Durch das Kirchenjahr: Oberflächlichkeit
… mit Benedikt
26. Sonntag im Jahreskreis A – Ezechiel 18,25-28 und Matthäus 21,28-32
„So spricht der Herr: 25Ihr sagt: Der Weg des Herrn ist nicht richtig. Hört doch, ihr vom Haus Israel: Mein Weg soll nicht richtig sein? Sind es nicht eure Wege, die nicht richtig sind? 26Wenn ein Gerechter sich abkehrt von seiner Gerechtigkeit und Unrecht tut, muss er dafür sterben. Wegen des Unrechts, das er getan hat, wird er sterben. 27Wenn ein Schuldiger von dem Unrecht umkehrt, das er begangen hat, und nach Recht und Gerechtigkeit handelt, wird er sein Leben bewahren. 28Wenn er alle seine Vergehen, die er verübt hat, einsieht und umkehrt, wird er bestimmt am Leben bleiben. Er wird nicht sterben.“
Ezechiel 18,25-28
„In jener Zeit sprach Jesus zu den Hohepriestern und Ältesten des Volkes: 28Was meint ihr? Ein Mann hatte zwei Söhne. Er ging zum ersten und sagte: Mein Kind, geh und arbeite heute im Weinberg! 29Er antwortete: Ich will nicht. Später aber reute es ihn und er ging hinaus. 30Da wandte er sich an den zweiten und sagte zu ihm dasselbe. Dieser antwortete: Ja, Herr – und ging nicht hin. 31Wer von den beiden hat den Willen seines Vaters erfüllt? Sie antworteten: Der erste. Da sagte Jesus zu ihnen: Amen, ich sage euch: Die Zöllner und Dirnen gelangen eher in das Reich Gottes als ihr. 32Denn Johannes ist zu euch gekommen auf dem Weg der Gerechtigkeit und ihr habt ihm nicht geglaubt; aber die Zöllner und die Dirnen haben ihm geglaubt. Ihr habt es gesehen und doch habt ihr nicht bereut und ihm nicht geglaubt.“
Matthäus 21,28-32
Dieses Gleichnis Jesu ist sofort verständlich: Zwei Söhne werden von ihrem Vater gebeten, im Weinberg der Familie zu arbeiten. Der eine antwortet geradezu patzig, er wolle nicht gehen. Dreist ist das. Der zweite Sohn macht das ganze schon deutlich geschickter. Er spricht den Vater sehr respektvoll an: „Ja, Herr“, während der erste Sohn die Anrede gleich ganz weggelassen hatte. Beide Söhne halten sich allerdings nicht an ihr Wort: Der augenscheinlich so bereite Sohn arbeitet dann einfach doch nicht im Weinberg, der andere bereut seine Haltung und geht doch noch. Was bildhaft gesprochen wurde, überträgt Jesus sodann auf das Verhältnis der Menschheit zum himmlischen Vater.
Auch da gibt es einige, die augenscheinlich sehr respektvoll Gott begegnen, während andere ständig auf anderen Wegen unterwegs zu sein scheinen. Doch nicht der Schein ist das entscheidende. Jesus betont das immer wieder. Nicht der verdient Lob, der offen an der Straßenecke vor aller Augen betet – sondern jener, der heimlich in seinem Zimmer betet und von dem die Menschen vielleicht sogar meinen könnten, er bete gar nicht (vgl. Matthäus 6,5-8). Nicht der fastet richtig, dem man es schon im Gesicht ansieht, der aber keine Haltung hat – sondern vielmehr jener, dem man das Fasten gar nicht ansehen kann und von dem man vielleicht sogar meinen könnte, er faste gar nicht (vgl. Matthäus 6,16-18). Nicht der gibt von Herzen, der eine große Summe spendet, die er leicht entbehren kann – sondern vielmehr jene arme Witwe, die kaum Geld in den Opferstock wirft und gleichzeitig ihr ganzes Vermögen hingibt; auch wenn man von außen vielleicht gar meinen könnte, die Frau sei geizig – vgl. Markus 12,41-44.
Nicht der Schein zählt, sondern das Sein. Und doch verlassen wir Menschen uns immer wieder auf den Schein. So mag auch der Vater aus dem Gleichnis zornig auf den ersten, stolz aber auf den zweiten Sohn gewesen sein. Bei rechter Betrachtung müsste es aber genau umgekehrt sein. Wir können nicht in die Herzen unserer Mitmenschen sehen. Wir wissen oft nicht, warum sie das tun, was sie tun. Alleine vom Äußeren her zu urteilen, wäre aber falsch.
Und noch um etwas anderes geht es in dem Gleichnis. Um die Wege des Herrn, aber auch um die zwei Söhne, die in den Weinberg gehen sollen. Gott fordert die Umkehr. Zugespitzt: Besser ein ungerechter Mensch sein, der sich doch noch des besseren besinnt, als ein immer gerechter Mensch zu sein, der doch noch die Wege Gottes verlässt. Besser zuerst die Arbeit im Weinberg verweigern und sie doch noch tun, als die Arbeit zuzusichern und sie doch nicht zu tun. Jesus sagt immer wieder, wie sehr er zu denen gerufen ist, die als Sünder gelten – weil er darauf vertraut, sie durch seinen Ruf doch noch zu bekehren. Er ist es, der dem einen verlorenen Schaf nachsteigt und die große Herde zurücklässt (vgl. Matthäus 18,12-14). Er ist als Arzt zu den Kranken gekommen, nicht zu den Gesunden – zu den Sündern also, nicht zu den Gerechten (vgl. Matthäus 9,9-13).
Für die Umkehr ist es niemals zu spät. Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern sein Leben (vgl. Ezechiel 33,11). Der erste Sohn aus dem Evangelium konnte seine Entscheidung revidieren und doch noch gehen. Die Botschaft Jesu ruft uns daher auch immer wieder auf, nicht nur oberflächlich auf unsere Mitmenschen zu blicken. Der Schein kann trügen; hinter der so unterwürfigen Zusage des zweiten Sohnes steckt letztlich nichts. Wer aber vielleicht aufsässig oder unwillig erscheinen mag, ist derjenige, der tatsächlich den Willen des Vaters tut.