Die Kirche von Regensburg gedenkt Bischof Dr. Rudolf Grabers - „Unbestechlich gegenüber der scheinbaren Allmacht des Zeitgeistes“
(pdr) Vor 18 Jahren, am 31. Januar 1992, starb der Regensburger Bischof Dr. Rudolf Graber, der dem Bistum von 1962 bis 1982 vorstand. An jedem Todestag gedenkt die Kirche von Regensburg Bischof Grabers, der sie mit festem Glauben durch unruhige Zeiten führte; so auch an diesem Sonntag. Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller feierte anlässlich des Todestags seines Vorvorgängers ein Pontifikalamt im vollbesetzten Hohen Dom St. Peter in Regensburg, das die Regensburger Domspatzen auf höchstem musikalischen Niveau gestalteten.
Bischof Gerhard Ludwig Müller hob die Unbestechlichkeit von Bischof Graber gegenüber der scheinbaren Allmacht des Zeitgeistes hervor. Bereits der Apostel Paulus habe gewarnt, es werde eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern sich nach eigenen Wünschen immer neue Lehrer sucht, die den Ohren schmeicheln. Bischof Gerhard Ludwig nannte Bischof Rudolf Graber ein Vorbild, weil er die gottfeindlichen und menschenverachtenden politischen und weltanschaulichen Ideologien seiner Zeit durchschaut habe und wie das Gottesvolk trockenen Fußes durch das „gewaltige Meer der Verführung hindurchgeschritten“ sei.
Schon als Jugendseelsorger, Domprediger und Theologieprofessor im Bistum Eichstätt war Rudolf Graber im weltanschaulichen Kampf um die Würde des Menschen in Gegensatz geraten zum triumphierenden Nationalsozialismus, der dem Christentum gegenüber mit seiner „Fortschrittlichkeit“ und „Modernität“ prahlte. Damals habe es geheißen, die Jugend und die Zukunft würden der braunen Gesinnungspartei gehören. Man müsse nur die Kirche mit ihren mittelalterlichen Moralvorstellungen aus dem Wege räumen. Dem Menschen allein gehöre die Zukunft, habe es aus den Lautsprechern der totalitären Staatspropaganda getönt, nicht aber Gott, in dessen Auftrag die Kirche ihren Dienst am Menschen, gerade auch an den Schwachen, Verachteten und Verfolgten tut.
Bischof Gerhard Ludwig erinnerte daran, dass Eichstätt, Ort des akademischen Wirkens von Rudolf Graber, wegen seines klaren katholischen Bekenntnisses eine uneinnehmbare Bastion der Humanität gegen den Nationalsozialismus war. Dort auch wirkte der mutige Bischof Konrad Graf von Preysing, der spätere Bischof und Kardinal von Berlin.
Nach Kriegsende habe Graber die Würde des Menschen als vom nicht weniger gefährlichen schleichenden Gift des praktischen Materialismus bedroht erkannt. Dieser Materialismus zeige sich heute im selbstbezogenen Lebensgenuss, dem es letztlich um die Beherrschung und Korrumpierung des Menschen gehe. „Hier ist der eigentliche weltanschauliche Gegner des Christentums in der Gegenwart zu suchen!“
Wie zu Zeiten der nationalsozialistischen und kommunistischen Diktatur würden auch heute alte atheistische Parolen gegen die Kirche wiederholt, sagte der Bischof. Die Kirche werde mit den Begriffen konservativ, reaktionär oder fundamentalistisch abqualifiziert. Sie sei auf dem Rückzug und komme bei der Jugend nicht an, weil sie veraltete sittliche Werte vertrete.
Ein katholischer Bischof wie Rudolf Graber könne nur die Wahrheit wählen, die zwar nicht den Ohren schmeichelt, die aber den Menschen frei macht vom Druck der Gleichschaltung des Denkens, erklärte Bischof Gerhard Ludwig weiter.
Rudolf Graber wurde 1903 geboren und wuchs in Nürnberg auf. Er studierte in Eichstätt und Innsbruck. 1926 wurde er zum Priester geweiht. Johannes XXIII. ernannte ihn 1962 zum Bischof von Regensburg.
Die Predigt von Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller im Wortlaut:
Am 31. Januar des Jahres 1992 wurde Rudolf Graber, mein Vor-Vorgänger auf dem bischöflichen Stuhl des hl. Wolfgang heimgerufen in das ewige Reich Gottes, wo wir ausruhen von unseren Mühen und uns in Ewigkeit an SEINER Liebe erfreuen. Es ist eine alte Tradition, dass die Kirche von Regensburg in der Kathedrale sich am Todestag ihres zuletzt verstorbenen Oberhirten zu Gebet und Gedenken versammelt.
Heute fällt dieser Gedenktag auf den 4. Sonntag im Jahreskreis, so dass wir in einer großen gottesdienstlichen Gemeinschaft das eucharistische Opfer für ihn und mit ihm feiern können in der Gemeinschaft aller Heiligen Gottes. Denn in jeder hl. Messe bringt sich Jesus Christus als der Hohepriester des neuen und ewigen Bundes Gott, dem Vater, als Opfer dar. Auf sakramentale Weise, d.h. zeichenhaft aber wirklich, wird uns die Erlösung zuteil, die Jesus einst auf dem Altar des Kreuzes ein für allemal gewirkt hat. Darin vereint er auch alle Glieder der Kirche, nämlich die Glaubenden und Getauften, die früher zur pilgernden Kirche gehört haben und jene, die jetzt zu ihr gehören. Die himmlische Kirche der Vollendeten und die pilgernde Kirche der Glaubenden bilden in Christus eine Gemeinschaft, die die Grenzen von Raum und Zeit überwindet.
Wir dürfen uns, solange wir noch auf Erden den Weg des Glaubens gehen, dem Gebet der im Himmel schon vollendeten Brüder und Schwestern anempfehlen und sie um die Hilfe ihres fürbittenden Gebetes bei Gott anrufen.
Eine wesentliche Hilfe der Heiligen des Himmels besteht aber auch in ihren Vorbild. Darum rufen wir uns ihren Lebensweg in Erinnerung, damit wir Parallelen in unserem Leben entdecken. So lernen wir von ihnen, und nehmen an den Heiligen Maß, damit unser Glaube vermehrt, unsere Hoffnung gestärkt und unsere Liebe zu Gott und zum Nächsten neu entzündet wird.
Es würde jedoch in dieser Predigt zu weit führen, wollten wir nun den ganzen Lebenslauf von Bischof Rudolf Graber darstellen. Auf der Homepage des Bistums Regensburg findet man unter seinem Namen eine ausgezeichnete Würdigung von Leben und Werk des Verstorbenen, die Prälat Emmeram Ritter verfasst hat.
Hervorheben möchte ich jedoch eine seiner Eigenschaften, die zu allen Zeiten, gerade aber auch in der Gegenwart aktuell ist und besonders einen Hirten der Kirche und Nachfolger der Apostel auszeichnet: die Nichtverführbarkeit oder Unbestechlichkeit, was die scheinbare Allmacht des Zeitgeistes angeht.
Der Apostel Paulus gibt seinem Schüler und Mitarbeiter im apostolischen Dienst die Mahnung mit auf den Weg, die für jeden Bischof und jeden Christen im Dienste der Verkündigung der innere Kompass sein muss: „Ich beschwöre dich bei Gott und bei Christus Jesus, dem kommenden Richter der Lebenden und der Toten, bei seinem Erscheinen und bei seinem Reich: Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung. Denn es wird eine Zeit kommen, in der man die gesunde Lehre nicht erträgt, sondern sich nach eigenen Wünschen immer neue Lehrer sucht, die den Ohren schmeicheln; und man wird der Wahrheit nicht mehr Gehör schenken, sondern sich Fabeleien zuwenden. Du aber sei in allem nüchtern, ertrage das Leiden, verkünde das Evangelium, erfülle treu deinen Dienst“ (2 Tim 4,1-5).
Als Jugendseelsorger, Domprediger und Theologieprofessor geriet Rudolf Graber im weltanschaulichen Kampf um die Würde des Menschen in Gegensatz zum triumphierenden Nationalsozialismus, der dem Christentum gegenüber mit seiner Fortschrittlichkeit und Modernität prahlte. Jugend und Zukunft würden der braunen Gesinnungspartei gehören und man müsse die Kirche mit ihren mittelalterlichen Moralvorstellungen aus den Weg räumen. Uns allein, dem Menschen, gehört die Zukunft – so tönte es aus den Lautsprechern einer totalitären Staatspropaganda – nicht aber Gott, in dessen Auftrag die Kirche ihren Dienst am Menschen, gerade auch an den Schwachen, Verachteten und Verfolgten tut.
Eichstätt, der Ort des akademischen Wirkens von Rudolf Graber, mit seinem mutigen Bischof Konrad Graf von Preysing, dem späteren Bischof und Kardinal in Berlin, war mit einem klaren katholischen Bekenntnis eine uneinnehmbare Bastion des Gottesglaubens und der Humanität gegen den Nationalsozialismus. Die Kirche ist im Namen Gottes – damals wie heute – Anwältin des Menschen: seiner Würde, seiner Freiheit und seiner göttliche Berufung zum ewigen Leben.
Nach Kriegsende aber sah Rudolf Graber die Würde des Menschen von einem entgegengesetzten Gift bedroht: dem schleichenden Gift des praktischen Materialismus, das aber nicht weniger gefährlich ist. Es beschleicht den Menschen in der Pose des Verführers: Alle Annehmlichkeiten der Welt und eines selbstbezogenen Lebensgenusses will ich dir geben, wenn du die vergängliche Welt für die letzte Orientierung hältst, nicht aber den lebendigen Gott, dem allein Anbetung, Gehorsam und Liebe gebührt.
Der Lebensphilosophie eines bloß sinnlichen Genusses von Sex, Geld und Macht nach dem Motto „Lasst uns heute das Leben genießen, denn morgen sind wir tot“ geht es letztlich nur um die Beherrschung und Korrumpierung des Menschen. Hier ist der eigentliche weltanschauliche Gegner des Christentums in der Gegenwart zu suchen! Die Existenz Gottes wird nicht direkt geleugnet; vielmehr traut ein verzweifelter Nihilismus Gott nicht die Macht zu, am Ende denen, die ihn lieben, alles zum Besten gereichen zu lassen (vgl. Röm 8). Sogar Menschen, die nominell zur Kirche gehören, die das Geschenk der Taufe, die Gnade des Glaubens und der Hoffnung erhalten haben, zweifeln an Gott und verzweifeln an sich selbst und der Erlösbarkeit des Menschen. Auch heute – wie zu Zeiten der nationalsozialistischen und kommunistischen Diktatur – werden alte atheistische Parolen gegen die Kirche wiederholt: Die Kirche sei konservativ, reaktionär, gar fundamentalistisch; sie sei auf dem Rückzug und komme bei der Jugend nicht an, weil sie veraltete sittliche Werte vertrete etc.
Wie aber sieht die „schöne neue Welt ohne Gott“ denn aus? Sind die negativen Folgen eines Lebens „als ob es Gott nicht gäbe“ nicht ein Beweis gegen den praktischen und theoretischen Atheismus? Um des Menschen und seines wahren Glücks in Gott willen setzte sich Bischof Rudolf Graber geistigen und sittlichen Verfallserscheinungen in der Gesellschaft und der Müdigkeit und Resignation innerhalb der Kirche entgegen.
Wer wirklich Zivilcourage aufbringt, kann nicht damit rechnen, dass ihm vernünftige Argumente entgegenhalten werden; vielmehr begegnet er persönlicher Diffamierung und Herabsetzung. Die Meinungsführer unserer Tage üben ihre Herrschaft mit „Zuckerbrot und Peitsche“ aus. Wer sich mainstream-konform verhält, wird gelobt und – wie man in den Medien sagt – „aufgebaut“. Wer aber unbequeme Wahrheiten verkündet oder sich gar der totalen Einheitsmeinung entzieht, der wird zum Feindbild und als Mensch von gestern oder gar aus dem Mittelalter abgestempelt.
Ein katholischer Bischof wie Rudolf Graber kann nur die Wahrheit wählen, die zwar nicht den Ohren schmeichelt, die aber den Menschen frei macht vom Druck der Gleichschaltung des Denkens, von der Diktatur der Ideologie eines „Menschseins ohne Gott“ und damit des Zweifels an der Vollendung des Menschen im Leben und in der Liebe Gottes.
Rudolf Graber ist uns ein Vorbild, weil er die gottfeindlichen und menschenverachtenden politischen und weltanschaulichen Ideologien seiner Zeit durchschaut hat und wie das Gottesvolk trockenen Fußes durch dieses gewaltige Meer der Verführung hindurchgeschritten ist, das sich rechts und links wie hohe Mauern aufgetürmt hat und uns auch heute in Schrecken versetzen kann, wenn wir nicht unser ganzes Vertrauen in Gottes Macht und erlösende Liebe setzen.
Ein Bischof ist immer auch der Prophet, der Gottes Wahrheit gelegen und ungelegen verkündet. So wie im Buch Jeremia, aus dem wir in der ersten Lesung von der Berufung des Propheten gehört haben, ergeht das Wort an den Bischof als Diener des WORTES und so auch an die ganze Kirche Gottes: „Tritt vor sie hin, und verkünde ihnen alles, was ich dir auftrage. Erschrick nicht vor ihnen (...) Ich selbst mache dich heute zur befestigten Stadt, zur eisernen Säule und zur ehernen Mauer gegen das ganze Land (...) Mögen sie dich bekämpfen, sie werden dich nicht bezwingen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten – Spruch des Herrn“ (Jer 1,17ff.).
Bischof Rudolf Graber war ein Prophet und Diener des Heils von Gott her. Sein bischöflicher Wahlspruch lautete: „In Liebe dienen“.