Regensburg, 27. November 2024
Wenn man das Buch über den Heiligen Wolfgang als gewichtiges Werk bezeichnet, dann darf man das zunächst einmal sehr wörtlich nehmen. Es hat ein ordentliches Gewicht. Auf über 500 Seiten hochwertig glänzendem Papier wird der Jubilar, der Heilige Wolfgang, Mönch und Bischof von Regensburg, in seinem Wirken und seiner Verehrung umfassend beschrieben. Die Herausgeber Klaus Unterburger und Daniel Rimsl haben nicht nur selbst Texte beigesteuert, sie haben eine sehens- und lesenswerte Auswahl an Texten zusammengetragen, die von teils ganzseitigen, hochwertigen Fotografien begleitet werden. Natürlich kommt ein solches Werk nicht ohne Grußwort des Bischofs aus. In seinem Beitrag zeichnet Bischof Rudolf Voderholzer schon einmal die Linie des vorliegenden Buches auf. Der Heilige ist nicht nur der Vorgänger des jetzigen Bischofs von Regensburg, er war ein echter katholischer Reformer, ein Intellektueller, ein Mann des Glaubens und der Kultur. Das alles entfaltet sich in zahlreichen Beiträgen, die einzeln zu würdigen den Rahmen sprengen würde.
Den Start macht natürlich eine kurze biographische Beschreibung des Heiligen, der die Herausgeber eine doppelseitige Karte der Wolfgangsverehrung vorangestellt haben. Im Jahr 924 in eine Nichtadelige Familie hinein geboren, macht Wolfgang eine erstaunliche Karriere, die ihn in höchste Kreise des Reiches führt. Der Weg des Heiligen, das wird deutlich, ist der Weg der Bildung. Es folgen der Eintritt ins Kloster, Bischof von Regensburg, Gründung des Bistums Prag und sein Wirken als Reformbischof. Sehr beeindrucken kann in einer Zeit, in der Tod und Sterben aus dem Leben verschwindet, das öffentliche Sterben des Bischofs, der die Menschen sogar eingeladen hat, in seinem Sterben bei ihm zu verweilen.
Ein Bischof und Reformer
Viel Raum im Buch nehmen die Reformen Wolfgangs ein. In kirchlichen Krisenzeiten zu leben ist nicht uns allein vorbehalten. Auch im Mittelalter war die Kirche in einer tiefen Krise. Vor allem von den Klöstern gingen wichtige Impulse aus. So trennte Wolfang das Amt des Abtes von seinem Bischofsamt. Zwar behielt er eine monastische Lebensweise bei, konnte sich jedoch so besser der Seelsorge und seine Leitungspflichten als Bischof widmen. Der Aufsatz „Neues und Altes zugleich“ beschreibt das reformerische Wirken des Heiligen sehr ausführlich. Kirche und Adel waren im Heiligen Römischen Reich eng miteinander verwoben. So waren auch Bischöfe immer politisch. Der Heilige Wolfgang ist keine Ausnahme davon. Wie ein Streit von Herrschern eine Wallfahrt auszulösen vermag, beschreibt Mitherausgeber Daniel Rimsl in seiner Geschichte der Wallfahrt in St. Wolfgang im Salzkammergut.
Die zweite Hälfte des Buches widmet sich schwerpunktmäßig der Verehrung des Heiligen an den verschiedenen Orten. Naturgemäß nimmt die Darstellung seinen Ausgang mit der frühen Verehrung und der Heiligsprechung. Im 1052 erfolgte die Heiligsprechung durch Papst Leo IX. Diese erfolgte durch Übertragung des Heiligen in eine neue Krypta und einen Kanonisationsspruch des Papstes. Sehr ausführlich und anschaulich beschreibt Bernhard Lübbers, Historiker und Leiter der Staatlichen Bibliothek Regensburg, den Beginn und die Ausbreitung der Verehrung des Heiligen. Spannend ist hier der Schluss des Aufsatzes, der erklärt, warum der Heilige in Regensburg, dem Ort seines Wirkens und des Grabes nie so etwas wie ein Stadtheiliger wurde. Nun folgen einige Aufsätze zu verschiedenen Orten der Verehrung, Wolfgangskirchen und -kapellen sowie Aufbewahrung und Verehrung von Reliquien des Heiligen. Trotz der Anfangs sehr spärlichen Verehrung des großen Heiligen in Regensburg und der unmittelbaren Umgebung gibt es heute eine recht große Anzahl an Kirchen und Kapellen mit Patrozinium des Heiligen. Einen regelrechten Schub der Wolfgangsverehrung, so der Autor Hermann Reidel, habe das 900-jährige Jubiläum im Jahr 1894 gebracht. Es folgt dieser Aussage eine beeindruckende Liste und anschaulich Karte von Patrozinien auf dem Gebiet der Diözese Regensburg.
Eine weitere Translation
Spannend wird es im 17. Jahrhundert, als sich zunächst durch eine Auffindung und Translation der Gebeine des Heiligen ein starker Impuls für die Verehrung ergibt. In den folgenden Aufsätzen widmen sich die Autoren den Heiligen in der Gegenreformation und im Barock. So richtig spannend wird es, wenn in Buch die Kontroverse um die Gründung der Regensburger Domspatzen aufgegriffen wird. Auch diese führen sich heute auf eine Gründung durch den Bistumspatron zurück. Nach den Beschreibungen einige moderner Wolfgangskirchen folgt am Ende ein Rückblick auf die Wolfgangswochen seit ihrer Gründung 1964. Damit rundet der Band die Geschichte des Heiligen von seiner Geburt bis heute ab. Dem Untertitel Geschichte, Verehrung, Kunst wird das Werk sehr gut gerecht. Wer sich durch die Seiten gelesen hat, bekommt nicht nur ein gutes Bild von der ottonischen Zeit des Mittelalters. Es zeigt ferner die maßgeblichen Auswirkungen der Zeit auf das Bischofsamt, dass sich neu aufstellte und seine Position mit und gegen die weltlichen Gewalten aber auch innerhalb des Klerus positionierte. Es zeigt den Verlauf einer Heiligeverehrung im Laufe der Jahrhunderte als einen nicht immer glatten und geraden Weg. Die Texte lassen sich auch dann gut lesen, wenn man die Vielzahl der Fußnoten nicht beachtet. Wer es genauer wissen will, darf sich über eine gute Basis an Quellen und Querverweisen freuen.
Am Ende noch ein Wort zu den Bildern, die einen großen Teil des Bandes ausmachen. Sie sind gut ausgewählt und klug platziert. Damit stellen die Aufnahmen, Faksimiles und Grafiken sich selbstbewusst neben die Texte. Wer gerade nicht lesen mag oder einem Kind etwas über Wolfgang erzählen möchte, kann sich einfach durch die Bilder blättern und findet hier ein ganz eigenes Vergnügen. Wer in Regensburg, Böhmen oder am Wolfgangsee wohnt, findet in dem Werk einiges an regionaler und überregionaler Geschichte. Tatsächlich lohnt sich dieser Band auch für Leser, die nicht katholisch sind, denn die Schilderungen des Buches haben wesentlich mit der Geschichte unseres Landes zu tun, es sind prägende Geschehen, die teils bis heute nachwirken. Darum zu wissen stärkt das Verständnis der Gegenwart. Ein Buch für 50 Euro kauft man vielleicht nicht nebenbei, doch das nahende Weihnachtsfest ist eine gute Gelegenheit, es der Familie auf den Gabentisch zu legen und gemeinsam darin zu schmökern. Die nächste Wallfahrtssaison kommt bestimmt und es finden sich reichlich lohnende Ziele darin, die man so schon mal kennenlernen kann.
Daniel Rimsl, Klaus Unterburger (Hrsg.)
Wolfgang, Bischof von Regensburg, Heiliger Europas.
Geschichte, Verehrung, Kunst.
512 Seiten.
Regensburg, Verlagsgruppe Schnell und Steiner. 1. Auflage 2024.
ISBN: 978-3-7954-3885-2
Mit Beiträgen von: Klaus Unterburger, Veronika Lukas, Jörg Bölling, Elmar Hochholzer, Christof Paulus, Petr Kubín, Harald Buchinger, David Hiley, Natalie Glas, Daniel Rimsl, Bernhard Lübbers, Martin Berger, Wolfgang Augustyn, Maximilian Kolbeck, Rosmarie Schiestl, Jan Royt, Hermann Reidel, Tobias Appl, Katharina Kagerer, Martina Außermeier, Werner Schrüfer, Fabian Weber, Walter Zahner, Mathias Baumgartner, Camilla Weber und einem Grußwort des Bischofs Rudolf Voderholzer
Text: Peter Winnemöller