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Prof. Kreiml über den interreligiösen Dialog zwischen Christen und Angehörigen anderer Religionen

Das Potenzial des gelebten Glaubens

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Regensburg, 10. März 2025

Der interreligiöse Dialog ist nicht nur im Hinblick auf die heute zunehmenden politischen und sozialen Konflikte von größter Bedeutung, sondern allein schon aufgrund der Tatsache, dass die Religion grundlegend zur Identität des Menschen gehört.

Freundschaften zwischen Menschen verschiedenen Glaubens

Voraussetzung für das Gelingen des Dialoges zwischen Angehörigen verschiedener Religionen, der nicht nur einen Austausch der „Köpfe“, sondern auch der „Herzen“ umfassen soll, sind die gegenseitige Wertschätzung, die Fähigkeit des Einander-Zuhörens und der Austausch von Werten (vgl. Francis Kardinal Arinze, Begegnung mit Menschen anderen Glaubens. Den interreligiösen Dialog verstehen und gestalten, München 1999).

Kardinal Arinze, der ehemalige Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, hat darauf hingewiesen, dass es nie zuvor in der Menschheitsgeschichte so viele Begegnungen zwischen Angehörigen verschiedener Religionen gegeben hat wie in den vergangenen Jahrzehnten. Politiker schätzen gute Beziehungen zwischen Angehörigen verschiedener Religionen als dem Gemeinwohl dienlich ein. Der echt gelebte Glaube enthält das Potential, über religiöse Grenzen hinweg tiefe Freundschaften zwischen Menschen wachsen zu lassen. Francis Arinze unterscheidet verschiedene Formen des Dialogs (Dialog des Lebens, des sozialen Handelns, des theologischen Austausches und der religiösen Erfahrung).

Feste Verwurzelung im eigenen Glauben

Der interreligiöse Dialog kann nur gelingen, wenn die religiöse Identität der am Gespräch Beteiligten geklärt ist. Ein durch falsche Rücksichtnahmen motiviertes „Herunterspielen“ der persönlichen Glaubensidentität würde auf einen Verrat an der eigenen religiösen Sendung hinauslaufen. Zu den Grundvoraussetzungen eines fruchtbaren interreligiösen Dialogs gehört, dass alle Beteiligten ihre „Visitenkarte“ in aller Offenheit präsentieren. Die ehrliche und feste Verwurzelung in der eigenen Glaubensüberzeugung ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Dialogs. Es darf von niemandem als Provokation aufgefasst werden, wenn die Teilnehmer des Religionsdialogs ihre religiöse Identität klar zum Ausdruck bringen. Die Dialogpartner sollten loyale und authentische Gläubige ihrer jeweiligen Religion sein. Unwissenden, vollkommen säkularisierten Christen fehlen die Voraussetzungen für diesen Dialog. Angesichts weitgehend säkularisierter Gesellschaften in den christlich geprägten westlichen Staaten kann man nur hoffen, dass die auf Gott bezogene Dimension der menschlichen Person in Zukunft wieder klarer hervortritt.

Die Weltreligionen und das Heil in Christus

Längst nicht alle Religionen schätzen den interreligiösen Dialog in gleicher Weise wie die Katholische Kirche. Die Begegnung mit anderen Religionen kann auch dazu beitragen, dem eigenen Glauben wieder mehr Wertschätzung entgegenzubringen. Der Glaube respektiert die Kulturen. Er versucht aber auch, sie kritisch und differenziert zu bewerten. Die Inkulturation des christlichen Glaubens stellt eine außerordentlich wichtige Aufgabe dar, wobei freilich mit Augenmaß zu verfahren ist, um einen Synkretismus (Vermischung verschiedener Religionen) oder einen Relativismus (ein Absehen von der Glaubenswahrheit) zu vermeiden. Bei der Frage nach der Bedeutung der Weltreligionen im Heilsplan Gottes ist zu beachten, dass diese Bedeutung letztlich nur Gott kennt. Der „ordentliche Weg“ zum Heil und die Fülle der Heilsgaben sind nur in der Kirche zu finden. In vielen Religionen sind jedoch Elemente gegeben, die den Menschen auf die Begegnung mit dem „Heil in Christus“ vorbereiten. Wenn auch Menschen außerhalb der sichtbaren Grenzen der Kirche das ewige Heil erlangen können, so beruht dieses in jedem Fall auf der Heilstat Christi (vgl. Regina Polak [Hg.], Interreligiöser Dialog. Wissenschaftliche Zugänge zur Begegnung der abrahamitischen Religionen, Paderborn 2023).

Das Recht auf Religionsfreiheit

Das Recht auf Religionsfreiheit ist ein universales Menschenrecht. In Fragen des Gewissens und der Religion darf niemand auf andere Menschen Druck ausüben. Denn der Glaube ist die freie Hingabe des Geschöpfes an seinen Schöpfer. Infolgedessen ist die Forderung zu erheben, dass in allen Ländern Glaubens- und Kultfreiheit gewährt werden. Die Religion ist keine Privatangelegenheit. Ihr kommt vielmehr eine öffentliche, soziale Dimension zu. Der Glaube verlangt das Bekenntnis. Er darf nicht als eine Art „Schmuggelgut“, das man am besten versteckt, behandelt werden. Die Katholische Kirche setzt sich in christlich geprägten Ländern vorbehaltlos für die Religionsfreiheit ein. Insofern erwartet sie mit Recht, dass auch den Christen in allen vorwiegend durch andere Religionen geprägten Ländern Religionsfreiheit gewährt wird. Hinsichtlich des Rechtes auf Religionsfreiheit ist das Prinzip der Gegenseitigkeit geltend zu machen. „Wer für Glaubensgefährten in einem anderen Land Religionsfreiheit fordert, sollte sie auch religiösen Minderheiten im eigenen Land gewähren“ (Kardinal Arinze, Begegnung mit Menschen anderen Glaubens, S. 85).

Jede ernst zu nehmende Religion lehrt die Goldene Regel. Die Tatsache, dass in manchen Staaten das Prinzip der Religionsfreiheit immer noch nicht akzeptiert wird, ist höchst beklagenswert. Extremistische, zum Teil gewaltbereite Gruppen in verschiedenen Religionen stellen für den interreligiösen Dialog, der auf dem Respekt vor den Rechten eines jeden Dialogpartners basiert, ein großes Problem dar. In diesem Zusammenhang ist auch zu kritisieren, dass manche Regierungen der christlich geprägten Länder Europas ihre Pflicht, mit Nachdruck für die Religionsfreiheit ihrer Staatsangehörigen in nichtchristlichen Ländern einzutreten, in eklatanter Weise vernachlässigen. Kardinal Arinze betont auch, dass die Religionen „an sich“ nicht als Ursache von Spaltung, Gewalt und Krieg anzusehen sind. Der Missionswissenschaftler und anglikanische Bischof Thomas Schirrmacher ist in einer Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen, dass derzeit keine andere Religionsgemeinschaft so sehr unter Verfolgung zu leiden hat wie die christliche. Islamische Länder spielen bei der Verfolgung von Christen eine äußerst unrühmliche Rolle (vgl. Adel Theodor Khoury, Der Islam und die westliche Welt. Religiöse und politische Grundfragen, Darmstadt 2001 und Ursula Spuler-Stegemann [Hg.], Feindbild Christentum im Islam. Eine Bestandsaufnahme, Freiburg 2004).

Die Pflicht, das Evangelium zu verkünden

In seinen Ausführungen über die theologische Bedeutung der verschiedenen Religionen wendet sich Kardinal Arinze, der ehemalige Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, gegen eine „Welteinheitsreligion“ und betont, dass für Christen die Verpflichtung, die Frohbotschaft von der Erlösung durch Jesus Christus zu verkündigen, bis ans Ende der Tage gültig bleibt. Dabei hat die Evangelisierung in einer „würdigen Weise“ zu erfolgen. D. h. sie muss die menschliche Freiheit achten. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Früchte einer beharrlichen Arbeit im interreligiösen Dialog zu verweisen. So haben z. B. in Großbritannien Christen und Muslime gemeinsam für den Schutz des ungeborenen Lebens demonstriert. Auch die möglichen Gefahren des interreligiösen Dialogs (z. B. Relativismus, Vermischung der Inhalte verschiedener Religionen, religiöse Gleichgültigkeit, Glaubensverlust) sind in diesem Zusammenhang zu benennen. Ein Hauptgrund dafür, dass Christen mit anderen Religionen „flirten“, ist in der Tatsache zu sehen, dass sie den Reichtum ihres eigenen Glaubens nur unzureichend kennen.

Vier Grundformen des interreligiösen Dialogs

Der interreligiöse Dialog ist als „Begegnung von Gläubigen verschiedener Religionen in einem Klima der Freiheit und Offenheit“ (Francis Arinze, Begegnung mit Menschen anderen Glaubens, S. 10; vgl. auch F. Kardinal Arinze, Religionen gegen die Gewalt. Eine Allianz für den Frieden, Freiburg 2002) zu verstehen. Dabei sind vier Grundformen dieses Dialogs zu unterscheiden: Den „Dialog des Lebens“ hat z. B. der hl. Charles de Foucauld (1858-1916) praktiziert, als er unter den Muslimen lebte. Zum „Dialog des Handelns“ ist der gemeinsame Einsatz für humanitäre Projekte zu zählen. Von entscheidender Bedeutung ist der „Dialog des theologischen Austausches“, d. h. der Dialog über die verschiedenen Glaubenslehren. Die ruhige Reflexion und die respektvolle Aufmerksamkeit gegenüber anderen bilden die notwendige Grundhaltung dieses Dialogs. Im „Dialog der religiösen Erfahrung“ lassen Angehörige verschiedener Religionen einander an ihren Erfahrungen in Meditation, Gebet und Kontemplation teilhaben. Dem interreligiösen Dialog ist es außerordentlich dienlich, wenn die Beteiligten über einen soliden spirituellen Hintergrund verfügen, d. h. zutiefst geistliche Menschen sind. Menschen mit einer tiefen Spiritualität verstehen einander leichter als bloße theologische Spezialisten. Der Dialog der religiösen Erfahrung kann als ein wichtiges Element der eigenen geistlichen Reifung angesehen werden.

Das Verständnis der Erlösung vertiefen

Kardinal Arinze erläutert auch die theologischen Gründe für das Engagement der Katholischen Kirche im interreligiösen Dialog: Er äußert die Überzeugung, dass überall dort, wo das aufrichtige Gebet und die Liebe zum Mitmenschen praktiziert werden, Gott „in irgendeiner Weise“ am Werk ist. Die Begegnung mit anderen Philosophien und Religionen stellt für die Christen eine Bereicherung dar. Innerhalb der Katholischen Kirche hat sich der Dialog der Religionen im Hinblick auf das theologische Verständnis der Erlösung und die Sensibilität für die Beziehung zwischen Glaube und Kultur bereits in der Vergangenheit als fruchtbar erwiesen. Bei aller notwendigen Unterscheidung der Geister ist nicht zu übersehen, dass die Begegnung mit anderen Religionen auch dem Bemühen der Kirche um eine Inkulturation des Evangeliums dienlich ist. Die Kirche ist überzeugt, dass der Religionsdialog ein wichtiges Element ihres universalen Sendungsauftrages bildet. Francis Arinze betont ausdrücklich, dass jeder Mensch das Recht und die Pflicht hat, nach der religiösen Wahrheit Ausschau zu halten. Auf der Basis des Menschenrechtes der Religionsfreiheit gibt es ein legitimes Recht zur Glaubensverkündigung. Die Verkündigung der eigenen Religion sollte in einer dialogischen, d. h. „demütigen“ Weise geschehen. „Proselytenmacherei“ (Verbreitung der eigenen Religion unter Anwendung von Druck) ist als unstatthaft zurückzuweisen (vgl. Johannes Paul II., Versöhnung zwischen den Welten. Im Gespräch mit den Religionen, herausgegeben von M. Kopp, München 2004).

Text: Domkapitular Prof. Dr. Josef Kreiml, Leiter der Hauptabteilung Orden und Geistliche Gemeinschaften im Bistum Regensburg

(kw)



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