News Bild „Die Kirche kann sich nicht neu erfinden. Sie ist keine Erfindung der Menschen“ – Bischof Dr. Voderholzer weist die Instrumentalisierung des Missbrauchs zurück

„Die Kirche kann sich nicht neu erfinden. Sie ist keine Erfindung der Menschen“ – Bischof Dr. Voderholzer weist die Instrumentalisierung des Missbrauchs zurück

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Anlässlich der Weihe von Dr. Rudolf Voderholzer zum Bischof vor sechs Jahren ist am Sonntagnachmittag im Hohen Dom St. Peter in Regensburg eine Pontifikalvesper gefeiert worden, der der Regensburger Bischof vorstand. Im Beisein der Weihbischöfe Reinhard Pappenberger und Dr. Josef Graf, des Domkapitels sowie von Vertretern der Stiftskapitel, zahlreicher Priester und Diakone sowie vieler gläubiger Menschen gestalteten die Regensburger Domspatzen den Vespergottesdienst auf höchstem Niveau. Dr. Voderholzer war am 26. Januar 2013 im Regensburger Dom zum Bischof geweiht worden. Er erinnerte daran, dass Hauptkonsekrator Kardinal Reinhard Marx damals erst dann die Weihehandlung komplett vollzogen habe, nachdem Dr. Voderholzer versprochen hatte, als Bischof das Evangelium unverfälscht weiterzugeben.

In seiner Predigt am Sonntagnachmittag nun wies Bischof Dr. Voderholzer genau in diesem Sinne die öffentlich vorgetragene Aufforderung zurück, die Kirche solle sich angesichts der Erschütterungen in jüngster Zeit „neu erfinden“: „Nein. Die Kirche muss sich nicht neu erfinden. Die Kirche kann sich nicht neu erfinden. Schon die alte Kirche hat sich nicht neu erfunden. Die Kirche ist keine Erfindung der Menschen“, stellte der Regensburger Bischof fest. Die Kirche sei ein Projekt Gottes wegen der Sündhaftigkeit und trotz der Sündhaftigkeit der Menschen. Gott selbst findet und beruft den Menschen, nicht der Mensch Gott. Statt Kirche neu erfinden zu wollen, gehe es jetzt vielmehr darum, neue Wege der Verkündigung, der Pastoral und der Nächstenliebe zu finden.

Die Vorstellung, die Kirche müsse sich neu erfinden, sei reißerisch. Die Rede, die Kirche befinde sich in einer Zeitenwende, sei gefährlich. Gemäß der christlichen Glaubenssauffassung gibt es nur eine Zeitenwende: die Zeitenwende, die Jesus Christus heraufgeführt hat. Bischof Dr. Voderholzer warnte davor, den apostolischen Ursprung der Kirche zu verdunkeln. Die Kirche auf den Aspekt ihrer Organisation zu verkürzen führe über kurz oder lang zur Spaltung. Ob man sich in einer Epochenwende befindet, könne immer erst in der Rückschau festgestellt werden. So sei der heilige Franziskus alleine angetreten, um treu dem Evangelium zu leben. Dem heiligen Ignatius sei es darum gegangen, alles zur größeren Ehre Gottes zu tun. Die Konsequenzen davon seien allerdings epochal gewesen.

Mit Blick auf eine Veröffentlichung dieser Tage sagte der Bischof: „Es kann nicht angehen, dass der ganze Klerus unter Generalverdacht gestellt wird.“ Auch sprach sich Bischof Dr. Voderholzer vehement gegen die Aussage aus, dass das Problem „hausgemacht“ sei. Das sei eine doppelte Unterstellung. Außerdem stehe dies in einem offensichtlichen Widerspruch zu den gültigen Rechtsgrundsätzen. Denn es gilt die Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils. Die pauschale Verdächtigung sei Ausdruck dafür, dass der Missbrauch dazu instrumentalisiert werde, um eine andere Kirche zu konstruieren.

Bischof Voderholzer erklärte sich als „absolut angewiesen auf das Mitdenken und Mitfühlen“ der Menschen in der Diözese. Allein in einer Woche oder auch nur an einem einzigen Tag erlebe der Bischof seine Ohnmacht und gleichzeitig das Angewiesensein auf seine „wunderbaren Mitarbeiter“. „Ich komme immer wieder gerne zurück nach Regensburg, wenn ich weit außerhalb unterwegs war“, versicherte der Regensburger Bischof mehrmals.

Im Anschluss an den Gottesdienst fand im Kolpinghaus Regensburg ein Festakt statt, bei dem Bischof Voderholzer fünf Laienchristen mit der Wolfgangsmedaille ehrte. Auch erhielten sieben verdiente Pfarrer den Ehrentitel „Bischöflicher Geistlicher Rat“ verliehen. Generalvikar Michael Fuchs gratulierte Bischof Dr. Voderholzer im Namen der Anwesenden zu seiner Weihe sechs Jahre zuvor. Er drückte große Dankbarkeit für zahlreiche Initiativen aus, von denen er allein die Regensburger Sonntagsbibel und die Hervorhebung der Krippen nannte. „Wir sind dankbar, dass Sie um das Woher und das Wohin der Kirche wissen“, erklärte der Generalvikar.

Teile der Kirche in Deutschland vergäßen, wofür die vielen entwickelten Methoden und Instrumente da seien. Bischof Dr. Voderholzer aber lebe die prägende Kraft des Evangeliums. Dies verdeutlichte Generalvikar Fuchs mit Hinweis auf die jüngsten Aussagen des Regensburger Bischofs zum Thema des christlichen Abendlandes.

Den Titel Bischöflicher Geistlicher Rat erhielten:

Pfarrer Horst Wagner, Regensburg-St. Paul/St. Josef Ziegetsdorf
Pfarrer Thomas Kratzer, Landshut-St. Konrad
Pfarrer Johann Rahm, Aiterhofern
Pfarrer Wolfgang Stowasser, Altmannstein/Hagenhill/Tettwang
Pfarrer Joseph Kata, Arnschwang
Pfarrer Helmut Brügel, Burglengenfeld-St. Josef/Dietldorf
Pater Benedikt Leitmayr, Konnersreuth


Mit der Wolfgangsmedaille geehrt wurden:

Gerd Sommer,  Landshut-St. Margaret
Gertrud Pledl,  Plattling-St. Magdalena
Ursula Brandlmeier,  Neustadt/Donau
Heinrich Kurzendorfer,  Waldmünchen
Dr. Annemarie Schraml,  Waldsassen

<link file:28566 _blank download file>Predigt zur Vesper am Sonntag, 27. Januar 2019 im Dom zu Regensburg anlässlich des Jahrestages meiner Bischofsweihe

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt Weihbischof Reinhard und Josef,
Lieber Herr Generalvikar,
Liebe Mitbrüder im Priester- und Diakonenamt,
vor allem liebe Mitglieder des Domkapitels mit Herrn Dompropst Dr. Frühmorgen und Domdekan Neumüller,
und liebe Mitglieder der Regensburger Stiftskapitel,
liebe, ehrwürdige Schwestern,
liebe Vertreterinnen und Vertreter der kirchlichen Vereine und Verbände, die Sie gekommen sind mit Ihren Fahnen und Bannern,

liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

„Bist Du bereit, das Evangelium Christi treu und unermüdlich zu verkünden?“

„Bist Du bereit, das von den Aposteln überlieferte Glaubensgut, das immer und überall in der Kirche bewahrt wurde, rein und unverkürzt weiterzugeben?“

Diese und eine ganze Reihe weiterer Fragen stellte mir gestern vor sechs Jahren der Metropolit der Münchener Kirchenprovinz, Erzbischof Kardinal Marx hier im Regensburger Dom. Erst als ich sie mit meiner Bereitschaft positiv beantwortete, legte er mir die Hände zur Bischofsweihe auf, betete das Weihegebet und übergab mir die Zeichen der bischöflichen Verantwortung.

Es war der 26. Januar, der Gedenktag der Apostelschüler Timotheus und Titus, wo wir in der Lesung die Mahnung des heiligen Paulus an seinen Schüler Timotheus hören:

„Entfache die Gnade neu, die Dir durch Gebet und Handauflegung zuteilwurde.“ (2 Tim 1,6) Sie haben mich gestern wieder neu ins Herz getroffen, da wir in der Kirche mit heftigen Erschütterungen zu kämpfen haben, die den Bischof besonders herausfordern.

Die Kirche müsse sich „neu erfinden“, lautet ein Ratschlag von prominenter Seite, eine Aufforderung angesichts der Turbulenzen. Ich kann darauf nur sagen: Nein, die Kirche muss sich nicht neu erfinden, die Kirche kann sich gar nicht neu erfinden, weil sie sich auch schon „alt“ nicht selbst erfunden hat. Die Kirche ist keine Erfindung der Menschen, sondern das Projekt Gottes, das er - auch wegen unserer Sündhaftigkeit - begonnen hat und trotz dieser durchträgt durch die Zeiten! Sie ist das von Gott selbst berufene Gottesvolk, das neue Israel, das sich immer wieder neu von Christus selbst in der Feier der Eucharistie als Leib Christi empfängt. „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“ (Joh 15,16), sagt der Herr im Abendmahlssaal zu seinen Jüngern, und darum gilt auch: „nicht ihr habt euch erfunden, sondern ich habe euch erfunden“.

Dabei ist unstrittig, dass wir auf manchen Feldern auch neue Wege brauchen, neue Wege der Verkündigung, neue Wege der tätigen Nächstenliebe, neue Wege der Pastoral. Diese Selbstverständlichkeit hat aber mit Neu-Erfindung der Kirche nichts zu tun, sondern mit mühsamem Hinschauen, mit gemeinsamem Nachdenken, vertrauensvollem Beten und bedachtem Nach-Vorne-Gehen auf dem Fundament, das gelegt ist: bezeugt in der Heiligen Schrift und in der Tradition der Kirche.

Die Rede vom Neu-Erfinden ist reißerisch-oberflächlich, die Rede von der „Zeitenwende“, vor der wir stehen oder in der wir uns angeblich befinden, ist gefährlich.

Nach christlicher Geschichtsauffassung gibt es nur eine Zeitenwende. Sie ist durch die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus heraufgeführt worden. Und seither steht die vom Pfingstgeist erfüllte und geführte Kirche im Ringen zwischen Licht und Finsternis.

Die Rede von einem „Neustart“ oder einer epochalen Wende ist gefährlich, nicht nur weil sie die Kontinuität der Kirche mit ihrem apostolischen Ursprung zu verdunkeln droht, sondern vor allem auch deshalb, weil sie nur menschlich-organisatorisch gedacht ist und so zu großer Frustration und Enttäuschung führen kann, nicht zuletzt auch zu Unfrieden und Spaltung.

Ob eine Epochenwende sich ereignet hat, kann immer nur aus der Rückschau erkannt werden. Ein heiliger Franziskus jedenfalls ist nicht angetreten, um eine Epochenwende heraufzuführen, sondern das Evangelium möglichst wörtlich und treu zu leben. Und ein heiliger Ignatius wollte nicht eine neue Zeitepoche eröffnen, sondern „alles zur größeren Ehre Gottes“ tun. Das aber hatte geradezu epochale Konsequenzen.

Die Kirche muss sich nicht neu erfinden, die Glieder der Kirche aber, allen voran die zum apostolischen Dienst Bestellten, müssen sich immer wieder neu bekehren, zum Herrn hin.

Dass es Versagen und Sünde gibt in der Kirche, dass es Unzulänglichkeiten gibt, dass es ein Missverhältnis gibt zwischen hoher Berufung und persönlicher Erbärmlichkeit, weiß die Kirche vom ersten Tag ihrer Existenz an!

Besonders vom Markusevangelisten werden die Jünger angesichts ihrer Karrieregedanken geradezu vorgeführt (vgl. Mk 10,35-45). Petrus, der erste der Apostel, hat Jesus am Karfreitag drei Mal verleugnet. Paulus weiß, dass wir den Schatz der Gnade in zerbrechlichen Gefäßen tragen (2 Kor 4,7). Und trotzdem vertraut der Herr seine Sendung diesen schwachen Menschen an.

Sakramentalität der Kirche heißt: die Kirche ist Zeichen, ist Werkzeug. Die Erlösung, die Rettung kommt von außen, vom Herrn her. Die Sakramente der Kirche vermitteln die Gemeinschaft mit Gott nicht aufgrund der theologischen Bildung des Priesters, sondern weil der Herr selbst ihn durch Gebet und Handauflegung des Bischofs in Dienst genommen hat und durch ihn wirkt in der Kraft des Geistes. Diese seine Vollmacht ist nicht sein Besitz, sondern reine Gabe für Andere.

Das Lukasevangelium überliefert uns die Worte Jesu an Petrus: „Wenn du dich bekehrt haben wirst, dann stärke Deine Brüder!“ (Lk 22,32). Dann stärke Deine Brüder und Schwestern! Damit ist eine Hauptaufgabe nicht nur für den heiligen Petrus und seine Nachfolger, sondern auch für jeden Bischof genannt.

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

In den nächsten Tagen wird ein Buch, ein Sammelband mit Beiträgen mehrerer Autorinnen und Autoren zur aktuellen Debatte um den Umgang mit der Missbrauchsstudie erscheinen, dessen Inhalt mir schon zur Kenntnis gebracht wurde. Dort wird mein Hirtenbrief vom September letzten Jahres – damals die unmittelbare Reaktion auf die Veröffentlichung der MHG-Studie – einer eingehenden Würdigung unterzogen und in wichtigen Punkten kritisiert.

Vor allem wird meiner Aussage widersprochen, dass es nicht angehe, den ganzen Klerus, der in überwältigender Mehrzahl seine Arbeit gut macht und unbescholten ist, unter Generalverdacht zu stellen. Wörtlich schreibt eine Autorin: „Doch. Es gibt ihn.“ Es gibt den Grund für einen Generalverdacht. Und das Problem sei hausgemacht, bis die Aufarbeitung des Geschehens nicht glaubwürdige Züge annimmt.

Angesichts dieser doppelten pauschalen Unterstellung kann ich nur verwundert den Kopf schütteln.

Es ist ein offenkundiger Widerspruch gegen den gesunden Menschenverstand und gegen alle bewährten und gültigen Rechtsgrundsätze, wonach für jeden Menschen bis zum Erweis der Schuld die Unschuldsvermutung gilt, nicht umgekehrt. Außerdem habe ich in den vielen Gesprächen mit Betroffenen die Einsicht gewonnen, dass nur eine ordentliche und belastbare Aufarbeitung den Geschädigten wirklich hilft. Wenn also in dem oben genannten Buch der ganze Klerus pauschal verdächtigt wird, muss ich dahinter andere Absichten vermuten: Der Missbrauch wird – ohne wirkliche Rücksicht auf Betroffene und Verdächtigte - instrumentalisiert, um endlich das lange gehegte Vorhaben der Konstruktion einer anderen Kirche zu verfolgen.

Und tatsächlich, wenn man dann weitere Beiträge in dem Buch liest, dann sieht man, wie nicht nur die sakramentale Struktur, das sakramentale Wesen der Kirche und ihre Gründung im Stiftungswillen Christi infrage gestellt werden, sondern sogar die Offenbarung Gottes als unaufgebbarer Bezugspunkt für alles kirchliche Handeln, als verbindliche Vor-Gabe für alle Theologie. Ich sage es Ihnen ehrlich: Wenn ich von dieser Seite als Verteidiger des überlieferten Glaubens der Kirche und somit als Gegner ausgemacht werde, dann empfinde ich das als Kompliment und als Bestätigung meiner Haltung; als Bestätigung gerade auch angesichts des Weihe-Versprechens, das mir der Erzbischof von München und Freising vor sechs Jahren abgenommen hat.

Und deswegen wiederhole ich mit Nachdruck: Priester und andere haben in den vergangenen Jahrzehnten schwere Schuld auf sich geladen. Dem müssen wir uns stellen. Aber die überwältigende Mehrheit der Priester hat ihre Arbeit gut gemacht und macht die Arbeit gut. Und wir sollten die positiven Entwicklungen, die neu gewonnene Opfersensibilität, auch die gelungene Aufarbeitung etwa hier in Regensburg bei den Regensburger Domspatzen sowie die offenkundig wirksame, freilich immer noch zu verbessernde Prävention nicht schlecht reden.

Die Kirche muss sich nicht neu erfinden, aber jeder Christ, die getauften und mehr noch die getauften und Geweihten, müssen sich bekehren, immer wieder neu. Nicht neue Strukturen, nicht eine von Menschen neu erfundene Kirche, sondern Heiligkeit, authentische Zeugenschaft sind notwendig.

„Und wenn Du Dich bekehrt haben wirst, dann stärke Deine Brüder.“

Die Ehrungen, liebe Schwestern und Brüder, die ich traditionell am Weihetag im Anschluss an die Vesper drüben dann im Kolpinghaus vornehmen darf, wollen ausdrücklich auch ein Dank und ein Zeichen der Stärkung sein in diesem Sinne, ein Zeichen der Stärkung für die Priester und Weltchristen.

Sie gelten Weltchristen, Frauen und Männern, die ehrenamtlich in der Welt mit ihren so vielfältigen Lebens- und Aufgabenbereichen sich segensreich für andere einsetzen und ein glaubwürdiges Zeugnis für Christus geben; sie gelten ebenso verdienten Pfarrern, die tagaus tagein und oft angesichts großer Belastungen treu ihren Dienst tun. Die Wolfgangs-Medaille einerseits und die Ernennung zum Bischöflichen Geistlichen Rat andererseits sind ein kleines Zeichen meiner Dankbarkeit und meiner Anerkennung für Ihr Engagement, und ich bitte Sie, dieses Zeichen auch in diesem Sinne anzunehmen.

Wenn wir jetzt das Magnifikat singen, uns das Danklied der Gottesmutter angesichts ihrer Erwählung, den Sohn Gottes zur Welt bringen zu dürfen, zu Eigen machen, dann verbinden wir damit auch die innige Bitte um ihre Fürsprache für die Kirche von Regensburg, Amen.



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