetischen Querkopf. Doch seit einigen Jahren ändert sich das. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, der Gerlich schon seit Studienzeiten verehrt, ließ beim jüngsten Katholikentag kaum eine Gelegenheit aus, an den unbeugsamen Publizisten zu erinnern. Er wird an dessen Todestag in Konnersreuth einen Gedenkgottesdienst feiern.

In dem oberpfälzischen Dorf hatte Gerlich die ekstatische Mystikerin Therese Neumann Ende der 1920er Jahre kennengelernt. Er war gekommen, sie als Schwindlerin zu entlarven. Doch dann leitete die Begegnung seine Konversion zur katholischen Kirche ein. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx verleiht am kommenden Montag zum dritten Mal einen nach Gerlich benannten Filmpreis. Und vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass in seinem Ordinariat Vorprüfungen zur Einleitung eines Seligsprechungsverfahrens begonnen haben. Dafür hatten sich katholische Journalistenvereine schon vor neun Jahren verwendet.

Heribert Prantl, vielfach ausgezeichneter Innenpolitikchef der "Süddeutschen Zeitung", nannte Gerlich bei einer Gedenkveranstaltung vor einem Jahr einen "journalistischen Märtyrer". Der Publizist sei "das Gewissen in einer Zeit der Gewissenlosigkeit" gewesen und habe seinen Glauben ernster genommen "als nicht wenige kirchliche Würdenträger".

Nun also möglicherweise ein Seligsprechungsverfahren. Kenner der Prozedur räumen Gerlich gute Chancen ein. Denn bei Märtyrern braucht es nicht den Nachweis eines Wunders. Auch der Lebenslauf, der sonst penibel bis in die letzte Ecke durchleuchtet wird, spielt bei ihnen nur eine untergeordnete Rolle. Ausschlaggebend ist allein, ob der Betreffende aus Hass auf seinen Glauben getötet wurde. Persönliche Rachegelüste oder politische Gegnerschaft als Motiv wären dagegen nicht ausreichend.

Gerlich war alles andere als ein Tugendbold. Er verfügte über ein aufbrausendes Temperament. Unter Alkoholeinfluss konnte er rabiat werden. Der Münchner Zeitungshistoriker Paul Hoser kreidet ihm gar an, als Chefredakteur der "Münchner Neuesten Nachrichten" habe er in den frühen 1920er Jahren, damals noch unter deutschnationaler Flagge segelnd, mit seinen publizistischen Attacken einen ehemaligen bayerischen Minister, der Liberalen und Sozialdemokraten nahestand, in den Tod getrieben.

Zumindest am Ende seines Lebens war sich der streitbare Journalist seiner Unzulänglichkeiten bewusst. "Ich habe sicher mehr gefehlt als die meisten meiner Zeitgenossen und allerlei wieder gutzumachen", schrieb er. "Aber unser Herr und Heiland Jesus Christus wird dem Manne, der wegen der offenen Aussprache seiner Überzeugungen mit dem Strick um den Hals eines Tages zum letzten Urteil vor ihn hintritt, sicher vieles verzeihen."

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