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Vor 90 Jahren: Verhaftung von NS-Gegner Fritz Gerlich

Er hat den christlichen Mut mit dem Leben bezahlt

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München, 9. März 2023

Vor 90 Jahren wurde Fritz Gerlich in München zusammengeschlagen und inhaftiert. Zur Erinnerung daran veranstaltete die Paneuropa-Union Deutschland am Donnerstag einen Gedenkakt vor dem Münchner Polizeipräsidium, bei dem ihr Präsident Bernd Posselt, MdEP a.D., der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungskultur und geschichtliches Erbe, Dr. Ludwig Spaenle MdL, Polizeivizepräsident Michael Dibowski und der Postulator des Seligsprechungsprozesses für Fritz Gerlich bei der Erzdiözese München und Freising, Dr. Johannes Modesto, sprachen. Einen Gottesdienst zu Ehren Gerlichs in der benachbarten St. Michaels-Kirche hielt Kirchenrektor Pater Martin Stark SJ.

Am 9. März vor 90 Jahren ließ Adolf Hitler Bayern gleichschalten, machte den späteren Massenmörder Heinrich Himmler zum Münchner Polizeipräsidenten, und die SA verwüstete die Redaktionsräume der christlichen Wochenzeitschrift „Der Gerade Weg“ in der Münchner Hofstatt. Deren Chefredakteur, Fritz Gerlich, einer der bekanntesten Journalisten in Deutschland und vehementer Kämpfer gegen den Nationalsozialismus, wurde zusammengeschlagen und im Polizeipräsidium in der Ettstraße inhaftiert, bis er 16 Monate später zur Ermordung in das Konzentrationslager Dachau verbracht wurde.

Zeitschrift verhasst wie kein anderes Medium

Präsident Posselt wies in seiner Rede darauf hin, dass der katholische NS-Gegner Fürst Erich von Waldburg-Zeil für Gerlichs Kampf gegen Hitler 1930 eigens eine Zeitschrift erworben habe, die der „Führer“ wegen zahlreicher Enthüllungen über ihn und seine Partei gehasst habe wie kein anderes Medium. Der im pommerschen, heute polnischen Stettin geborene Gerlich sei schon als Chefredakteur der „Münchner Neuesten Nachrichten“ ein Befürworter von Demokratie und Menschenrechten gewesen und habe sich vom Nationalkonservativen zum überzeugten Europäer gewandelt. Wie sein Verleger Waldburg-Zeil habe er nach 1927 zum Konnersreuther Kreis um die stigmatisierte Oberpfälzerin Therese Neumann in der Diözese Regensburg gehört und mit weiteren Mitkämpfern den Naturrechtsgedanken als christlich-freiheitliches Gegenmodell zum Nationalsozialismus und zum Kommunismus empfohlen.

Ludwig Spaenle prangert den Zivilisationsbruch an

Staatsminister a.D. Ludwig Spaenle prangerte den Zivilisationsbruch an, den die NS-Herrschaft in Deutschland herbeiführte. Mit unvorstellbarer Tapferkeit und beispielloser Wortgewalt habe Gerlich dies schon im Vorfeld von Hitlers Machtergreifung zu verhindern versucht und dafür gleich am Anfang der NS-Herrschaft mit seiner Freiheit und ein Jahr später mit seinem Leben bezahlt. Damit sei dieser ausschließlich der Wahrheit und dem Recht verpflichtete Journalist zum Vorbild für spätere Generationen geworden, zumal in der Gegenwart Freiheit und Menschenrechte wieder massiv bedroht seien.

Abgrundtiefer Gegensatz zur Polizei von heute

Polizeivizepräsident Michael Dibowski verwies auf den abgrundtiefen Gegensatz zwischen der damaligen Unrechts- und Willkürherrschaft eines Polizeipräsidenten Heinrich Himmler und der Polizei von heute, die im Dienst des demokratischen Rechtsstaates stehe. Damals habe man sich nicht auf die Schutzfunktion des Staates verlassen können, der Staat sei vielmehr zum Täter geworden. „Gerlich hatte den Mut zu sagen, was er gesehen hat, und den Weitblick, zu schreiben, was auf Deutschland zukommen würde; und er war aufrecht genug, in seiner Überzeugung nicht zu wanken.“ Die Freiheit, die wir heute genießen, sei mit unfassbaren Leiden von Persönlichkeiten wie Gerlich erkauft.

Gleichschaltung Süddeutschlands abzuwenden versucht

Dr. Johannes Modesto legte dar, dass Fritz Gerlich und Fürst Erich von Waldburg-Zeil am 8. März 1933 durch eine Intervention beim württembergischen Staatspräsidenten Eugen Bolz versucht hätten, die Gleichschaltung Süddeutschlands noch abzuwenden und mit brisanten Unterlagen über die NSDAP, die sie mit sich führten, den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg gegen Hitler in Stellung zu bringen. Dies sei gescheitert, und schon 24 Stunden später hätten die Braunhemden die Redaktion des „Geraden Weges“ gestürmt. Modesto zitierte Zellennachbarn von Gerlich in der Ettstraße, die von seinem unerschütterlichen christlichen Glauben auch in den schwierigsten Notsituationen berichteten. Der Postulator verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass in zehn Jahren, wenn es gelte, Gerlichs 150. Geburtstag sowie den 100. Jahrestag seiner Festnahme zu begehen, dieser bereits seliggesprochen sein werde.

Drei Enkel von Fürst Erich von Waldburg-Zeil nahmen teil

Mit der Niederlegung von Blumen für Fritz Gerlich endete die Gedenkstunde, an der auch drei Enkel von Fürst Erich von Waldburg-Zeil teilnahmen: Freifrau Walburga von Lerchenfeld, Gräfin Stephanie Waldburg-Zeil sowie Prinz Erich von Lobkowicz mit seiner Tochter Ludmilla und seiner Nichte Ida. Weitere Ehrengäste waren der Münchner Stadtrat Michael Dzeba und die Enkelin von Gerlichs Mitverschwörer Hans-Georg von Mallinckrodt, Dominique von Herzogenberg. Die Paneuropa-Fahnen trugen die bosnische Journalistin Sadija Klepo, die Vorsitzende der Pontos-Griechen in München, Anastasia Dick, sowie als Repräsentantin der assyrischen Christen Janet Abraham.

Jesuitenpater würdigt Gerlich als Märtyrer von Dachau

In der anschließenden Heiligen Messe in St. Michael würdigte Jesuitenpater Martin Stark Gerlich als Märtyrer von Dachau, der für seinen Glauben Zeugnis abgelegt habe. Die SA-Männer hätten bei der Zerstörung der Redaktion des „Geraden Weges“ mit Stiefeln auf Gerlichs Händen herumgetrampelt, damit er nie mehr schreiben könne. Dennoch sei seine Botschaft heute lebendiger denn je.

Fritz Gerlich auch in Polen bekannter machen

Im Vorfeld der Veranstaltung war eine Delegation der Paneuropa-Union Deutschland mit deren Präsident Bernd Posselt, Bundesgeschäftsführer Johannes Kijas und Pressereferentin Stephanie Waldburg-Zeil, in Gerlichs Geburtsstadt Stettin gereist, um an seinen 140. Geburtstag im Februar zu erinnern. Sie besuchten sein Elternhaus in der früheren Hohenzollernstraße (siehe Bild hier gleich unten) sowie das berühmte Marienstiftsgymnasium, in dem er zur Schule ging. Posselt nannte es als Ziel, Gerlich auch in Polen bekannter zu machen: „Damit wird er lange nach seinem gewaltsamen Tod eine wichtige Rolle bei der deutsch-polnischen Verständigung und Versöhnung spielen.“

Text: Mitteilung der Paneuropa-Union / ven, Bilder: in München: Johannes Kijas (1), in Stettin: Paneuropa-Union (2)

Weitere Informationen zu Fritz Gerlich und seinem großen Glaubenszeugnis finden Sie hier.

 



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