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Soziale Kommunikationsmittel

Die moralische Dimension der Kommunikation

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Regensburg, 23. November 2023

Vor bald 60 Jahren – am 4. Dezember 1963 – haben die Konzilsväter zwei wichtige Texte des Zweiten Vatikanums feierlich verkündet: die Konstitution über die heilige Liturgie („Sacrosanctum Concilium“) und das Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel („Inter mirifica“). Im Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils hat am 23. Mai 1971 eine Päpstliche Kommission die Pastoralinstruktion „Communio et progressio“ („Gemeinschaft und Fortschritt“) über die Instrumente der sozialen Kommunikation veröffentlicht. Diese Pastoralinstruktion bestimmt „die Gemeinschaft und den Fortschritt der menschlichen Gemeinschaft“ (Nr. 1) als die obersten Ziele sozialer Kommunikation.

Die Pastoralinstruktion „Communio et progressio“

Wenn man die Entwicklung der medialen Welt in den letzten Jahrzehnten betrachtet, dann waren die Worte von „Communio et progressio“ sehr weitsichtig: Die Instrumente der sozialen Kommunikation entwickeln sich – so die Pastoralinstruktion – „ständig weiter und stehen einer wachsenden Zahl von Menschen und jedem einzelnen in zunehmendem Maße leichter zur Verfügung. Sie umgreifen mehr und mehr ihre Denk- und Lebensweise und dringen durch ihre Technik immer tiefer darin ein“ (Nr. 1). Die soziale Kommunikation zielt darauf ab, „dass die Menschen durch die Vielfalt ihrer Beziehungen einen tieferen Sinn für Gemeinschaft entwickeln“ (Nr. 8). Die Sichtweise von „Communio et progressio“ ist aber nicht blauäugig. In dieser Pastoralinstruktion ist auch Folgendes zu lesen: Unwissenheit und Mangel an gutem Willen lassen den Gebrauch der Kommunikationsmittel „ins Gegenteil verkehren: die Menschen verstehen sich noch weniger, entzweien sich noch mehr, und die schlimmen Folgen werden ärger“ (Nr. 9). Nur zu oft macht man die Erfahrung, dass durch die sozialen Kommunikationsmittel „die höchsten Werte des menschlichen Lebens verneint oder verfälscht werden“ (ebd.).

Jesus Christus, ein Meister der Kommunikation

In einer auf Jesus Christus bezogenen Perspektive formuliert „Communio et progressio“ folgenden Gedanken: Kommunikation „ist mehr als nur Äußerung von Gedanken oder Ausdruck von Gefühlen“ (Nr. 11). Im Tiefsten ist sie „Mitteilung seiner selbst in Liebe“. Christus erwies sich als „Meister der Kommunikation“. In der Menschwerdung nahm er die Natur derer an, die seine Botschaft empfangen sollten. Die Kommunikationsmittel gehören – so „Communio et progressio“ – zu den wirksamsten Möglichkeiten, die der Mensch einsetzen kann „zur Stärkung der Liebe, die Ausdruck und Quelle der Gemeinschaft ist“ (Nr. 12). Alle Menschen guten Willens sind dringend zu gemeinsamen Anstrengungen aufgerufen, die Instrumente der sozialen Kommunikation „in den Dienst der Wahrheitssuche und der Wahrheitsfindung sowie der Förderung des menschlichen Fortschritts zu stellen“ (Nr. 13). Das Gesamtangebot der verschiedenen Kommunikationsmittel in den verschiedenen Ländern ist danach zu beurteilen, inwieweit es dem Gemeinwohl dient, also – durch Information, Bildung und Unterhaltung – das Leben und die Entwicklung der betreffenden Gesellschaft fördert. Jede Kommunikation muss unter dem obersten Gesetz der Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit und Wahrheit stehen (vgl. Nr. 16 f).

Zum Wohl der Menschheit und zum Zeugnis für Christus

In der Pastoralinstruktion wird auch die Frage gestellt, ob wir an der Schwelle eines völlig neuen Zeitalters der sozialen Kommunikation stehen. Informationen können die menschliche Gemeinschaft festigen, die Welt menschlicher machen und den Frieden sichern. Das Volk Gottes wird sich mehr und mehr bewusst, welche Verpflichtungen ihm heute zufallen. Niemals boten sich ihm so große und zahlreiche Chancen, darauf hinzuwirken, dass die Instrumente der sozialen Kommunikation ihre spezifische Macht einsetzen für das Wohl der ganzen Menschheit, für den Fortschritt der Länder in der sog. Dritten Welt, für die brüderliche Verbundenheit unter den Völkern und auch für die Verkündigung der Heilsbotschaft, damit das Zeugnis für Christus bis an die Grenzen der Erde dringt. Die Kirche will – so „Communio et progressio“ – ihren eigenen Beitrag auf dem Gebiet der sozialen Kommunikation leisten. Sie ruft alle Menschen auf, diese Instrumente in Dienst zu nehmen für den Fortschritt der Menschheit und zur Ehre Gottes.

„Botschaft“ zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel

In der katholischen Kirche wird jedes Jahr am 7. Sonntag der Osterzeit (Sonntag vor Pfingsten) der Welttag der sozialen Kommunikationsmittel begangen. Abweichend von dieser weltkirchlichen Praxis wird der „Welttag der sozialen Kommunikationsmittel“ (Mediensonntag) in Deutschland am zweiten Sonntag im September begangen. Jedes Jahr veröffentlicht der Papst – traditionell am 24. Januar, dem Gedenktag des heiligen Kirchenlehrers Franz von Sales (1567-1622), des Patrons der katholischen Presse und der Schriftsteller, – eine Botschaft zu diesem „Welttag“.

Die gesteigerte Macht der Medien

Vor 20 Jahren hat Papst Johannes Paul II. – in seiner Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 2003 – festgestellt, dass die Macht der Medien zur Gestaltung menschlicher Beziehungen und zur Beeinflussung des politischen und gesellschaftlichen Lebens – im positiven wie im negativen Sinne – in den letzten Jahrzehnten „eine enorme Steigerung erfahren“ (Papst Johannes Paul II., Die Kommunikationsmittel im Dienst am wahren Frieden im Licht von Pacem in terris. Botschaft zum 37. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, in: Communicatio Socialis 36 [2003], 192) hat. Der Papst gibt – mit Verweis auf den Zusammenhang von „Medien und Wahrheit“ bzw. „Medien und Gerechtigkeit“ – zu bedenken, dass für die menschliche Kommunikation die Freiheit unentbehrlich ist, zu untersuchen und auszusprechen, was wahr ist – „ganz besonders bezüglich der Natur und Bestimmung der menschlichen Person, bezüglich der Gesellschaft und des Gemeinwohls und bezüglich unserer Beziehung zu Gott“ (ebd., 193). Die Massenmedien haben in dieser Hinsicht eine unerlässliche Verantwortung, „da sie die moderne Bühne sind, auf der Ideen ausgetauscht werden und Menschen in gegenseitigem Verständnis und Solidarität wachsen können“ (ebd.). Medien leisten – so Papst Johannes Paul II. – oft einen mutigen Dienst an der Wahrheit; manchmal aber „fungieren sie als Agenten von Propaganda und Desinformation im Dienst engstirniger Interessen, nationaler, ethnischer, rassischer und religiöser Vorurteile, materieller Habgier und verschiedenster falscher Ideologien“ (ebd.).

Die Pflichten der Medien zu Wahrheit und Gerechtigkeit

Dem auf die Medien ausgeübten Druck, solcherart auf Abwege zu geraten, müssen sich zuallererst die in den Medien tätigen Männer und Frauen selbst, dann auch die Kirche und andere betroffene Gruppen widersetzen. Johannes Paul II. benennt zwei „besonders schwerwiegende Vergehen“ gegen die Wahrheit und Gerechtigkeit: das Aufhetzen der einen gegen die anderen im Namen der Religion und die diskriminierende Behandlung von religiösen Überzeugungen, da diese zum tiefsten Grund der Würde und Freiheit des Menschen gehören. Die Medien haben die „strikte Pflicht“, durch sorgfältige Berichterstattung, korrekte Erläuterung von Themen und durch faire Darstellung unterschiedlicher Standpunkte Gerechtigkeit und Solidarität in den menschlichen Beziehungen auf allen Ebenen der Gesellschaft zu fördern. Aufgrund ihrer privilegierten Stellung sind die Medien verpflichtet, „sich über rein kommerzielle Anliegen zu erheben und den wahren Bedürfnissen und Interessen der Gesellschaft zu dienen“ (ebd., 194). Medien sind „Schlüsselakteure“ in der heutigen Welt. Aufgrund dieser „enormen Machtfülle“ haben Menschen, die im Medienbereich arbeiten, hinsichtlich ihrer Verpflichtung zu Wahrheit und Redlichkeit höchsten Maßstäben zu genügen. Sie sind angehalten, zu einem sozialen Ordnungsgefüge beizutragen, „das in der Wahrheit gegründet, nach den Richtlinien der Gerechtigkeit erbaut, von lebendiger Liebe erfüllt ist und sich schließlich in der Freiheit verwirklicht“ (ebd., 195).

Die moralische Dimension der Kommunikation

In seiner Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 2004 betonte Papst Johannes Paul II., dass jede Kommunikation eine moralische Dimension hat. Deshalb sind beim Umgang mit den sozialen Kommunikationsmitteln besonders seitens der im Medienbereich Berufstätigen, der Eltern und Erzieher Weisheit und Unterscheidungsvermögen erforderlich, „da ihre Entscheidungen die Kinder und Jugendlichen erheblich beeinflussen, für die sie Verantwortung haben und die schließlich die Zukunft der Gesellschaft sind“ (Johannes Paul II., Die Medien in der Familie: Risiko und Reichtum. Botschaft zum 38. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, in: Communicatio Socialis 37 [2004], 186). Wie werden – so fragt Johannes Paul II. – die Familien in den Massenmedien behandelt? Ehe und Familienleben werden „oft auf eine feinfühlige, realistische, aber auch wohlwollende Weise dargestellt, die Tugenden wie Liebe, Treue, Vergebung und hochherzige Selbsthingabe an die anderen hochhält. Dies trifft auch auf Darstellungen in den Medien zu, die die unvermeidliche Erfahrung von Versäumnissen und Enttäuschungen – Spannungen, Konflikten, Rückschlägen, verhängnisvollen Entscheidungen und verletzenden Handlungen – durch Ehepaare und Familien durchaus einräumen, sich jedoch gleichzeitig darum bemühen, … die echte Liebe von ihren Verfälschungen und die unersetzliche Bedeutung der Familie als Grundeinheit der Gesellschaft zu vermitteln“ (ebd., 187; vgl. auch Marc Kardinal Ouellet, Die Familie – Kirche im Kleinen. Eine trinitarische Anthropologie, Einsiedeln 2013).

Das Wohl der Familien fördern

Andererseits wird in den Medien oft ein „sehr unangemessenes Bild“ vom Familienleben gezeichnet. „Untreue, außereheliche sexuelle Handlungen und das Fehlen einer sittlich-geistlichen Auffassung vom Bund der Ehe werden kritiklos in den Raum gestellt, während Ehescheidung, Empfängnisverhütung, Abtreibung und Homosexualität nicht selten positive Unterstützung erfahren. Durch die Förderung weltanschaulicher Gründe, die der Ehe und Familie abträglich sind, schaden solche Darbietungen dem Gemeinwohl der Gesellschaft“ (Johannes Paul II., Die Medien in der Familie, 187). Johannes Paul II. ruft die Medienschaffenden dazu auf, kommerziellem Druck oder Forderungen nach Anpassung an weltliche Ideologien zu widerstehen. Er hält es auch für dringend notwendig, dass die öffentlichen Stellen „Grundsatzprogramme und regelnde Maßnahmen festlegen, die sicherstellen, dass die Massenmedien nicht gegen das Wohl der Familie handeln“ (ebd., 188). Die sozialen Kommunikationsmittel besitzen „ein enormes positives Potential zur Förderung gesunder menschlicher und familiärer Werte und können somit zur Erneuerung der Gesellschaft beitragen“ (ebd., 189). Die im Medienbereich Tätigen tragen eine moralische Verantwortung dafür, den Familien Ermutigung und Unterstützung zu geben und in ihrer Darbietung von Themen, die sich mit Sexualität, Ehe und Familienleben beschäftigen, „Weisheit, richtige Beurteilung und Anstand walten zu lassen“ (ebd.). Johannes Paul II. betont, dass alle, die mit den Massenmedien zu tun haben, „Verwalter einer ungeheuren geistlichen Kraft sind, die … dazu bestimmt ist, die ganze menschliche Gemeinschaft reicher zu machen“ (ebd.).

Einsatz für eine Kultur des Lebens

In seiner Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 2005 verweist Papst Johannes Paul II. auf die Ambivalenz der neuen Kommunikationsmittel: Einerseits stellt die moderne Technologie ungeahnte Möglichkeiten zum Guten, zur Verbreitung der Glaubenswahrheit und zur Stärkung von Harmonie und Versöhnung zur Verfügung. Andererseits kann der Missbrauch der Technologie „unerhörten Schaden anrichten und dabei zu Missverständnissen, Vorurteilen und sogar Konflikten führen“ (Johannes Paul II., Die Kommunikationsmittel im Dienst der Verständigung zwischen den Völkern. Botschaft zum 39. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, in: Communicatio Socialis 38 [2005], 324). Der Papst verfolgt mit großer Dringlichkeit das Anliegen, durch den Gebrauch der Kommunikationsmittel die Einheit der Menschheitsfamilie zu fördern. Ein wichtiger Weg zur Erreichung dieses Zieles sind Erziehung und Bildung. Die Medien haben „ein großes Potential, Frieden und Brückenschläge zwischen den Völkern zu fördern sowie den fatalen Kreislauf von Gewalt, Unterdrückung und erneuter Gewalt, der heute so weit verbreitet ist, zu durchbrechen“ (ebd., 325). In diesem Zusammenhang erwähnt Johannes Paul II. ausdrücklich den Einfluss der Medien bei einer raschen Mobilisierung von Hilfe bei Naturkatastrophen. Der Papst verweist auch auf das Zweite Vatikanum, das gefordert hat, die Bereitschaft an den Tag zu legen, die Grundsätze sittlicher Wertordnung zu verwirklichen. „Die Medienschaffenden haben die Möglichkeit, eine wahre Kultur des Lebens zu fördern, indem sie sich von der heutigen Verschwörung gegen das Leben distanzieren … und die Wahrheit über den Wert und die Würde jedes Menschen vermitteln“ (ebd.).

Auswirkungen auf die Bildung des Gewissens

Es ist – so Papst Benedikt XVI. im Jahr 2005 – notwendig, „immer besser die Perspektiven und die Verantwortung zu begreifen, die die Entwicklung der Medien mit sich bringt – im Hinblick auf die tatsächlichen Auswirkungen auf das Gewissen und auf die Geisteshaltung der Menschen wie auch auf die Bildung der öffentlichen Meinung“ (Benedikt XVI., Durch die Medien dem Plan Gottes gerecht werden. Ansprache bei der Audienz für Journalisten in der „Aula Paolo VI“ am 23. April 2005, in: Communicatio Socialis 38 [2005], 328). Benedikt XVI. unterstreicht die Verantwortung derer, „die im Mediensektor arbeiten, besonders hinsichtlich der aufrichtigen Suche nach der Wahrheit sowie des Schutzes der zentralen Stellung und der Würde der menschlichen Person“ (ebd.).

Einfluss auf das Verständnis von Wirklichkeit

Thomas Gruber, der ehemalige Intendant des Bayerischen Rundfunks, ist der Überzeugung, dass die Massenmedien „zunehmend bestimmen, was wir als Wirklichkeit erfahren, was Bedeutung und Gewicht für uns hat“ (Journalismus als Dienst an der Gesellschaft. Gefährdungen durch Fehlentwicklungen, Versuchungen, Beeinflussungen, in: Communicatio Socialis 37 [2004], 29). Wenn die Medien „auch definieren, was wir überhaupt als Wirklichkeit wahrnehmen und erkennen, dann haben sie freilich einen enormen Einfluss – und dann gehört der Beruf des Journalisten auch zu den wichtigsten Berufen in der Gesellschaft“ (ebd.). Journalismus muss sich – so Thomas Gruber – „als Dienst an der Gesellschaft verstehen“ (ebd., 34). Menschenwürde „darf nicht mit Einschaltquote verrechnet werden“ (ebd., 36).

Text: Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml, Bild: Prof. Dr. Veit Neumann

 

 

 



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