Kirchen aus dem Bistum: St. Ägidius in Haidenkofen
Eine achteckige Besonderheit
Regensburg, 9. Januar 2025
Ein Turm bildet den Chorraum der Kirche, das Schiff ist ein Oktogon. Zudem hat diese Chorturmkirche über die Jahrhunderte eine aufregende Baugeschichte.
Der kleine Ort Haidenkofen liegt im äußersten Südwesten der Oberpfalz. Nicht nur als Golddorf im Bundeswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ im Jahr 2010 wurde Haidenkofen bekannt, es stellte zudem etwa zur gleichen Zeit von 2009 bis 2011 die Zuckerrübenkönigin. Das ist keine geringe Leistung angesichts einer Einwohnerzahl von gerade einmal 82 gemeldeten Bürgern. Auch die Kirche im Ort lohnt einen genaueren Blick. Die Filialkirche St. Ägidius gehört zur Pfarrei Sünching.
Die heutige barocke Saalkirche wurde im späten 17. oder frühen 18. Jahrhundert errichtet. Der eingezogene, querrechteckige Altarraum ist kreuzgratgewölbt. Die Kirche hat ein hohes achteckiges Langhaus mit barocker Flachdecke, umlaufende Empore, doppelter Fensterreihe und an der Südseite eine romanische Rundbogenöffnung. Grabungen, die 1983/84 im Rahmen einer Restaurierung durchgeführt wurden, ergaben, dass die Kirche auf den Grundmauern des Vorgängerbaus aus dem 12. Jahrhundert errichtet wurde. Die Kirche besteht aus einem oktogonalen (achteckigen) Zentralbau und dem Chorturm im Osten, der mit einer Zwiebelhaube bedeckt ist. Bei den Grabungen wurde festgestellt, dass es sich bei dieser Chorturmkirche um eine bauliche Rarität handelt. Bereits der achteckige Grundriss der Kirche wird als eine Besonderheit im Kirchenbau angesehen, die in Bayern kaum mehr vorkommt. Die Grabungsarbeiten ergaben, dass das Fundament der Kirche aus Kalksteinquadern besteht und aus der romanischen Zeit stammt. Die Archäologen datieren es auf den Zeitraum 1000-1200 nach Christus. Bei den Grabungsarbeiten unter dem Boden im Innern der Kirche wurde in der Mitte des Oktogons ein kreisrundes Fundament aus Bruchsteinen von ungefähr einem Meter Durchmesser gefunden. Es handelt sich hier nach Ansicht der Fachleute um eine Mittelsäule, die das frühere Gewölbe zur Außenwand trug. Nach Aussage des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege handelt es sich um einen in Bayern äußerst seltenen „Einstützenraum“ des frühen Mittelalters. Bei einem solchen gibt abgesehen von den Außenwänden nur eine mittig angeordnete Säule. Den Bautypus Einstützenraum gibt es sowohl als liturgisch genutzten Raum als Kirche oder Kapelle als auch als Funktionsbau in sakralem Kontext, etwa als Kapitelhaus oder Bibliotheksraum. Ein Beispiel für einen solchen Bau ist St. Magdalena, eine spätromanische, später gotisch eingewölbte Rundkirche in Vilshofen an der Donau. Ein weiterer Fund bei der Renovierung von 1983 sind romanische Wandmalereien, mutmaßlich eine Bilderbibel, die bei der Freilegung an den Gewölbeauflagern der mittelalterlichen Gewölbekuppel zum Vorschein kamen.
Gewölbe zu schwer
Eine im Innern der Kirche angebrachte Jahreszahl „1691“ verweist auf die in dem Jahr durchgeführte Barockisierung dieser Kirche. Der bis dahin vorhandene Einstützenraum des frühen Mittelalters war demnach bis zum Jahre 1691 vorhanden. Eine Kirchenrechnung aus dem Jahr, die im Archiv von Schloss Sünching aufbewahrt wird, zeigt, dass das bis dahin vorhanden gewesene doppelte Gewölbe so schwer war, dass die Mauern des Turms und der Kirche hinausgeschoben wurden. Das Gewölbe und auch die große Säule wurden abgebrochen. Bei dieser Baumaßnahme wurde ein neuer Dachstuhl sowohl für die Kirche als auch für den Turm erstellt.
Die Kirche ist ein in ihrer jetzigen Gestalt achteckiger Zentralbau mit einem angebauten Turm im Osten. Der Turm der Kirche, der im Untergeschoss noch immer romanisch ist, enthält einen quadratischen Chor. Dies erklärt die Bezeichnung „Chorturmkirche“. Der Turm hat sehr zahlreiche unregelmäßig angeordnete Fenster, Scharten und romanischen Rundbogenöffnungen. Als weitere Besonderheit geht der Turm von seiner am Boden rechteckigen Form zur Spitze hin in eine achteckige über. Das oberste achteckige Geschoss des Turmes beherbergt den Glockenstuhl, in dem zwei Kirchenglocken hängen. Die kleinere dieser Glocken wurde im Jahr 1780 vom Glockengießer Johann Florito aus Straubing mit ca. 32 kg, Durchmesser 40 cm gegossen. Diese hat alle Kriegswirren des 20. Jahrhunderts überstanden. Sie ist mit Bildern einer Kreuzgruppe und den Heiligen Johannes und Paulus verziert. Sie läutet seit über 200 Jahren täglich zum Gebet. Die zweite, größere Glocke ist die dritte an dieser Stelle. Die erste aus dem Jahr 1770 aus der Glockengießerei Florito in Straubing wurde im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen. Der Ersatz aus dem Jahr 1927 wurde im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen. Den Ersatz für diese bildet nun eine 1956 neu erstandene und geweihte Glocke. Diese Bronzeglocke wiegt 78 kg und wurde bei Gugg in Straubing gegossen.
Altarbild aus der Feder eines Fassmalers
Im Chorraum der Kirche steht ein schlichter Holzaltar. Das Altarbild des hl. Ägidius stammt von dem Fassmaler Johann Scheck. Dieser schuf auch Bilder für die Basilika St. Jakob in Straubing sowie für die Wallfahrtskirche in Loh. Haidenkofen, so betont die Webseite des kleinen Ortes, darf sich somit glücklich schätzen, mit seinem Altarbild in einer Reihe mit St. Jakob in Straubing und der Wallfahrtskirche in Loh zu stehen. Auf dem Altar stehen links und rechts zwei etwa 40 cm große Heiligenfiguren. Auf der linken Seite wird der hl. Antonius von Padua dargestellt. Der Heilige genießt eine besondere Verehrung, weil er – nicht nur in Bayern als „Schlamperltoni" verehrt – verlorene Dinge gegen eine Spende für die Armen zurückbringt. Die rechte Figur stellt den hl. Aloisius von Gonzaga, Jesuit und Patron der Jugend und der Studenten, dar.
In der Literatur finden sich weitere Kunstschätze, die der Kirche St. Ägidius zugeordnet sind. In den Seitenwänden des Chores standen zu früheren Zeiten drei bemalte Holzfiguren: der Heilige Leonhard, der Heilige Florian und die Heilige Ottilie. Alle drei datieren in die Frühzeit des 16. Jahrhunderts und gelten als kunsthistorisch wertvoll. Diese befinden sich jedoch nicht mehr in der Kirche. Der Heilige Florian befindet sich in der Pfarrkirche in Sünching, die beiden anderen Figuren gelten als verschollen. Eine Darstellung von „Christus an der Martersäule" aus der Zeit um 1750 wurde während der jüngsten Kirchenrenovierung als Dauerleihgabe an die Pfarrkirche gegeben. An der Brüstung der umlaufenden Empore ist ein Kreuzweg aus dem Jahr 1853 angebracht. Der umgebende Friedhof und die weiße Friedhofsmauer runden die Anlage der Kirche in Haidenkofen harmonisch ab.
Text: Peter Winnemöller
(kw)
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In der Reihe Kirchen aus dem Bistum Regensburg stellen wir Kirchen, Klöster und Kapellen vor, die sich im weiten Einzugsgebiet der Diözese befinden.