Berlin / Regensburg, 24. Oktober 2024
Zehn Verbände appellieren an Bund und Länder. Im Vorfeld der geplanten Besprechung des Justizministeriums mit den Landesjustizverwaltungen zum Familienrechtspaket von Bundesminister Buschmann regen sie weitreichende Änderungen im Kindschafts- und Unterhaltsrecht an. Die drängenden Anliegen reichen von Gewaltschutz im Sorgerecht bis zur Gleichwertigkeit aller Betreuungsmodelle.
Im Vorfeld der für den 25. Oktober 2024 einberufenen Besprechung des Justizministeriums mit den Landesjustizverwaltungen zum Familienrechtspaket von Bundesminister Buschmann rufen die unterzeichnenden Verbände dazu auf, bei der geplanten Reform Änderungen vorzunehmen. Gemeinsam haben sie Punkte identifiziert, die sie über ihre einzelverbandlichen Schwerpunkte hinaus verbinden. Sie konzentrieren sich hierbei auf die Reformen im Kindschafts- und Unterhaltsrecht.
Die Verbände appellieren: „Setzen Sie sich für eine Reform ein, die den Gewaltschutz nicht nur gesetzlich im Sorgerecht verankert, sondern auch im Umgangsrecht. Im Falle von häuslicher Gewalt und Partnerschaftsgewalt muss vermutet werden, dass der Umgang mit dem gewaltausübenden Elternteil in der Regel nicht dem Kindeswohl dient. Von gewaltbetroffenen Elternteilen kann nicht verlangt werden, ihre Schutzinteressen zu gefährden, um die Wohlverhaltenspflicht zu erfüllen.
Die gemeinsame Sorge von unverheirateten Eltern soll weiterhin durch eine gemeinsame Sorgeerklärung etabliert und nicht automatisch mit der Vaterschaftsanerkennung verknüpft werden, so die Verbände, denn: „Die Erklärung der gemeinsamen Sorge von unverheirateten Eltern ist üblich, niedrigschwellig und weit verbreitet. Bei Auseinandersetzungen oder gar Fällen häuslicher Gewalt birgt die automatische Verknüpfung der gemeinsamen Sorge mit einer Vaterschaftsanerkennung eine hohe Gefahr, schürt gegebenenfalls weitere Spannungen und ist nicht kindeswohldienlich.“
Die Gleichwertigkeit aller Betreuungsmodelle sowohl im Familienrecht des BGB als auch bei der Regelung der Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung im SGB VIII sollte verdeutlicht werden: „Wir setzen uns für eine ergebnisoffene Beratung ein, die Eltern auch bei rechtlichen und finanziellen Folgen von Sorge- und Betreuungsvereinbarungen weiterhelfen kann. Es ist unerlässlich, dafür die Ressourcen der Beratungslandschaft zu stärken und für entsprechende Qualifizierungen zu sorgen, deren Neutralität gesichert sein muss.“
Weiter möchten die unterzeichnenden Verbände sichergestellt wissen, dass verschiedene Vorhaben in den Eckpunkten in der Gesamtschau nicht zu einem Leitbild Wechselmodell „durch die Hintertür“ führen: „Das Wechselmodell als Leitbild einzuführen, lehnen wir entschieden ab.“ Weiter sollten Unterhaltsregeln für alle Betreuungsmodelle gesetzlich verankert werden: „Wir begrüßen es grundsätzlich, unterhaltsrechtliche Folgen für verschiedene Betreuungsmodelle als Stufenmodell auszugestalten. Eine isolierte Unterhaltsregelung für das asymmetrische Wechselmodell lehnen wir jedoch ab.“
Auch das Unterhaltsrecht haben die zehn Verbände in den Blick genommen. Das möchte sie so reformiert wissen, dass die Schwelle für den Beginn eines asymmetrischen Wechselmodells neben dem zeitlichen Kriterium die Verantwortungsübernahme berücksichtigt und eine ausreichende Entlastung im Alltag abbildet wird. Diesen Anforderungen werde die in den Eckpunkten definierte Schwelle von 29 Prozent Mitbetreuung inklusive der Ferien nicht gerecht. Wichtig ist ihnen auch, dass das Existenzminimum des Kindes in beiden Haushalten in keinem Fall unterschritten werden kann, dass wechselbedingte Mehrkosten berücksichtigt werden und dass Übergangsfristen eingeführt werden, wenn durch den Wechsel in ein anderes Betreuungsmodell neue Erwerbsobliegenheiten entstehen.
„Alleinerziehende, die bereits jetzt besonders häufig von Armut bedroht oder betroffen sind, dürfen finanziell nicht noch weiter unter Druck geraten“, heben die Verbände hervor. „Bestehende Lebensrealitäten dürfen dabei nicht aus dem Blick geraten. Die Förderung einer fairen Verteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit muss bereits vor Trennung und Scheidung erfolgen. Dafür machen wir uns weiterhin stark.“ Oberster Maßstab müsse das Kindeswohl sein. Im Zweifel müssten die Interessen der Erwachsenen dahinter zurücktreten, so betonen die unterzeichnenden Verbände. Sie freuen sich nun auf einen weiterhin konstruktiven Dialog mit dem Bundesjustizministerium und hoffen auf eine baldige Einbeziehung der Zivilgesellschaft in den umfangreichen Gesetzgebungsprozess.
Die unterzeichnenden Verbände sind:
Familienbund der Katholiken (FDK), Bundesverband
Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie e. V.
Evangelisches Zentralinstitut für Familienberatung gGmbH
Frauenhauskoordinierung e. V.
Verband alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e. V.
Zukunftsforum Familie e. V.
AWO Bundesverband e. V.
Der Kinderschutzbund Bundesverband e.V.
Deutscher Frauenrat e. V.
Deutscher Juristinnenbund e. V. (djb)
Text: Familienbund
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