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Vor 75 Jahren ist der katholische Romancier Georges Bernanos gestorben

Heuchler bekämpfen und die Kirche lieben

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Paris und Regensburg, 7. Juli 2023

Vor 75 Jahren, am 5. Juli 1948, ist der französische katholische Schriftsteller-Romancier Georges Bernanos im Alter von 60 Jahren verstorben. Zusammen mit dem Literaturnobelpreis-Träger François Mauriac, Paul Claudel und Léon Bloy ist er der wichtigste Autor des „Renouveau catholique“, einer französischen katholischen literarischen Bewegung, die Maßstäbe für die Verbreitung des katholischen Glaubens mittels Roman, Essay und Lyrik sorgte.

Der Renouveau catholique strahlte auf die katholischen Kulturmilieus und weit darüber hinaus in ganz Europa aus. Der Renouveau catholique – „katholische Erneuerung“ – hat seine Wurzeln im 19. Jahrhundert. Er wirkte bis, vereinzelt, in die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Die Schriftsteller, häufig konvertiert oder in die Kirche, ihre Heimat, zurückgekehrt, wandten sich stets gegen Gottesvergessenheit, Lauheit im Glauben und Unehrlichkeit in der Gesellschaft sowie in den persönlichen Beziehungen.

Die Begegnung mit Gott im Sterben

„Jetzt zu uns beiden“ – „à nous deux“ – mit diesen Worten hatte Bernanos Jahre vor seinem Ableben bereits seine Begegnung mit Gott im Sterben vorhergesehen und beschrieben. In Karikaturen hatte er seine persönliche Auferstehung gezeichnet. „Der Engel des Gerichts wird gebeten, nur recht kräftig die Posaune zu blasen. Der Verstorbene ist schwerhörig“, so lautete der Kommentar unter der von seiner Hand gezeichneten Darstellung des eigenen Grabes. 1948 dann ist der 1888 Geborene entkräftet an einem Leberkrebs aus dem Leben geschieden, das er geliebt und in Liebe zu Jesus Christus und seiner heiligen und oft unheiligen Kirche ausgelebt hatte.

Wieder das Kind von einstens werden

Georges Bernanos liebte das Kind im Menschen und blieb Zeit seines Lebens das Kind, das er war und das er doch immer suchte. Sterben, sagte der häufig genug wütende Polemiker, sei die Kunst, wieder Kind zu werden. Lasst die Kinder zu mir kommen! Untrennbar ist er verbunden mit einem Frankreich, das er verehrte, kritisierte (dessen Politiker!) und trotzdem oder gerade deshalb als Paradies, allerdings als irgendwo verloren gegangenes, ersehnte. Tatsächlich war ihm dies als Sohn eines Möbelhändlers, der Georges auf lange Spaziergänge etwa im Flachen Norden des Hexagon mitnahm, so erschienen. Nicht weniger Heimat war ihm die katholische Kirche, deren Priestertum er liebte und ersehnte und kompromisslos gegen alle Angriffe verteidigte, deren Priester er allerdings umgekehrt proportional dazu wegen eines liederlichen und Gott gegenüber undankbaren Lebenswandels attackierte, ja geißelte.

Bernanos liebte die heilige Johanna von Orléans

Maßstab seiner Existenz war für ihn die heilige Johanna von Orléans, die als Jungfrau und Kind aus Lothringen aufgebrochen war, um das Land gegen die englischen Eroberer zu verteidigen und in Selbständigkeit zu erhalten. Bernanos selbst war mit einer Nachfahrin des Bruders der 1920 heilig Gesprochenen verheiratet. 1917, mitten im Krieg, hatte ein Benediktiner, Dom Besse, den Vulkan und die spätere Mutter zahlreicher Kinder verehelicht.

Das mittelalterlich imaginierte Frankreich

Beinahe gebrochen wurde das Leben des monarchistisch geprägten Franzosen im Ersten Weltkrieg, dessen Schützengrabenerfahrung er nie mehr loswerden sollte; vielmehr in psychiatrischen Behandlungen bewältigen musste. Tagtäglich hatte Bernanos im „Feld“ den Rosenkranz und das Stundengebet gebetet. Spätestens in den Schlachten gegen die Deutschen entwickelte er seine prekäre Existenz zwischen übermäßiger Polemik und lebeninfragestellenden Krisen. Und doch blieb er bzw. wurde er immer mehr das Kind, das er im paradiesischen Frankreich, übrigens auch in dessen imaginiertem Mittelalter, sein wollte.

Kein Wunder: Mit uns Deutschen hat der Polemiker ein Problem

Dass sein Verhältnis zu uns Deutschen mehr als kritisch war, bedarf keiner Erwähnung. Sein Freund de Gaulle bewunderte den dilettierenden Viehzüchter, mittlerweile in Brasilien domiziliert, der dort mit der Aufzucht Geld verdienen wollte, um in „Ruhe“ schriftstellern zu können. Es kam anders: Derart erfolglos war Bernanos, dessen Vorname ohnehin „Bauer“ bedeutet, dass er schreiben musste, um die Tiere nicht schlachten zu müssen.

Ministerposten abgelehnt: „Mehr Teufel“

In seinen letzten Jahren lehnte der tiefkatholische Bernanos Ministerposten im befreiten Frankreich ab. Die Vereinigten Staaten waren ihm grundverdächtig, da er als Katholik und Franzose den ungezügelten, protestantisch grundierten Kapitalismus verdammte. Überhaupt stellte er sich mit aller Macht gegen die vielen entwürdigenden Spielarten des Technokratentums, der aufgeblasenen und im Grunde genommen nichtssagenden opportunistischen Funktionäre, welche mit Tabellen und Kontrollen den Glauben, zumal in seiner geliebten katholischen Kirche, vernichten: was ihnen nie ganz gelingt, da die Kirche ja göttlich ist. Die Freiheit des katholisch-christlichen Glaubens lebte und propagierte er, sexuell Abhängige und Ehebrecher betrachtete er mitleidig („pauvres diables“). Alle Aufgeblasenheit war ihm ein Gräuel. Was den katholischen Menschen und jeden Menschen in Mitleidenschaft zu ziehen drohte, Heuchlertum, Jesuitismus und Inkompetenz kaschierende Wichtigtuerei waren ihm völlig zuwider – in welcher Form auch immer diese auftraten. Er sagte: „Der Roman braucht mehr Gott, und mehr Teufel.“

Das Priestertum verehren und erheben

Es bleiben seine gigantischen Priesterromane („Tagebuch eines Landpfarrers“, „Die Sonne Satans“ ...) von im Leben bereits quasi-gekreuzigten Seelsorgern in der toten Pfarrgemeinde, von kleinen Priestern, die Christus nachfolgen und ihm zum Verwechseln ähnlich sind. Und in denen Jesus Christus wirkt. Sind wir Katholiken des‘ heute überzeugt? Dass Christus im Priester wirkt? Im „Tagebuch eines Landpfarrers“ ist es nachzulesen.

Der Landpfarrer lebt sein Leben zu Ende, indem er sich allein von Brot und Wein ernährt. Dann erliegt er seinem erst ganz am Ende des Lebens diagnostizierten Krebs, nachdem er einen abgefallenen Priester von dessen Sünden losgesprochen hat. 1948 erlag Georges Bernanos gerade dieser Krankheit. Er war glühender Laie und kämpfte für das Gottesreich, wie Johanna von Orléans die Englischen besiegt hatte. Gegenüber dem „Synodalen Weg“ hätte der große und leidenschaftliche Franzose, der schon alleine das säkularisierte Land katholisch gehalten hätte und hat, auf Jesu Worte verwiesen, wonach dieser selbst sich als den Weg sieht und, bekanntlich, als das Leben. 75 Jahre nach seinem Tod sollen wir seine Romane lesen und für das katholische Priestertum mehr als dankbar sein; es verehren und erheben; Priestern in Lauheit aber vorsichtig und kritisch gegenüber sein; besonders Heuchlern unter ihnen, die es, wie Bernanos intuitiv und von früh an wusste, auch gibt. Er hat ihre Falschheit getragen und versucht, sie als Kind zu heilen. Ein großes Unterfangen, das uns allerdings zu glauben geben sollte; denn besser ging es „seiner“ Kirche zu seinen Zeiten nicht als heute. Um damit klar zu kommen oder zu werden, bedarf es, wie es aussieht, aber der Kindlichkeit, die der große Priesterromancier uns vorgelebt hat.

Text: Prof. Dr. Veit Neumann, Bild: ven

-Georges Bernanos. Tagebuch eines Landpfarrers. Neu übersetzt und kommentiert von Veit Neumann. Mit einem Geleitwort von Egon Kapellari, Schriften der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten, Bd. 10, Regensburg 2015

-Neumann, Veit, Kreiml, Josef (Hg.), Georges Bernanos und der Renouveau catholique. Das „Tagebuch eines Landpfarrers“ als herausragender Priesterroman, Schriften der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten, Bd. 12, Regensburg 2016

 

 



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