Missbrauchsaufarbeitung für alle Opfer
Eine ernst gemeinte Aufarbeitung von Missbrauch könne jedoch nicht bei kirchlichen Fällen Halt machen. Damit stimmte der Bischof einem Kommentar der Mittelbayerischen Zeitung zu, der sich mit dem Gutachten zum sexuellen Missbrauch im Erzbistum München und Freising auseinandersetzte. Es war in der vorausgegangenen Woche veröffentlicht worden. Der Kommentar wies auf die gesamtgesellschaftliche Tragweite gewalttätiger Sexualität hin und zeigte mit Zahlen aus der deutschen Kriminalstatistik die Dimensionen auf – darunter allein 80.000 Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung in einem einzigen Jahr (2020).
Aufarbeitung ja. Sündenbock nein.
So sehr sich die Kirche ihrer Schuld stellen müsse, so wenig tauge sie zum Sündenbock, auf dem man einen in allen gesellschaftlichen Bereichen wuchernden Missbrauch ablädt, um sich ansonsten damit nicht weiter befassen zu müssen. Zum wiederholten Male forderte Bischof Voderholzer einen Institutionenvergleich und fragte: „Wo sind denn die Maßnahmen zur Aufarbeitung in der Schule oder beim Sport? Da ist die Kirche doch meilenweit voraus.“
Das gelte auch für die Anerkennungsleistungen. Der Kommentar der Mittelbayerischen Zeitung hatte die Anerkennungsleistungen der Kirche von bis zu 50.000 Euro mit den Schmerzensgeldern verglichen, die Gerichte zuerkennen. Sie überstiegen sehr selten die 10.000-Euro-Grenze. „Wer diese Summen angesichts einer zerstörten Kinderseele beklagt, der sollte sich zunächst an den Bundesjustizminister, nicht an den früheren Erzbischof Ratzinger und späteren Papst wenden“, zitierte Bischof Voderholzer den Kommentar der Mittelbayerischen.