Endlich einmal Schule! - 80 Flüchtlingskinder aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Regensburg gehen seit vergangener Woche in die Schule, in sogenannte Übergangsklassen
Hassan ist sieben Jahre alt. Seine braunen Augen glänzen, wenn er das Wort Schule hört. Vor zehn Monaten kam er zusammen mit Onkel und Tante nach Deutschland. Nach den ersten Monaten in der Oberpfalz besuchte er dort auch gleich die Schule. Als sein Vater auch nach Deutschland kam, nahm dieser ihn zu sich. Er konnte nicht weiter in diese Schule gehen. Jetzt hat er den zweiten Anlauf nehmen dürfen. Zusammen mit etwa 80 weiteren Flüchtlingskindern aus der Regensburger Erstaufnahmeeinrichtung kam er in die Schule. Gemeinsam mit den Betreuerinnen der Caritas wurden Schultüten gebastelt, gefüllt und der Schulranzen gepackt.
Laut Gesetz gelten bereits anerkannte Kinder und solche, die seit drei Monaten in Deutschland sind, als schulpflichtig. 41 der wissbegierigen Kleinen kamen in die Grundschule, die übrigen besuchen zukünftig die Mittelschule. Um die Kinder langsam an das für sie fremde Schulsystem heranzuführen, kommen sie in sogenannte Übergangsklassen: Erst- und Zweitklässler, Dritt- und Viertklässler, Fünft- und Sechstklässler sowie Siebt-, Acht- und Neuntklässler sitzen jeweils zusammen in einem Klassenzimmer. Dort wird dann Deutsch gebüffelt oder das Reich der Zahlenwelt erkundet. Aber nicht nur das deutsche Schulsystem ist für die schicksalsgebeutelten Kinder eine neue Herausforderung. Viele von ihnen sind bisher noch nie mit einem Schulbus gefahren. Auch den Weg zur Schule alleine und ohne Eltern zu bewältigen, war für einige Kinder Neuland.
Die Grundschüler wurden auf die Von der Tann-, die Napoleonstein- und die Pestalozzi-Grundschule verteilt. Die Mittelschulkinder gehen an die Pestalozzi-Mittelschule. Mehr als die Hälfte der Kinder besuchte bisher regelmäßig die Caritas-Kinderbetreuung der Erstaufnahmeeinrichtung in der Zeißstraße. Sie lernten dort bereits einen ersten Grundwortschatz in Deutsch und hatten die Möglichkeit, beim Spielen oder Basteln ihre Kreativität auszuleben. Kindgerecht wurden die Kleinen dort im täglichen Morgenkreis mit deutschen Bewegungsliedern für den Tag fit gemacht. Jedes Kind stellt sich immer mit seinem Namen vor. Anhand verschiedener Beispiele werden Wortschatz und Grammatik besprochen und spielerisch erlernt. „Seit Anfang August wissen die Kinder, dass sie in eine richtige Schule dürfen. Sie fieberten so sehr auf diesen großen Tag hin“, sagt Ivanka Riedl, Leiterin der Caritas-Kinderbetreuung in der Flüchtlingseinrichtung. Die Kinder wollten gleich wissen, was sie alles für ihren ersten Schultag brauchen. Die wichtigste Frage war: Woher bekommen sie eine Schultasche? Dank einer von der Waisenhausstiftung und Galeria Kaufhof Regensburg gemeinsam ins Leben gerufenen Aktion, konnte dann auch für jedes Kind ein eigener Schulranzen aufgetrieben werden. Die Caritas sorgte dazu für Buntstifte, Papierblöcke und Hefte. Jeder Schüler bekam Schulsachen im Wert von fünf Euro, finanziert aus Spendengeldern. Und weil ein richtiger ABC-Schütze auch eine Schultüte braucht, wurden diese vorab in der Caritas-Kinderbetreuung gebastelt. Die Befüllung mit Süßigkeiten und einem kleinen Spielzeug übernahmen die dortigen Betreuungskräfte. „Wir hatten bereits im Vorfeld eine super Zusammenarbeit mit den Schulen und der Verwaltung der Erstaufnahmeeinrichtung“, sagt Riedl. Damit konnte den Kindern der Einstieg in den Schulalltag so einfach wie möglich gemacht werden. Alle 80 Flüchtlingskinder waren am ersten Schultag nicht mehr zu bremsen. Zu lange hatten sie diesem Tag entgegengesehen. Endlich lernen!
Hassans erneuter Schulbeginn wird nur von den bangen Gedanken an seine Familie überschattet. Hassans Mutter ist zusammen mit seinen drei Schwestern immer noch in Syrien. Er und sein Vater hoffen sehr, dass die Familie nachkommen kann und alle zusammen ein neues Leben in Deutschland beginnen können – mit Schule und Arbeit.