News Bild „document niedermünster“ – Erlebnisort 2000-jähriger Kulturgeschichte

„document niedermünster“ – Erlebnisort 2000-jähriger Kulturgeschichte

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Am Mittwoch, 20. Juli 2011 eröffnen Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller und Dompropst Dr. Wilhelm Gegenfurtner nach einer umfassenden Restaurierung das „document niedermünster“.

Mit dem „document niedermünster“ wird ein einzigartiges Geschichtsdokument auf rund 600 Quadratmetern neu präsentiert und in aktuellster 3D-Technik sowie mit einem innovativen Lichtkonzept museumspädagogisch erschlossen. Die archäologischen Ausgrabungen unter der Dompfarrkirche Niedermünster geben mit dem Einsatz neuester visueller Vermittlungsmethoden die Möglichkeit, Erbe und Geschichte für Schüler und Erwachsene optimal ergeh- und erlebbar zu machen. Die steinernen Zeugnisse reichen zurück bis zu den Mannschaftsbaracken des 179 n. Chr. errichteten Militärlagers der 3. Italischen Legion und schlagen somit beim Gang durch 600 historische Quadratmeter eine Brücke über fast 2000 Jahre europäischer Kulturgeschichte.

Der Besucher bewegt sich überwiegend in den Baugruben des erhaltenen romanischen Kirchenbaus. Eindrucksvoll vermittelt das Untergeschoss das Anwachsen historischer Schichten und Bauten auf fünf Meter Mächtigkeit.
Wissenschaftlich exakt und bis ins Detail aufwändig erarbeitete, animierte Computersimulationen veranschaulichen den Wandel der Bebauung in den Epochen. Virtuell erstehen in der fotorealistischen, dreidimensionalen Rekonstruktion an drei verschiedenen Stationen des Rundgangs aus den Originalbefunden das römische Regensburg mit dem Lager für die 6000 Mann starke dritte italische Legion mit dem Blick hinter die 2000 Meter lange Mauer mit ihren 22 Türmen, der erste sakral genutzte Bau aus dem römischen Steinmaterial sowie die Kirchenbauten der Karolingerzeit und der Ottonik. Der Zuschauer kann sich ein Bild machen – die mittelalterlichen Kirchen optisch betreten, die Ausstattung betrachten, die Herzogsgräber sowie die Grabstelle des Hl. Erhard besuchen, denen er gleichzeitig beim realen Gang durch die Ausgrabungen gegenübersteht. Die Zerstörung von Gebäuden durch Krieg und Brände sowie die neuen Aufbauten aus den Ruinenlandschaften durch Soldaten, Herrscher, Bewohner und Geistliche werden plastisch vor Augen geführt, Geschichte wird lebendig.

Hauptakzent des attraktiven Präsentationskonzepts ist eine innovative Beleuchtung, die den Besucher mit verschiedenen Farbtönen (Einsatz von energiesparenden LEDs) durch die Jahrhunderte führt. Das farborientierte Lichtkonzept, das erstmals für das document niedermünster erarbeitet wird, gibt ihm eine Leitlinie, die das jeweils Dargestellte und das original zu Sehende in Zeit und Raum verortet. Aus dem „Dunkel der Geschichte“ tauchen jeweils die steinernen Zeugnisse auf, die der Führer in Worten vorstellt. So kann der Besucher sich, ohne von den Bebauungsresten anderer Gebäude und Epochen abgelenkt zu sein, auf die archäologischen Befunde des beschriebenen Bauwerks konzentrieren, sie einordnen und es in seiner Phantasie neu erstehen lassen.

An jeder Station unterstützt ihn dabei eine Schautafel mit einem perspektivischen Ausschnitt aus der 3D-Rekonstruktion der historischen Gebäude mit den wichtigsten Daten zu Zeit, Bau und Personen. An der Wand skizziert, gibt ihm eine Darstellung der verschiedenen Straßenniveaus durch die Geschichte einen Eindruck davon, auf welcher Ebene sich die Vorfahren bewegten. Graphisch akzentuiert werden besondere Orte auf den ersten Blick hervorgehoben. Der Friedhof, auf dem die ersten Regensburger bestattet wurden, soll dabei nicht nur als historischer Ort, sondern auch als nach wie vor würdige Begräbnisstätte ins Bewusstsein gerückt werden.

Die respektvolle Begegnung steht auch bei den Gräbern der bayerischen Herzogsfamilie im Mittel¬punkt. Diese ottonischen Begräbnisorte und -situationen wurden bei der Neukonzeption nahezu originalgetreu wiederhergestellt. Herzog Heinrich I., ein Bruder Ottos des Großen, und seine Frau Judith hatten im 10. Jahrhundert die Neuerrichtung von Kirche und Stift Niedermünster veranlasst und wurden in Kalksteinsarkophagen vor dem Hauptchor beigesetzt. Daneben fand ein weiteres Familienmitglied in einem zweitverwendeten römischen Sarkophag seine letzte Ruhe. Eine graphisch dargestellte Genealogie auf der Wandbreite über der herzoglichen Familiengrablege ermöglicht dem Besucher schnell die Einordnung der historischen Persönlichkeiten.

Das Grab der Herzogin Gisela, Schwiegertochter Heinrichs und Judiths, die Ehefrau von deren Sohn Heinrich II., des Zänkers, wird durch eine besondere Installation hervorgehoben. In einem hinterleuchteten Hologramm wird über der Grabnische schwebend das wertvolle Giselakreuz in Originalgröße sichtbar. Die ungarische Königin Gisela, Schwester des Herzogs Heinrich IV., der Deutscher König wurde, hatte das mit Goldblech verkleidete und mit Perlen und Edelsteinen besetzte Kreuz für das Grab ihrer verstorbenen Mutter gestiftet. Seit der Säkularisation befindet es sich in der Schatzkammer der Münchner Residenz.

Die archäologische Ausgrabungsstätte ist die größte ihrer Art in einem sakralen Gebäude in Bayern und dokumentiert Siedlungskontinuität vom 2. bis 12. Jahrhundert. Sie ist in ihrer Art einzigartig, da sich durch die gleichzeitige Ablesbarkeit der aufeinander aufbauenden Schichten auf kleinstem Raum jedem Besucher die historische Entwicklung erschließt. Damit ist es im wahrsten Sinne ein „Dokument“ der wichtigsten Epochen der bayerischen und Regensburger Geschichte, das durch ein modernes museumspädagogisches Konzept mit dem Einsatz multimedialer Präsentationsformen geöffnet wird. Vielfältige Angebote von Perspektiven ergänzen sich und ermöglichen jedem Besucher einen individuellen Zugang zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen von den Stätten, die das Fundament für das heutige Stadtbild geschaffen haben.

Die Restaurierung des „documents niedermünster“ mit Gesamtkosten von 685.000 € wurde gefördert von (alphabetisch): Bayerische Landesstiftung, Bayerische Sparkassenstiftung, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Investitionsprogramm nationale UNESCO-Welterbestätten, Landesstelle für nichtstaatliche Museen und die Stadt Regensburg.

Das Restaurierungsprojekt wurde getragen vom Domkapitel Regensburg, das auch in Zukunft das „document niedermünster“ unterhalten und mit Führungen der Öffentlichkeit zugänglich machen wird. Die Maßnahme wurde fachlich begleitet vom Eigentümer der Niedermünsterkirche, vertreten durch das Staatl. Bauamt Regensburg, dem Landesamt für Denkmalschutz, der Landesstelle für nichtstaatliche Museen und den Fachabteilungen des Bistums Regensburg Baureferat, Diözesanmuseum, Domkapitel’sche Stiftungsverwaltung und Bischöfliches Zentralarchiv.



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