Ein Märtyrer? – Blick auf den ermordeten Priester Jacques Hamel zum Gedenktag des heiligen Märtyrers Maximilian Kolbe
Vor zwei Wochen waren Millionen junge Leute in das polnische Krakau gereist, um gemeinsam mit Papst Franziskus den Weltjugendtag zu feiern. Ein buntes, frohes Glaubensfest, das Jugendliche aus allen Nationen zusammenbrachte. Doch es gab auch stille und schattenreiche Momente. So hatte der Papst beispielsweise am dritten Tag seiner Reise Auschwitz besucht und betete in der Todeszelle des Maximilian Kolbe, der dort vor 75 Jahren ermordet wurde: ein Märtyrer.
Nur kurze Zeit vorher wurde im französischen Rouen der Priester Jacques Hamel während einer Morgenmesse durch Anhänger der Terrormiliz IS grausam enthauptet. Die Meldung ging um die Welt und es dauerte nicht lange, bis er, der bis zuletzt treu zu seinem Glauben stand, als Märtyrer bezeichnet wurde.
Jacques Hamel – Ein Märtyrer?
Doch wann kann eigentlich davon gesprochen werden, dass jemand als Märtyrer gestorben ist? Wir haben nachgefragt und zwar bei Domkapitular und Offizial Dr. Josef Ammer.
Der französische Priester Jacques Hamel wurde kurz nach seiner Ermordung in den Medien bereits als „Märtyrer“ bezeichnet. Auf einem Gemälde, das bei seinem Requiem am Eingang der Kathedrale aufgestellt wurde, ist er mit einem Heiligenschein abgebildet. Einige Gläubige knieten vor seinem Sarg nieder. Wie würden Sie dies einordnen? Ist eine derartige Verehrung legitim?
In der Tat hat zum Beispiel Erzbischof Anthony Fisher von Sydney in einer Gedenkmesse über den ermordeten Priester gesagt, dieser sei „in odium fidei“, also „aus Hass auf den Glauben“ gestorben. In letzter Zeit gab es etliche offizielle Seilig- bzw. Heiligsprechungen für Katholiken, die im 20. Jahrhundert etwa in der Nazidiktatur, unter dem Francoregime in Spanien, in der Zeit der Kirchenverfolgung in Mexiko oder bei Revolutionen wegen ihrer Zugehörigkeit zur Kirche oder wegen ihrer Verteidigung der Kirche und des Glaubens umgebracht wurden. Dabei gab es auch einige Fälle, bei denen keine Ermordung erfolgte, sondern der Tod aufgrund der Kerkerhaft („ex aerumnis carceris“) und der Folterungen und Strapazen eintrat. Ein Beispiel hierfür ist der selige Bernhard Lichtenberg, der auf dem Weg ins KZ Dachau verstarb.
Man wird sehen, ob für den ermordeten Priester Jacques Hamel, der zweifellos nicht einfach zum Opfer wurde, weil Terroristen ein paar alte Leute an irgendeinem beliebigen Ort treffen wollten, sondern sich bewusst Christen bei einer liturgischen Feier in einer Kirche, einem christlichen Gotteshaus, aussuchten, ein formales Seligsprechungsverfahren eingeleitet werden wird. Das Gemälde mit dem Heiligenschein stammt, wie zu erfahren ist, eher aus der Hand eines Moslems, wurde also kaum mit Billigung der Erzdiözese Rouen hergestellt und aufgestellt. Wenn aber christliche Gläubige in solchen Fällen am Sarg dessen, der in ihren Augen und ihrem Gefühl nach ein Märtyrer ist, niederknien (auch wenn das Knien an sich nur der Verehrung Gottes geziemt), so muss man dies als Zeichen der Verehrung und Wertschätzung für den Ermordeten akzeptieren, das zum Teil auch aus der großen Betroffenheit der Menschen heraus erklärbar ist. Ob hier wirklich eine dauerhafte und wachsende Verehrung unter den Gläubigen entsteht, wird die Zeit zeigen.
Welche Kriterien muss ein Mensch allgemein in seinem Leben und Sterben erfüllen, damit von einem Märtyrer gesprochen werden kann?
Um eines vorweg klarzustellen: Selbstmordattentäter, die sich und andere in den Tod reißen, oder bewusst den Tod in einem „Heiligen Krieg“ suchen, um dadurch nach ihrer Überzeugung als Märtyrer sicher ins Paradies zu gelangen, sind keine Märtyrer im christlichen Sinne. Nicht wer andere aus Hass auf deren Glauben tötet, ist Märtyrer, sondern wer von anderen aus Hass auf seinen Glauben getötet wird.
Der Katechismus der Katholischen Kirche sagt (Nr. 2473): „Das Martyrium ist das erhabenste Zeugnis, das man für die Wahrheit des Glaubens ablegen kann; es ist ein Zeugnis bis zum Tod. Der Märtyrer legt Zeugnis ab für Christus, der gestorben und auferstanden ist und mit dem er durch die Liebe verbunden ist. Er legt Zeugnis ab für die Wahrheit des Glaubens und die christliche Glaubenslehre. Er nimmt in christlicher Stärke den Tod auf sich. ‚Lasst mich ein Fraß der wilden Tiere sein, durch die es möglich ist, zu Gott zu gelangen!‘ (hl. Ignatius v. Antiochien, Rom. 4,1)“. Das Martyrium bewusst auf sich zu nehmen, indem man zu seinem Glauben steht, auch wenn einem dafür der Tod droht, ist ein Ausdruck der christlichen Tugend der Tapferkeit. Neben der aktiven Annahme des Martyriums (z.B. P. Maximilian Kolbe) gibt es aber auch das passive Erleiden des Martyriums (z.B. Erzbischof Óscar Romero).
Märtyrer im strengen Sinne ist – im Unterschied zu einem Bekenner des Glaubens – jemand, der um des Bekenntnisses des Glaubens willen getötet oder aus Hass auf den Glauben („in odium fidei“) ins Gefängnis geworfen oder auch mit Verbannung bestraft wird und aufgrund der Qualen und Leiden im Gefängnis („ex aerumnis carceris“) oder im Exil verstirbt. Entscheidend ist dabei auch, dass eine Rettung vor dem gewaltsamen Tod nur möglich gewesen wäre, wenn der Betreffende seinem Glauben abgeschworen oder diesen verleugnet hätte. Zu einem solchen Festhalten am Glauben angesichts des Todes wird jemand wohl nur dann fähig sein, wenn er auch in seinem vorherigen Leben schon bewusst aus dem Glauben heraus gelebt hat. Allerdings: immer kommt es dabei auf die helfende Gnade Gottes an, die jemand trotz guten christlichen Vorlebens zum mutigen Bekenntnis bis in den Tod stärkt und die auch einen Gläubigen nach einem vorher vielleicht weniger beispielhaften christlichen Leben im entscheidenden Augenblick die Kraft zum Martyrium schenken kann.
Die Erfahrung der Kirche hat gezeigt, dass durch das Zeugnis der Märtyrer Menschen von der Wahrheit und Kraft des christlichen Glaubens beeindruckt wurden, so dass nach einem Wort Tertullians gilt: „Das Blut der Christen ist ein Same (für neue Christen)“ (Tertullian, apol. 50,13).
Wie wirkt sich die „Verehrung“ durch die Gläubigen auf einen möglichen Selig- oder Heiligsprechungsprozess aus?
In der Regel führt die „fama sanctitatis“, der Ruf der Heiligkeit eines Christen, den dieser gegebenenfalls schon zu Lebzeiten (aufgrund seiner heroischen Tugenden), in jedem Falle aber nach dem Tode (z.B. auch aufgrund eines Martyriums) genoss, zu einer (manchmal spontanen) Verehrung durch die Gläubigen. Eine öffentliche Verehrung durch die Kirche – mit lokaler Beschränkung – ist erst nach erfolgter Seligsprechung aufgrund eines geordneten Verfahrens möglich. Im Seligsprechungsverfahren ist im Falle der Anerkennung des heroischen Tugendgrades einer Person auch ein durch diese Person bei Gott erwirktes und kirchlich anerkanntes, nicht auf natürliche Weise erklärbares Wunder, sozusagen als Bestätigung vom Himmel her, erfordert, was im Falle der Anerkennung eines Seligen als Märtyrer nicht verlangt ist. Erst im Blick auf eine Heiligsprechung, wodurch die öffentliche Verehrung auf die Gesamtkirche ausgedehnt wird, ist die Anerkennung eines weiteren (bei einem Märtyrer: ersten) Wunders verlangt.
Der heilige Maximilian Kolbe: ein Märtyrer
Maximilian Kolbe wurde 1894 im polnischen Zduńska Wola geboren und lebte als Priester und Ordensmann. Nach einem Überfall der Deutschen auf Polen im September 1939 ist er zunächst mit einigen seiner Mitbrüder im Lager in Amititz gefangen gesetzt worden, wurde anschließend in das Konzentrationslager Oranienburg und letztlich in das Vernichtungslager Auschwitz transportiert. Als 1941 bei einem Apell vor dem KZ-Kommandanten Fritsch zehn Männer ausgesondert wurden, die als Strafe für die Flucht eines Gefangenen in den Hungerbunker gesperrt werden sollten, bewies Kolbe seine Größe und sein Vertrauen in Gott. Er bot sein eigenes Leben an, um einen der Männer, einen Familienvater mit zwei Söhnen, zu retten. Sein Angebot nahm Fritsch an.
Papst Johannes Paul II. sprach ihn 1982 heilig und erkannte seinen Tod als Martyrium an. Seinen Gedenktag feiert die Kirche am 14. August, also am kommenden Sonntag.