Bestimmung des Verhältnisses von Glaube und Vernunft - ökumenische und missionarische Aufgabe - Bischof Gerhard Ludwig Müller sprach an der Hochschule der Jesuiten in München
Das Thema „Glaube und Vernunft“, ein Leitthema im Pontifikat Benedikt XVI., ist auch ein zentrales Thema im Dialog zwischen Philosophie und Theologie. Herausragende Bedeutung hat das Verhältnis beider Schlüsselbegriffe vor allem durch die „Regensburger Vorlesung“ Papst Benedikts erhalten, die der Heilige Vater im Rahmen seines Pastoralbesuchs 2006 in seiner Heimat im Auditorium maximum der Universität Regensburg gehalten hat. Auch die renommierte Hochschule für Philosophie der Jesuiten in München, die vor 40 Jahren ihren Lehrbetrieb in der Kaulbachstraße am Englischen Garten aufgenommen hat und mit einer Dialogreihe dieses Jubiläum begeht, hat dieses Schlüsselthema des derzeitigen Pontifikats aufgegriffen. Die Jesuiten laden Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Kirche ein und diskutieren mit ihnen sowie mit Zuhörern und Gästen über Glaube und Vernunft. Anlässlich des Jubiläums war am Mittwochabend Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller als Stellvertretender Vorsitzender der Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), als Vorsitzender von deren Ökumenekommission sowie als Bischof von Regensburg und somit Vertreter des Lehramts der katholischen Kirche eingeladen, Rede und Antwort zu stehen. Gesprächspartner von Bischof Gerhard Ludwig war zunächst Pater Harald Schöndorf SJ, der Vizepräsident der Hochschule ist und in der Kaulbachstraße Erkenntnistheorie und Philosophiegeschichte lehrt.
An der Hochschule der Jesuiten sind derzeit mehr als 500 Studenten eingeschrieben, zu der prominenten Veranstaltung hatten sich 300 Zuhörer eingefunden. Prof. Dr. Johannes Wallacher, Präsident der Hochschule, erinnerte an den Auftrag des Heiligen Vaters an die Jesuiten, sich in der Philosophie auch mit nicht-christlichen Strömungen in der Wissenschaft auseinanderzusetzen. Prof. Dr. Josef Schmidt SJ, der den Abend moderierte, erklärte, Bischof Gerhard Ludwig habe sich „um den Logos des Glaubens in vielfacher Weise verdient gemacht“. Er verwies beispielshalber auf philosophisch bedeutsame Aspekte der Arbeiten des Regensburger Bischofs über Dietrich Bonhoeffer (Dissertation) sowie John Henry Newman.
In seinem Vortrag erinnerte Bischof Gerhard Ludwig an die Notwendigkeit, akademisches sowie seelsorgliches Tun im Zusammenhang zu sehen. Nach der Darstellung der zentralen Inhalte der wegweisenden Enzyklika „Fides et Ratio“ Papst Johannes Paul II. wies der Regensburger Bischof die Behauptung zurück, wer Glaubensinhalte ernst nehme, könne nicht human leben: „Allein im Bistum Regensburg wirken 15 Tausend hauptamtliche und 100 Tausend ehrenamtliche Mitarbeiter der Caritas.“ Außerdem legte er dar, dass der Begriff des Glaubens nicht einfach als Gegenbegriff zum bloßen Wissen zu verstehen sei. Vielmehr sei der Begriff des Glaubens gemäß der biblischen Offenbarung mit dem Sinn einer persönlichen Relation gefüllt: mit der Relation von Mensch zu Mensch sowie von Mensch zu Gott. „Beim Glauben geht es vor allem um eine dichtere Form der Existenz.“ Glaube stehe außerdem nicht im Gegensatz zum Wissen in den Natur- und Sozialwissenschaften, so Bischof Gerhard Ludwig. Die Bestimmung des Verhältnisses von Glaube und Vernunft sei nicht zuletzt eine ökumenische Aufgabe, die mit dem gemeinsamen Auftrag einhergehe, dem Säkularismus in seinen vielfältigen Formen zu wehren. Und dies bringe eine eindeutig missionarische Dimension mit sich, erklärte der Regensburger Bischof: „Schließlich sagt Jesus Christus: Wie mich der Vater sendet, so sende ich euch!“
Die Bestimmung des Verhältnisses von Glaube und Vernunft sei „ein aufregendes Thema“, resümierte der Bischof: Es gelte, „freundlich und selbstbewusst das in den Ring zu werfen, was uns bewegt: Der Logos befähigt uns, in Geduld und Liebe in den Dingen des Glaubens Rede und Antwort zu stehen“. Dafür sei vor allem „das Zeugnis der Urkirche der Glaubwürdigkeitsgrund, auf dem wir stehen“. Auch die Aussagen des Lehramts stünden in keinem Konflikt mit den Forderungen der Vernunft, sagte der Bischof, schließlich seien Glaube und Vernunft aufeinander verwiesen, aber, auf der anderen Seite, auch nicht identisch.