Frankfurter Foren zu Fragen der Zeit am Elisabethfest – Bischof Rudolf Voderholzer über das prophetische Wirken des Märtyrers Fritz Gerlich
Der Ehrenritter des Deutschen Ordens, Dr. Rudolf Voderholzer, Bischof von Regensburg, hat während der diesjährigen „Frankfurter Foren des Deutschen Ordens zu Fragen der Zeit“ die Festrede gehalten. Die Familiarenballei Deutschland und die Komturei „An Rhein und Main“ hatten hierzu am Festtag der heiligen Elisabeth von Thüringen, der ersten Patronin des Deutschen Ordens, in die Räumlichkeiten der Deutschordenskommende in Frankfurt-Sachsenhausen eingeladen.
Die Frankfurter Foren fanden dieses Jahr zum 18. Mal in ununterbrochener Folge statt, an einem Ort, an dem der Deutsche Orden seit fast 800 Jahren beheimatet ist. Das war er schon zu Lebzeiten der heiligen Elisabeth. Höhepunkt des Abends war ein Pontifikalamt zu Ehren der Ordenspatronin in der bis auf den letzten Platz gefüllten Deutschordenskirche. Als Hauptzelebrant stand Bischof Rudolf Voderholzer der heiligen Messe vor, es konzelebrierte Weihbischof em. Gerhard Pieschl aus Limburg. Der Regensburger Oberhirte predigte zum Tagesevangelium nach Lukas, zur Feldpredigt mit der Aufforderung zur Feindes- und Nächstenliebe, und stellte fest, dass die heilige Elisabeth dieses neutestamentliche Licht durch Leben, Werk, Glauben und Spiritualität aufleuchten ließ. Drei Punkte hob er besonders hervor. Elisabeth von Thüringen ist die Heilige der Nächstenliebe und Patronin der Caritas. Durch ihre Liebe zu Jesus Christus half sie Armen und Kranken absichtslos und barmherzig. Ihr Leben war eine lebendige Predigt. In Marburg gelang es ihr, die Gottesliebe und die Menschenliebe im Hospital zu verbinden.
Sie ist auch die Heilige Europas. In Ungarn als Königstochter geboren, auf der Wartburg an einem einflussreichen Fürstenhof aufgewachsen und mit Landgraf Ludwig, einem Freund Kaiser Friedrich II., verheiratet, war sie in das politische Geschehen Europas eingebunden. Außerdem war sie eine Weltchristin und hat ihre Begabungen und Charismen in die Welt getragen, als Beispiel einer wahren „First Lady“ für alle Zeiten. Mit eindrucksvollen Worten und im Mittelgang des Kirchenschiffs stehend forderte Bischof Rudolf alle Christen auf, dem Zweiten Vatikanum zu folgen und das göttliche Element in Kunst, Kultur, Wirtschaft und Politik einzubringen und Weltcharakter zu verleihen.
Komtur Thomas Jünger hieß anschließend für die Ballei Deutschland im vollen Rittersaal zweihundert Gäste aus dem politischen und gesellschaftlichen Leben des Rhein-Main-Gebiets willkommen, darunter viele Vertreter der befreundeten Ritterorden – Malteser, Johanniter und Grabesritter. Der Festredner hatte ein besonderes Thema gewählt: „Fritz Gerlich (1883-1934). Ein ritterlicher Weltchrist im Kampf gegen Hitler.“ Der Name Fritz Gerlich ist nur wenigen Menschen geläufig. Gleichwohl gilt er als einer der wichtigsten Vertreter des publizistischen Widerstands gegen Adolf Hitler – und dies aus christlicher Überzeugung heraus. Bemerkenswert sei sein schon sehr früher und entschiedener Widerstand gegen den Nationalsozialismus, bereits zehn Jahre vor der Machtergreifung. Fritz Michael Gerlich war seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts in München publizistisch tätig, in den 1920er-Jahren als Chefredakteur der „Münchner Neuesten Nachrichten“, der Vorgängerin der „Süddeutschen Zeitung“, ab 1930 mit seinem eigenen Blatt „Illustrierter Sonntag“, später „Der gerade Weg“. Calvinistisch erzogen, konvertierte er 1931 zum Katholizismus. Seinen Glauben vertiefte der Kontakt zu Therese Neumann, der oberpfälzischen Mystikerin mit Stigmata und Nahrungslosigkeit, über die er das zweibändige Werk „Die Stigmatisierte von Konnersreuth“ verfasste. Konnersreuth wurde nicht nur zu einem Wallfahrtsort, sondern auch zu einem geistigen Zentrum von Gegnern des Nationalsozialismus.
Gerlich wandte sich aus christlicher Überzeugung scharf gegen Hitler und dessen Partei. In seiner Zeitung „Der gerade Weg“ griff er den Nationalsozialismus immer stärker an und schrieb selbst, dass er davon ausgehe, „dass wir zu den ersten gehören werden, die gehängt werden, wenn der Tag der ‚Freiheit‘ für das deutsche Volk anfängt“. Er warnte vor der „geistigen Pest“ des Nationalsozialismus, der für ihn „Lüge, Hass, Brudermord und grenzenlose Not“ bedeutete. Gerlich spottete über die Rassenideologie der Nationalsozialisten und schrieb über die Leitung der NSDAP, dort sei „eine Mischung aus Kriminellem und Pathologischem stark vertreten“. Er sah in Hitler „die Unbedingtheit des Bösen“ zum Ausdruck gekommen. Der 30. Januar 1933 war für ihn der Beginn von „Deutschlands Leidensweg“, am 18. Februar trat er der Bayerischen Volkspartei bei, um seine Verbundenheit mit den katholischen Parteien zu bekunden. Fünf Tage später schrieb er einem Freund in der Schweiz: „Die Zustände bei uns sind trostlos … wir wissen von heute auf morgen nicht, ob wir landesflüchtig oder erschlagen werden.“ Das Drängen seiner Mitarbeiter, ins Exil zu gehen, lehnte er ab: „Ich bin bereit, für das, was ich geschrieben habe, mit meinem Leben einzustehen.“ Am 9. März 1933 stürmte und verwüstete die SA seine Redaktionsräume in der Münchener Hofstatt, misshandelte und verhaftete Gerlich, der keinen Widerstand leistete. In der sogenannten Schutzhaft im Münchner Polizeipräsidium Ettstraße wurde er weiter gefoltert und aufgefordert, sich selbst das Leben zu nehmen. In der Nacht zum 1. Juli 1934 wurde er in das Konzentrationslager Dachau gebracht und dort kurz nach seinem Eintreffen erschossen.
Die katholische Kirche hat Gerlich als Glaubenszeugen in das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts aufgenommen, das Erzbistum München und Freising leitete am 16. Dezember 2017 das Verfahren zur Seligsprechung ein. Bischof Rudolf skizzierte Gerlichs Lebensweg unter Betonung seiner Glaubensstärke. Eine besondere Tiefe erhielt der Vortrag durch Zitate von Zeitzeugen und Gerlich selbst, auch durch das Lesen und Betrachten eines Faksimiledrucks aus „Der gerade Weg“. Das Martyrium eines Menschen, der seinen christlichen Überzeugungen bis in den Tod treu geblieben ist, beeindruckte alle Zuhörer. Beim anschließenden Empfang in den Räumen der Kommende konnten die Gäste bei Wein und Brötchen das Gehörte vertiefen, lebhaft diskutieren sowie Kontakte pflegen.