News Bild Brauchtum in Ostbayern: Seelenspitz und Seelenweckerl in der Allerseelenwoche

Brauchtum in Ostbayern: Seelenspitz und Seelenweckerl in der Allerseelenwoche

Vergelt's Gott für die Armen Seelen

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Regensburg, 30. Oktober 2024

Am 1. November feiert die katholische Kirche Allerheiligen. Allerheiligen ist ein alter katholischer Feiertag. Ursprünglich ist es das Fest für alle Märtyrer und Heiliggesprochenen. Bereits im 9. Jahrhundert legte Papst Gregor das Allerheiligenfest auf den 1. November. Im Jahr 998 wurde dann von Abt Odilo von Cluny Allerseelen, zusätzlich zum Allerheiligentag, als Gedenktag für alle Verstorbenen eingeführt. Heute hat Allerheiligen – als offizieller Feiertag – beide Funktionen übernommen. An diesem Tag treffen sich die Familien auf dem Friedhof, um der verstorbenen Angehörigen zu gedenken. Früher war auch die Woche vom 1. bis zum 8. November, die Allerseelenwoche, eine ganz besondere Zeit.

Seelenzöpfe für die Armen

Vor allem die Kinder freuten sich auf Allerseelen und Allerheiligen, denn in dieser Zeit bekamen sie von den Tauf- und Firmpaten die „Spitzln“ oder „Seelenweckerl“. Allein in der Oberpfalz gab es unzählige Arten, mancherorts hießen sie auch Godelwecken, Seelenspitz oder Seelenstriezel.

Auch Gebildbrote in Form von Hirschen, Hasen oder Hennen wurden gebacken und an die Patenkinder verteilt. Und wenn ein Bursche seinem Mädchen ein Spitzl brachte, dann galt das als Heiratsantrag. Wurde das Spitzl nicht angenommen, war es eine klare Absage. Einfache Seelenzöpfe verteilte man an die Armen, die früher an den Tagen um Allerseelen von Haus zu Haus zogen. Denn jedes Vergelt’s Gott für diese Spenden erlöst nach altem Glauben eine arme Seele aus dem Fegefeuer, so wie auch jedes verzehrte Seelenweckerl eine Seele befreit. Andernorts wurden Seelenwecken für die noch nicht erlösten Toten aufs Grab gelegt.

Hemauer Spitzl

Es gibt sie nur wenige Wochen im Jahr, und doch sind sie weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt: die Hemauer Spitzl. Hemau liegt auf dem bewaldeten Bergrücken Tangrintel zwischen Altmühl und der Schwarzen Laber.

Ursprünglich wurden die Hemauer Spitzl aus Lebkuchenteig hergestellt. Die Lebkuchenspitzl müssen bereits Wochen vorher gebacken werden und der Teig wird meist schon Ende August hergestellt, denn um den richtigen Geschmack zu bekommen, muss er einige Zeit in einem kühlen Raum lagern. Mitte September werden die Spitzl dann gebacken, damit sie bis zum Spitzlmarkt die richtige „Reife“ haben. Heute werden neben den Lebkuchenspitzl vor allem Tortenspitzl hergestellt.

Bekanntester Markt

Zahlreiche Märkte finden das ganze Jahr über in Hemau statt, doch der bekannteste ist wohl der Spitzlmarkt, der alljährlich am Tag vor Allerheiligen abgehalten wird. Hier gibt es die Spitzl in verschiedenen Varianten und Größen, in Herzform, Rautenform oder rechteckig. In fast allen Bäckereien der Stadt wird das traditionelle Gebäck angeboten, und zwar etwa 10 bis 14 Tage vor dem Markt bis zum Allerheiligen- und Allerseelentag. Jeweils nur ein Bäcker darf seine Spitzln allerdings auf dem Spitzlmarkt verkaufen, und so findet man jedes Jahr den Stand einer anderen Bäckerei auf dem Stadtplatz.

In Dietfurt im Altmühltal ist am 3. November Spitzlmarkt. Hier wurden früher die traditionellen Seelenzöpfe aus Hefeteig gebacken. Heute gibt es auch hier vor allem Lebkuchen- und Tortenspitzl.

Spitzlmarkt in Kelheim

Auch in Kelheim liegt der Duft von frisch gebackenen Lebkuchen über dem Stadtplatz, wenn die örtlichen Bäcker für den Spitzlmarkt backen, der am 31. Oktober die Besucher in die Innenstadt lockt. Nicht nur an den Marktständen, auch in den Bäckereien und Cafés wird das traditionelle Spitzl in unzähligen Varianten angeboten: als Tortenspitzel, Spitzel mit Schokoladenguss, mit Zuckerguss oder als Lebkuchen. Auch sonst ist auf dem Spitzlmarkt einiges geboten. Wenn die rund 130 Händler, Firanten und Konditoren ihre Warenstände aufstellen, herrscht rund um den Ludwigsplatz ein reges Markttreiben. Auf die Besucher wartet ein buntes und vielfältiges Angebot von handwerklichen, künstlerischen und alltäglichen Dingen. Neben den süßen Spitzln werden auch herzhafte Brotzeiten für den kleinen und großen Hunger angeboten. Für einen Bummel über den Spitzlmarkt sollte man sich Zeit nehmen, um die vielen Angebote in Augenschein zu nehmen oder in Ruhe schon mal den ersten Becher Glühwein zu trinken.

Text: Judith Kumpfmüller

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