News Bild Zum Fest Mariä Geburt
Zum Fest Mariä Geburt

Die Bitte an Maria: „Zeige uns Jesus!“

Home / News

Regensburg, 8. September 2023

Die katholische Kirche feiert am 8. September das Fest Mariä Geburt, neun Monate nach dem Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria (8. Dezember). Am 12. September begehen wir das Fest Mariä Namen (Heiligster Name Mariens).

Im Rahmen seiner Apostolischen Reise nach Österreich hat Papst Benedikt XVI. am 8. September 2007 den bedeutenden österreichischen Marienwallfahrtsort Mariazell besucht. An diesem Tag, am Fest Mariä Geburt, dem Patrozinium dieses Heiligtums, hat der Papst in seiner Predigt bei der Eucharistiefeier in Mariazell darauf hingewiesen, dass seit 850 Jahren Beter aus verschiedenen Völkern mit ihren Anliegen und Hoffnungen an diesen Wallfahrtsort pilgern. So ist Mariazell – weit über Österreich hinaus – ein Ort des Friedens und der versöhnten Einheit geworden. Hier erfahren wir die tröstende Güte der Mutter; hier begegnen wir Jesus Christus, in dem Gott mit uns ist.

Menschen mit einem suchenden Herzen

Das Evangelium des Festes Mariä Geburt (Mt 1,1-16.18-23: der Stammbaum Jesu und die Geburt Jesu) stellt die Geschichte Israels von Abraham an als einen Pilgerweg dar, der auf Wegen und Umwegen letztlich zu Jesus Christus führt. Der Stammbaum Christi mit seinen hellen und finsteren Gestalten zeigt uns, dass Gott auf krummen Linien gerade schreiben kann. Gott lässt uns unsere Freiheit und findet in unserem Versagen neue Wege seiner Liebe. Gott scheitert nicht. So ist dieser Stammbaum eine Gewähr für Gottes Treue und eine Einladung, unser Leben immer neu nach ihm auszurichten. Pilgern heißt, auf ein Ziel zugehen. Dies gibt auch dem Weg und seiner Mühsal seine Schönheit. Der Aufbruch zum christlichen Glauben, der Anfang der Kirche Christi, ist möglich geworden, weil es in Israel Menschen mit einem suchenden Herzen gab, Menschen, die sich nicht im Gewohnten eingeschlossen haben, sondern nach Größerem Ausschau hielten. Sie konnten in Jesus den erkennen, den Gott gesandt hatte, und so zum Anfang seiner weltweiten Familie werden. Die Heidenkirche ist möglich geworden, weil es wartende Menschen gab, die nach dem Stern suchten, der sie den Weg zum lebendigen Gott weisen konnte. Dieses unruhige und offene Herz brauchen auch wir Menschen der Gegenwart. Es ist der Kern der Pilgerschaft. Auch heute reicht es nicht aus, zu denken wie alle anderen. Unser Leben ist weiter angelegt. Wir brauchen den Gott, der uns sein Gesicht gezeigt und sein Herz geöffnet hat: Jesus Christus (vgl. Joh 1,18).

Zeugen für die Wahrheit Christi sein

Gewiss gibt es viele große Persönlichkeiten in der Geschichte, die bewegende Gotteserfahrungen gemacht haben. Aber es bleiben menschliche Erfahrungen mit ihrer menschlichen Begrenztheit. Nur Jesus Christus ist Gott, und nur ER ist die Brücke, die Gott und Mensch wirklich zueinander kommen lässt. Wenn wir Christen ihn deshalb den einzigen Heilsmittler für alle Menschen nennen, „der alle angeht und dessen alle letztlich bedürfen“, so bedeutet dies keine Verachtung der anderen Religionen, sondern es ist „das Ergriffensein von dem, der uns angerührt und uns beschenkt hat, damit wir auch andere beschenken können“ (Papst Benedikt XVI. in Österreich. Apostolische Reise aus Anlass des 850-Jahr-Jubiläums von Mariazell. Herausgegeben vom Generalsekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz, Wien 2007, 45). Der christliche Glaube setzt sich ganz entschieden der Resignation entgegen, die den Menschen als der Wahrheit unfähig ansieht. Diese Resignation der Wahrheit gegenüber ist – so die tiefe Überzeugung Benedikts XVI. – „der Kern der Krise des Westens“. Wenn es für den Menschen keine Wahrheit gibt, dann kann er im Letzten auch nicht Gut und Böse unterscheiden. Dann werden auch die großartigen Erkenntnisse der Wissenschaft zweischneidig: Sie können bedeutende Möglichkeiten zum Guten, zum Heil des Menschen werden, aber auch zu furchtbaren Bedrohungen, zur Zerstörung des Menschen und der Welt werden. „Wir brauchen Wahrheit“ (ebd.).

Zwei Bilder Christi in Mariazell

Aufgrund unserer Geschichte haben wir Angst davor, dass der Glaube an die Wahrheit Intoleranz mit sich bringen könnte. Wenn uns diese Furcht überfällt, „dann wird es Zeit, auf Jesus hinzuschauen, wie wir ihn ... im Heiligtum zu Mariazell sehen“ (ebd.). Wir sehen ihn hier in zwei Bildern: als Kind auf dem Arm der Mutter und über dem Hochaltar als den Gekreuzigten. Diese beiden Bilder der Basilika sagen uns: Wahrheit setzt sich nicht mit äußerer Macht durch, sondern „sie ist demütig und gibt sich dem Menschen allein durch die innere Macht ihres Wahrseins“ (ebd., 46). D. h. Wahrheit weist sich aus in der Liebe. Wahrheit ist nie unser Eigentum und Produkt, sowie man auch die Liebe nicht machen, sondern nur empfangen und weiterschenken kann. Diese innere Macht der Wahrheit brauchen wir. Christen trauen dieser Macht der Wahrheit und sind für sie Zeugen.

Von Gott das Kindsein lernen

Das Leitwort „Auf Christus schauen“ wird für den suchenden Menschen zur Bitte besonders an Maria: „Zeige uns Jesus!“ Maria zeigt ihn uns zunächst als Kind. Gott hat sich klein gemacht für uns. Gott kommt in der Ohnmacht seiner Liebe, die seine Macht ist. Er gibt sich in unsere Hände und bittet um unsere Liebe. Er lädt uns ein, von unseren hohen Thronen herunterzusteigen und das Kindsein von Gott zu erlernen. „Er bittet, dass wir ihm vertrauen und so das Sein in der Wahrheit und in der Liebe erlernen“ (ebd.). Das Kind Jesus erinnert uns auch an alle Kinder dieser Welt, in denen er auf uns zugehen will. Europa ist arm an Kindern geworden. Wir brauchen alles für uns selber und trauen der Zukunft nicht recht. Aber zukunftslos wird die Erde erst sein, wenn die Kräfte des menschlichen Herzens und der vom Herzen erleuchteten Vernunft erlöschen, wenn das Antlitz Gottes nicht mehr über der Erde leuchtet. „Wo Gott ist, da ist Zukunft“ (ebd.).

Die ausgebreiteten Arme des Gekreuzigten

Was sagt uns der Blick auf den Gekreuzigten über dem Hochaltar? Gott hat die Welt nicht durch das Schwert, sondern durch das Kreuz erlöst. Sterbend breitet Jesus die Arme aus. Dies ist die Gebärde der Passion, in der er sich für uns annageln lässt, um uns sein Leben zu geben. Aber die ausgebreiteten Arme sind zugleich die Haltung des Betenden. Jesus hat sein Leiden und seinen Tod in Gebet umgewandelt und so umgewandelt in einen Akt der Liebe zu Gott und zu den Menschen. Deshalb sind die ausgebreiteten Arme des Gekreuzigten auch ein Gestus der Umarmung, mit der er uns an sich zieht, uns in die Hände seiner Liebe hineinnehmen will (vgl. Barbara Stühlmeyer, Kaleidoskop der umarmenden Liebe. Zugänge zur Erfahrung des Umfangenseins von Christus, [Regensburger Philosophisch-Theologische Schriften, Band 16], Regensburg 2021). In der Generalaudienz vom 12. September 2007 hat Benedikt XVI. diesen Gedanken erneut aufgegriffen: Erst im Heiligtum von Mariazell haben wir das Leitwort „Auf Christus schauen“ voll verstanden. „Wir haben in jenem Kind im Arm der Mutter und in jenem Mann mit den ausgebreiteten Armen das Antlitz Gottes geschaut. Mit den Augen Mariens auf Jesus schauen bedeutet, Gott zu begegnen, der Liebe ist, der für uns Mensch geworden und am Kreuz gestorben ist“ (in: Papst Benedikt XVI. in Österreich, 93).

Christsein – das Geschenk einer Freundschaft

Wenn wir auf Christus schauen, sehen wir, dass das Christentum mehr und etwas anderes ist als ein Moralsystem. Es ist das Geschenk einer Freundschaft, die im Leben und im Sterben trägt (vgl. Joh 15,15). Das Christentum – als Geschenk einer Freundschaft – trägt in sich auch eine große moralische Kraft, die wir angesichts der Herausforderungen unserer Zeit dringend brauchen. Die Zehn Gebote vom Sinai sind ein Ja zu Gott, ein Ja zur Familie, ein Ja zum Leben, ein Ja zu verantwortungsbewusster Liebe, ein Ja zu Solidarität, sozialer Verantwortung und Gerechtigkeit, ein Ja zur Wahrheit und ein Ja zur Achtung anderer Menschen und dessen, was ihnen gehört. Aus der Kraft unserer Freundschaft mit Gott heraus leben wir dieses vielfältige Ja und tragen es als Wegweisung in die Welt von heute hinein. Die Bitte an die Mutter des Herrn „Zeige uns Jesus!“ begleitet uns zurück in unseren Alltag.

 

Text: Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml
(mk)

 



Nachrichten