Durch das Kirchenjahr: Du Narr!
... mit Benedikt:
18. Sonntag im Jahreskreis - Kohelet 1,2; 2,21-23 und Lukas 12,13-21
Kluge Weisheiten über den Tod gibt es zuhauf. Listen und Bücher werden veröffentlicht, voll von Dingen und Orten, die man vor dem Sterben unbedingt noch gesehen, getan, bereist haben muss. Die Botschaft all dieser Sammlungen: Wir leben unser Leben nicht richtig. Andauern hetzen wir irgendwelchen Zielen hinterher und vergessen dabei das eigentliche Leben, das mitten auf dem Weg liegen würde. Meetings sind wichtig und Gehaltsabrechnungen, beruflicher Aufstieg oder gesellschaftliche Anerkennung. Letztlich aber zählt all das nicht. Menschen, die sterben, bereuen ganz oft, das Leben nicht mehr genossen zu haben. Mehr Zeit für das Wesentliche hätte man aufwenden sollen.
Nur: Was ist denn das? Diese Frage stellt sich schon das Buch Kohelet - ein sehr bemerkenswertes Buch der Bibel, aus dem die erste Lesung dieses Sonntags stammt. Kohelet wird als König und Nachfahre Davids vorgestellt. Im nach ihm benannten Werk, das auch an die antike Philosophie der Griechen erinnert, stellt er das Leben auf den Prüfstand. Das Ergebnis ist sehr niederschmetternd. "Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, Windhauch, Windhauch, das alles ist Windhauch." (Koh 1,2) Die menschliche Existenz gleicht wohl tatsächlich einem Windhauch: Kaum wahrnehmbar, im nächsten Augenblick schon verklungen. Dieses Gefühl kennt auch der Beter in den Psalmen, wenn er nüchtern feststellt: "Die Zeit unseres Lebens währt siebzig Jahre, wenn es hochkommt, achtzig. Das Beste daran ist nur Mühsal und Verhängnis, schnell geht es vorbei, wir fliegen dahin." (Ps 90,10)
Ein Befund, dem man irgendwie ja zustimmen muss. Was tun wir nicht alles in dieser Welt: Um uns zu ernähren mühen wir uns, um Wohlstand aufzubauen, um Stellungen zu erreichen, Ansehen zu haben. Mit einem Schlag kann das vorbei sein. Wenn wir sterben, werden wir keinen Vorteil mehr haben von Vermögen, Reichtum oder Respekt. Alles sinnlos, scheint die Lesung dieses Sonntags also zu schreien. Man arbeitet und erarbeitet sich etwas und es kann geschehen, wie Kohelet feststellt, dass man den Besitz verliert. Alles umsonst, die unbezahlten Überstunden für die Katz. Windhauch eben.
Auch Jesus geht darauf ein, wir hören es im Evangelium. Dort ist von einem eigentlich gar nicht so blöden Mann die Rede. Er kann eine gute Ernte einfahren und baut dafür eine neue, größere Scheune. Schön für ihn, gut für die Familie. Aber: "Da sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast?" (Lk 12,20)
Ja tatsächlich: Was bleibt schon vom Menschen, wenn er gehen muss? Diese Frage gilt ja nicht nur in finanzieller Hinsicht. Wer erinnert sich schon an uns, an unseren Charakter, an unsere Liebenswürdigkeit, wenn wir nicht mehr sind? Wie lange dauert es, bis alle uns vergessen haben? Mit dieser - beinahe schon zur Verzweiflung führenden - Frage endet aber weder Kohelet noch Jesus Christus. Denn sie haben ein Gegenbild: Kohelet betont das Leben im Augenblick. Wer nicht immer hortet, sammelt und strebt, ist frei, den Augenblick zu genießen. "Carpe Diem - Nutze den Tag", formuliert der lateinische Dichter Horaz.
Und Jesus erwähnt einen anderen Schatz, der nicht vergeblich gesammelt wird. Es ist der Schatz, der in den Augen Gottes zählt - und das sind nicht menschliche Errungenschaften der herkömmlichen Art. Die Schatzkammer Gottes ist ein Ort der Liebe, nicht des Geldes. So oft wie Jesus über das Geld, Almosen oder gelebte Nächstenliebe spricht, sind wir gefährdet, halb wegzuhören. Kennen wir doch alles schon. Aber diese Botschaft ist letztlich radikal: Sie dreht die Hierarchie unseres Lebens um. Sie ist eine wirkliche Herausforderung für christliches Leben. Es sollte uns nahegehen, was der Herr im Gleichnis formuliert. Welcher Mensch wären wir denn - doch wohl der Bauer, der eine neue, größere Scheune baut. Der Kommentar Jesu: "Du Narr!"