Durch das Kirchenjahr: Unser schwacher Gott
… mit Benedikt:
Weihnachten – Lukas 2,1-14
Wir blicken auf das Kind in der Krippe. Wir sehen die Szene, dargestellt auf unzähligen Gemälden, verbildlicht in den Krippendarstellungen unserer Kirchen und Wohnzimmer. Da liegt es, das Kind, der „holde Knabe im lockigen Haar“ (GL 249 St. 1). Die Zeit der Vorbereitung hat ein Ende gefunden, kommt zu ihrem Höhepunkt in diesem heiligen Kind, das in vielen Gottesdiensten feierlich in die Krippe hineingelegt wird. „Kommt, wir beten ihn an“, singen wir. Wir beten es an, das Kind. Das nackte Kind, das im Stroh liegt. „Da liegt es, das Kindlein, auf Heu und auf Stroh“ (GL 248 St. 2), singen wir und vergessen dabei die Situation beinahe.
Was war denn passiert? Joseph musste sich mit seiner hochschwangeren Frau auf den Weg nach Bethlehem machen, um an der dortigen Volkszählung teilzunehmen. Just in diesem Moment naht die Geburtsstunde des Kindes. Einen Platz bietet der Familie in Not aber niemand an. Sie finden keinen Ort, an dem sie zur Ruhe kommen und vor allem das Kind auf die Welt bringen können. Lukas erzählt uns gar nicht, wo sie letztlich unterkommen – wir wissen nur, dass es dort eine Krippe gegeben haben muss. Die Familie befindet sich also vielleicht in einem Stall, vielleicht aber auch einfach nur in einer Grotte oder sogar auf dem offenen Feld; dort, wo eben gerade eine Krippe steht. Die Situation ist lebensbedrohlich. Da liegt es, das Kind, in einer Krippe, im Stroh. Würden Sie Ihr neugeborenes Kind in Stroh betten? In kratziges, vielleicht feuchtes Stroh? Natürlich nicht.
Nur: der Familie bleibt eben nichts anderes übrig.
In dieser windigen Krippe unter freiem Himmel liegt das Heil der Welt. Schon in seiner Menschwerdung scheut der Schöpfer nicht das Leiden der Menschen, nicht die Kälte, nicht das Gefühl, ausgestoßen zu sein. Schon in seiner Geburt zeigt uns der Herr eine Paradoxie, die unser Denken auf den Kopf stellt.
Die Würde des Menschen zeigt sich gerade dort, wo er am geringsten ist. In diesem kleinen, schreienden Kind offenbart sich uns die Würde des Menschen. Nicht in seiner Größe und Kraft, nicht in seiner Herrlichkeit und Macht – in seiner Schwäche, dem Tod vielleicht schon nahe. In dieser Krippe liegt unser Herr – als kleines, schwaches und bedürftiges Kind.
In diesem kleinen Kind glauben wir, unseren Gott zu erkennen; Gott zu sehen, im bedürftigen kleinen Lebewesen. Seine Gottheit offenbart sich in der Schwäche. Aber gerade deswegen dürfen wir zu ihm kommen, zu ihm strömen, zu ihm, dem wahren Menschen und dem wahren Gott: „Kommt, wir beten ihn an.“