Buchvorstellung: "Die Regensburger Domspatzen im Nationalsozialismus
Das Buch "Die Regensburger Domspatzen im Nationalsozialismus. Singen zwischen Katholischer Kirche und NS-Staat", von Dr.phil. Roman Smolorz, bietet einen Einblick in das Innenleben der „Institution Regensburger Domchor“ in den Jahren 1933 bis 1945.
Umfassende Recherche im In- und Ausland
Der Analyse liegt eine erstmals durchgeführte umfassende Recherche in allen maßgeblichen Archiven im In- und Ausland zugrunde. Der Blick richtet sich neben Domkapellmeister Dr. Theobald Schrems und dem NS-Funktionär im Domchorverein, Dr. Martin Miederer, auf andere Personen, die damals bei den „Regensburger Domspatzen“ mitgewirkt haben und bisher weitgehend unbeachtet blieben. Auch die Rolle der Singknaben und deren Eltern wird beleuchtet. Gerade die Kinderperspektive wurde in diesem Kontext bisher eher vernachlässigt. Verantwortliche des Chors im „Dritten Reich“ waren nicht nur der Regensburger Bischof und sein Domkapitel, sondern über den gleichgeschalteten Domchorverein mittelbar auch die kommunale und staatliche NSDAP-Verwaltung. Das Verhältnis dieser „Machtzentren“ zueinander sowie ihr Einfluss auf die „Domspatzen“ wird ebenso geschildert wie die Rolle von Domkapellmeister Schrems, Leiter der Domspatzen von 1924 bis 1963, sowie die Motive seines Handelns.
5 Thesen der Domspatzen zur wissenschaftlichen Untersuchung "Die Regensburger Domspatzen im Nationalsozialismus"
Das Thema des Verhältnisses der Domspatzen zum Nationalsozialismus ist eine Frage nach den Handlungsspielräumen einer gleichzeitig kirchlichen und kulturellen Institution unter den Bedingungen einer totalitären Diktatur.
Durch den wirtschaftlichen Niedergang Deutschlands war auch die Tradition der Domspatzen gefährdet. Zu dieser Tradition gehört auch, dass die Domspatzen immer auch eine soziale Bildungseinrichtung waren, die Freiplätze für weniger begüterte Buben in der Dompräbende (Internat) finanzierte. Diese Tradition war gefährdet unter der wirtschaftlicher Depression nach dem ersten Weltkrieg. Diese Situation erklärt, warum die Domspatzen offen waren für Spenden, selbst wenn sie von Adolf Hitler stammten.
"Da der NS-Staat die katholische Kirche aus politischen Erwägungen nicht direkt angriff, sondern darauf hinwirkte, diese allmählich zu zersetzen, brachte es der Staat auch nicht dahin, einen nationalsozialistischen Vertreter unmittelbar im Chor zu installieren, sondern lediglich im Domchorverein, der ja keine Einrichtung der katholischen Kirche war." (S. 180 ff). Die Studie rückt den bisher wenig beachteten Vorsitzenden des Domchorvereins, den Nationalsozialisten Martin Miederer, in den Blick. Er vertrat die Interessen der Partei und des Staates und trieb überdies auch seine Karriere mithilfe des Domchores voran. Mit Miederer ist es gelungen, den Verein weitgehend gleichzuschalten. Miederer intrigierte gegen den Domchor, indem er Schrems als Vertreter der katholischen Kirche bei seinen Vorgesetzten, im Reichswissenschaftsministerium und bei den Spitzen der NSDAP in Berlin diffamierte.
Domkapellmeister Theobald Schrems war "zwar ein opportunistischer Spieler seiner Zeit. In letzter Konsequenz entschied er sich immerhin zugunsten der Kirche" (S.184). Schrems war grundsätzlich von zwei Interessen geleitet: Der Bau eines Musikgymnasiums und die Formung eines Spitzenchores, mit dem er berühmt werden wollte. Wenn er also die Rolle seines Chores verbessern konnte, war er wohl auch zu Kompromissen bereit.
Bischof Buchberger war im Konflikt derjenige, der die Position der von den Nationalsozialisten bekämpften Kirche vertrat. "Den Domchor als Propagandainstrument dem Dritten Reich völlig zu entziehen, wäre nur durch seine Auflösung gegangen." (S. 183) Diese radikale Lösung hat er nicht gewählt. Er hoffte, beide Ziele erreichen zu können: Einerseits den Domchor als kirchliche Institution zu erhalten und andererseits die Interessen der bedrängten Kirche zu schützen.