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Zum Tag des geweihten Lebens

Papst Benedikt XVI. und die evangelischen Räte

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Regensburg, 31. Januar 2023

Die Kirche feiert am 2. Februar, am 40. Tag nach der Geburt Christi, das Fest „Darstellung des Herrn“ bzw. – wie es traditionell auch heißt – das Fest „Mariä Lichtmess“. An diesem Fest wird der „Tag des geweihten Lebens“ begangen. Papst Johannes Paul II. hat den „Tag des geweihten Lebens“ 1997 eingeführt, um die Wertschätzung von Orden und anderen Gemeinschaften geistlichen Lebens in der Kirche zu fördern. Am „Tag des geweihten Lebens“ soll – so Johannes Paul II. – auf „die Vielfältigkeit der Charismen des geweihten Lebens“ und die spezifische Präsenz von Ordensleuten in der Gemeinschaft der Gläubigen aufmerksam gemacht werden.

Benedikt XVI. in Mariazell

In seiner Ansprache bei einer Vesper im bedeutenden österreichischen Marienwallfahrtsort Mariazell hat Papst Benedikt XVI. im Jahr 2007 – mit den Worten der Gottesmutter – den Lobpreis auf die erhabene Güte Gottes angestimmt und Gott für das große Geschenk des Glaubens gedankt: Benedikt XVI. erbittet den Schutz der Gottesmutter für die Kirche und ruft ihre Fürsprache um das Geschenk guter Berufungen an. Er bittet um den Beistand der Gottesmutter für die Familien und um ihr erbarmendes Gebet für alle Menschen, die auf dem Weg der Umkehr sind. Der Papst vertraut alle kranken und alten Menschen der mütterlichen Sorge der Gottesmutter Maria an. Möge die Mutter Jesu allen zu einer tiefgreifenden Erneuerung des Glaubens und des Lebens verhelfen. In dieser Ansprache wandte sich Benedikt XVI. besonders an die Priester und Ordensleute, die Diener und Dienerinnen der Sendung Jesu. Wie vor 2000 Jahren stellen auch heute junge Menschen ihr Leben in den Dienst der Kirche und setzen sich für hilfsbedürftige Menschen ein. Das Leben in der Nachfolge Christi ist immer ein Wagnis. Deshalb bedürfen wir alle der Gnade Gottes. Christus beruft auch heute Priester, Ordensleute und Laien zur Mitarbeit am Aufbau des Reiches Gottes. Benedikt XVI. benennt verschiedene Bereiche der Heilssendung der Kirche: die Verkündigung, den Aufbau von Gemeinden, die verschiedenen pastoralen Dienste, die tätige Liebe und gelebte Caritas, die aus apostolischem Geist geleistete Forschung und Wissenschaft, den Dialog mit der jeweiligen Kultur, die Förderung von Gerechtigkeit, die Kontemplation Gottes in der Zurückgezogenheit und das gemeinsame Gotteslob christlicher Gemeinschaften.

Berufen zum Christsein

Christus – so Papst Benedikt in Mariazell – lädt uns ein, seinen Pilgerweg mitzugehen und teilzuhaben an seinem Leben, das auch heute noch ein Kreuzweg und der Weg des Auferstandenen durch „das Galiläa unseres Lebens“ ist. Die Teilhabe am Weg Jesu beinhaltet beides: die Dimension des Kreuzes (mit Misserfolgen, Leiden, Nicht-verstanden-werden, Verachtung und Verfolgung), aber auch die Erfahrung einer tiefen Freude in seinem Dienst und die Erfahrung des großen Trostes aus der Begegnung mit ihm. Die Mitte der Sendung Christi und aller Christen ist die Verkündigung von Gottes Reich. Gott will in unserer Mitte gegenwärtig werden und durch uns wirken. Zeuginnen und Zeugen Gottes zu sein heißt: Gott lebt in uns, und wir tragen ihn in die Welt, wenn wir eintreten für einen Sinn, der in der schöpferischen Liebe Gottes wurzelt und sich gegen allen Unsinn und alle Verzweiflung stellt. „Betend und bittend seid ihr die Anwälte derer, die nach Gott suchen. … Ihr gebt Zeugnis von einer Hoffnung, die gegen alle stille und laute Verzweiflung hinweist auf die Treue und Zuwendung Gottes. Damit steht ihr auf der Seite aller, deren Rücken gekrümmt ist durch drückende Schicksale. … Ihr gebt Zeugnis von der Liebe, die sich für die Menschen dahingab und so den Tod besiegt hat. Ihr steht auf der Seite jener, die nie Liebe erfahren haben, die an das Leben nicht mehr zu glauben vermögen. Ihr steht so gegen die vielfältigen Weisen von versteckter und offener Ungerechtigkeit wie gegen die sich ausbreitende Menschenverachtung“ (Papst Benedikt XVI. in Österreich. Apostolische Reise aus Anlass des 850-Jahr-Jubiläums von Mariazell, herausgegeben vom Generalsekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz, Wien 2007, 52). Das ganze Leben eines Christen soll – wie die Existenz Johannes` des Täufers – ein lebendiger Hinweis auf Jesus Christus sein. Christen sollen das Licht Christi – so Benedikt XVI. – hineinleuchten lassen in die Gesellschaft, in die Politik, in die Welt der Wirtschaft, der Kultur und der Forschung.

Lebensform der radikalen Nachfolge

Christus nachfolgen heißt, in den Lebensstil Jesu hineinwachsen (vgl. Phil 2,5). Im Hinschauen auf Christus, den „großen Lehrer des Lebens”, hat die Kirche drei herausragende Merkmale der Gesinnung Jesu entdeckt. Diese drei Aspekte – die evangelischen Räte – sind zu den „prägenden Elementen für ein Leben in der radikalen Nachfolge Christi” geworden: Armut, Keuschheit und Gehorsam. Benedikt XVI. betont, dass sich die Ordensleute „bemühen ..., gleichwohl mit ihren menschlichen Grenzen, ja gerade in der Einfachheit und Demut ihrer Menschlichkeit, allen einen Widerschein der Güte und Schönheit Gottes zu schenken, indem sie Jesus auf dem Weg der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams folgen, den drei Gelübden, die richtig verstanden werden müssen“ (ebd., 94) – in ihrer auf Christus bezogenen, nicht individualistischen, sondern beziehungsmäßigen und kirchlichen Bedeutung.

Freiwerden für die Mitmenschen

Jesus Christus, der vom ganzen Reichtum Gottes erfüllt war, ist unseretwegen arm geworden (vgl. 2 Kor 8,9; Phil 2,6-11). Er hat die Armen seliggepriesen. Die gesamte Heilige Schrift zeigt, dass Gott den Armen in besonderer Weise nahe ist. Christen sehen in den armen Menschen Christus selbst, der auf unseren Einsatz wartet. „Wer Christus radikal nachfolgen will, muss auf materielle Habe verzichten. Aber er muss diese Armut von Christus her leben, als inwendiges Freiwerden für den Nächsten. Die Frage der Armut und der Armen muss für alle Christen, aber besonders für uns Priester und Ordensleute, die einzelnen wie die Ordensgemeinschaften, immer wieder Inhalt einer ernsten Gewissenserforschung sein. Gerade in unserer Situation …, wo es uns nicht schlecht geht, wo wir nicht arm sind, müssen wir darüber besonders nachdenken, wie wir diesen Ruf ehrlich leben können” (ebd., 53).

Ungeteilte Hingabe an Gott und die Menschen

Den positiven Inhalt der Keuschheit finden wir wiederum im Hinschauen auf Jesus Christus. Er hat in einer doppelten Zuwendung gelebt: zum Vater und zu den Menschen. Als Betender hat Jesus viele Nächte in der Zwiesprache mit dem himmlischen Vater verbracht. Dieser Dialog mit dem Vater wird immer neu Sendung zur Welt. Seine Sendung führte Jesus in eine reine und ungeteilte Hinwendung zu den Menschen. Im Umgang Jesu mit den Menschen ist in keinem Augenblick eine Beimischung von Eigeninteresse oder Eigennutz zu erkennen. Jesus hat die Menschen vom himmlischen Vater her – und so wahrhaft sie selber – geliebt. Das Eintreten in diese Gesinnung Jesu Christi – in dieses vollkommene Mitsein mit dem lebendigen Gott und in dieses reine Mitsein mit den Menschen – hat den Apostel Paulus zu seiner Theologie und Lebenspraxis inspiriert, die auf Jesu Wort von der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen (vgl. Mt 19,12) antwortet. Priester und Ordensleute – so Benedikt XVI. – leben nicht beziehungslos. Keuschheit heißt vielmehr „intensive Beziehung”, Beziehung zum lebendigen Christus und zum Vater. „Deswegen geloben wir durch das Gelübde der ehelosen Keuschheit nicht Individualismus und Beziehungslosigkeit, sondern wir geloben, die intensiven Beziehungen, deren wir fähig sind und mit denen wir beschenkt werden, ganz und vorbehaltlos in den Dienst des Reiches Gottes und so der Menschen zu stellen. So werden Priester und Ordensleute … zu Menschen der Hoffnung: Indem sie ganz auf Gott setzen und damit zeigen, dass Gott für sie Realität ist, schaffen sie seiner Gegenwart … Raum in der Welt” (ebd., 54). Priester und Ordensleute versuchen – so Benedikt XVI. –, eine uneigennützige Liebe zu den Menschen zu leben. Was wäre geworden, wenn es diese „Verweisgestalten in der Geschichte der Christenheit” nicht gegeben hätte? Die Priester, die Frauen und Männer in den Orden versuchen, die Hoffnung auf eine größere Erfüllung der menschlichen Wünsche und die Erfahrung der Liebe Gottes, die alle menschliche Liebe übersteigt, vorzuleben. Die Welt braucht dieses Zeugnis heute in besonderer Weise.

Suche nach dem Willen Gottes

Jesus hat sein ganzes Leben im Gehorsam zum himmlischen Vater gelebt – als Betender, Hörender und Gehorchender. In seinem Ölberggebet nimmt er allen widerstrebenden Eigenwillen der Menschen in seinen „Sohneswillen“ hinein. Die Christen haben immer erfahren, dass sie sich durch die Hingabe an den Willen des himmlischen Vaters nicht verlieren, sondern zu einer tiefen Identität und inneren Freiheit finden. An Jesus entdecken wir, dass sich findet, wer sich verschenkt, dass frei wird, wer sich in einem in Gott gründenden und ihn suchenden Gehorsam bindet. Auf Gott zu hören und ihm zu gehorchen hat nichts mit Fremdbestimmung und Selbstverlust zu tun. Im Eintreten in den Willen Gottes finden wir erst unsere wahre Identität. In diesem Zusammenhang verweist der Papst auf den großen Theologen und Religionsphilosophen Romano Guardini (1885-1968), der – so Guardini selbst in seiner Autobiographie – in einem kritischen Moment seines Lebens die tiefe Bedeutung des Wortes Jesu, dass sich nur findet, wer sich verliert (vgl. Mk 8,34 f; Joh 12,25), erfasst hat. Nur an Gott, an Jesus Christus dürfen wir uns ganz verlieren. Guardini kommt zu der Erkenntnis, dass uns Jesus Christus nur in der Kirche konkret gegenwärtig ist. Deshalb muss der Gehorsam gegen Gottes Willen ganz konkret demütig-kirchlicher Gehorsam sein. Benedikt XVI. nimmt auch Bezug auf das Gebet des heiligen Ignatius von Loyola „Nimm hin, Herr, und empfange meine ganze Freiheit“ (vgl. Gotteslob Nr. 9,6). Abschließend erbittet er für die Gläubigen, die wieder in ihre Lebenswelt zurückgehen, den Segen Gottes und den Schutz der Gottesmutter.

Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml



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