Rezension der Festschrift „Christus ist unter euch“ für Bischof Voderholzer
Das Konzil ist immer noch aktuell
Regensburg, 21. Januar 2025
Eine Festschrift für Bischof Rudolf Voderholzer beleuchtet verschiedene Perspektiven des II. Vatikanischen Konzils aus heutiger Perspektive.
Mit den über 700 Textseiten haben Kollegen, Schüler und Freunde dem Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer zu seinem 65. Geburtstag ein würdiges Geschenk gemacht. Nicht selten hört man Klagen über die zeitgenössische Theologie. Sie sei zu abgehoben, zu praxisfern, zu selbstbezogen oder einfach (für den Laien) unverständlich. Im vorliegenden Werk haben 50 namhafte Autoren, darunter Bischöfe, renommierte Professoren, aber auch Praktiker wie Religionslehrer oder freie Publizisten den gelungenen Versuch unternommen ein hochkarätiges und dennoch gut lesbares Theologiebuch zu schreiben.
In Deutschland ein Buch über das jüngste Konzil zu schreiben, ohne sich mit der Theologie von Josef Ratzinger/ Papst Benedikt XVI. zu befassen, wäre schlicht ein Unding. Leider stehen gerade die deutschen Theologen in dem unschönen Ruf, allzu sehr mit dem deutschen Papst zu fremdeln. Auch in dieser Hinsicht wird im vorliegenden Buch ein klarer und kräftiger Gegenbeweis angetreten. Zuerst kommt der Mozart der Theologie, wie man Joseph Ratzinger zuweilen nennt, höchstpersönlich mit einer Würdigung zur 200. Ausgabe der Zeitschrift „Sources Chretiennes“ zu Wort. Der Text wurde hier erstmals im deutschen Original veröffentlicht. Mit einem Plädoyer für das Erschließen der Quellen der Christenheit, nämlich der Väter, und der Kritik an einer zu einseitig geführten Debatte über die christliche Überlieferung und die Rezeption der Heiligen Schrift macht der verstorbene Heilige Vater einen Aufschlag für die Festschrift, die dem interessierten Leser den Horizont für das vorliegende Buch öffnet.
Konzil ohne Ratzinger ist nicht zu denken
Die folgenden fünf Texte befassen sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Konzilstheologen Joseph Ratzinger, der als Kardinal Ratzinger und als Papst Benedikt XVI. auch noch maßgeblich an der nachkonziliaren Lehrentwicklung mitwirken konnte. Den Schluss- und Höhepunkt der Untersuchungen bildet ein Aufsatz zu Ratzinger und Augustinus. Einfühlsam und an Beispielen und Lebensstationen entlang zeigt der amerikanische Professor Imre von Gaál, wie groß der Einfluss von Augustin auf das Denken des Theologen Joseph Ratzinger war.
Mit der Auseinandersetzung um die Offenbarung geht es dann in sich logisch im Buch weiter. Offenbarung ist im Christentum letztlich und endgültig mit der Inkarnation der zweiten Person Gottes erfolgt. So steht Jesus Christus zuerst im Fokus der Betrachtungen. Doch Gott offenbart sich auch in der Geschichte. Karl-Heinz Menke erinnert daran, dass der Jubilar in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit als Brückenbauer zwischen Sprachen, Konfessionen und theologischen Disziplinen gewirkt hat. Im Kern geht es um die Verbindung zwischen Exegese und Dogmatik. Dieser Nukleus ist ein Aspekt der theologischen Erkenntnislehre, wie Menke deutlich macht. Die Moderne machte den Versuch einen Keil zwischen Jesus und Christus zu treiben. Ein Abriss über Wege und Irrwege der Theologie zeigt den Irrtum, der darin liegt, den verkündigenden Jesus gegen den biblisch bezeugten Christus auszuspielen. Menkes Ausweg liegt, auf Spuren Joseph Ratzingers, in der Subjektivierung der Kirche als Vermittlerin von Geschichte und Offenbarung.
So versteht die Kirche sich selbst
Das Fach nennt sich Ekklesiologie und beinhaltet das Nachdenken der Kirche über sich selbst. Wenn es neben der Liturgie und der Ökumene eine Frage gegeben hat, die das II. Vatikanische Konzil besonders beschäftigt hat, dann ist es die Frage der Kirche nach sich selbst. Wer hier den bibeltheologischen Aufschlag von Adrian Wypadlo liest, ohne selber einmal eine Einführung in die Exegese erhalten zu haben, könnte am ersten Teil des Aufsatzes verzweifeln. Doch wer sich durchbeißt, wird im zweiten Teil jenes Textes wirklich belohnt, denn genau hier findet sich eine brillante Erklärung, welchen Weg das Konzil genommen hat, um in Lumen Gentium „ein neues Kirchenbild zu entwickeln, das nicht auf Abgrenzung bedacht ist, sondern an der Heiligen Schrift und an frühchristlichen Traditionen orientiert ist“. (S. 189) Die Auseinandersetzung mit dem 1. Petrusbrief, die Wypadlo hier vornimmt, lässt einen die Gedanken der Konzilsväter tiefer durchdringen und regt vielleicht das eigene Denken über die ekklesiologischen Aussagen des jüngsten Konzils neu an.
An dieser Stelle ist man gerade bei einem Drittel des Buches angelangt. Es kaum einer Erwähnung wert, dass jeder einzelne der 50 Texte in dem Band eine eigene Rezension verdient hätte. Ein solches Opus Magnus würde den Rahmen eines Webartikels sprengen. So wie die Ekklesiologie umfassend abgehandelt wird, geschieht es ebenso mit dem Blick auf das Priestertum, die Verkündigung, die Liturgie, die christliche Anthropologie und in einem letzten Zyklus von fünf Aufsätzen die Ökumene und den interreligiösen Dialog. Gerade die Erklärung Nostra aetate hat vielen Menschen Kopfschmerzen bereitet. Nicht nur hart gesottene Traditionalisten tun sich schwer mit diesem Text. Da sei allen Skeptikern der Aufsatz von Hanna-Barbara Gerl-Falkowitz ans Herz gelegt. Die Philosophin unternimmt es, den Nachweis zu erbringen, dass Nostra aetate eben nicht naiv abgefasst wurde. Ausgehend von den Vätern zeigt Gerl-Falkowitz, dass die religiösen Überlieferungen durchaus schon Anteil am Samen des Logos haben und wie dieser aussieht. In verschiedenen Beispielen wird sie konkret und zeigt auf, wie Mythen einen Kern der Wahrheit aufweisen können. Wie der Weg vom Mythos zur Wahrheit aussieht, beleuchtet sie an der Bekehrung von C.S. Lewis. Muss man erwähnen, dass auch Hanna-Barbara Gerl-Falkowitz am Ende auf Ratzinger zurückgreift? Sie tut es, um den Brückenschlag zwischen Glauben und Vernunft zu untermauern. Wenn der Glaube nämlich vernünftig ist, dann ist es einsichtig, dass Vernunft den Weg zum Glauben ebnen kann. Bei diesem Aufsatz von einem Lesegenuss zu sprechen, ist eine milde Untertreibung.
Wie bereits oben gesagt kann in dieser Rezension nur eine willkürliche Auswahl an Texten dezidiert besprochen werden. Jeder einzelne Text ist lesenswert. Wer dieses Buch kauft und jeden Text lesen will, hat für mehrere Wochen ausgesorgt. Der Lesegewinn aus dem Buch kann ein erneuerter Zugang zu jener großen Kirchenversammlung sein, die vor nunmehr fast sechzig Jahren am 8. Dezember 1965 endete und seitdem nie aufgehört hat, das ganze Gottesvolk geistig in Bewegung zu halten. Mag der Blick romantisch verklärt, wohlwollend, kritisch oder sogar feindlich sein. Niemand kommt daran vorbei. „CHRISTUS IST UNTER EUCH“ will weder verklären noch verdammen, es ist eine zeitgemäße Betrachtung des jüngsten Konzils aus dem Abstand der seither vergangenen Zeit. Die Texte sind zudem eine Zusage an jeden Gläubigen, dass diese Kirchenversammlung auch nach so vielen Jahren immer noch etwas zu sagen hat. Mit der Rezeption des Konzils, auch das kann als ein Ergebnis des Buches gelesen werden, sind wir noch lange nicht fertig.
Text: Peter Winnemöller
(kw)
Die Festschrift "Christus ist unter euch" für Bischof Rudolf Voderholzer ist im Verlag Friedrich Pustet erschienen. © Pustet Verlag
Weitere Infos
Oster, Stefan / Brantl, Johannes (Hg.)
Christus ist unter euch
Zur Aktualität des II. Vatikanischen Konzils.
Festschrift für Bischof Rudolf Voderholzer
728 Seiten