Kirche, Karneval und Kardinäle - Über den heiligen, unheiligen Fasching in Regensburg
Kirche und Karneval, wie der Fasching im Rheinland genannt wird und Fastnacht und Fastenzeit gehören einfach untrennbar zusammen.
Aus dem anfänglich nur auf einen Abend beschränkten ausgelassen Feiern vor Beginn der Fastenzeit, die Fastnacht oder auch Fasenacht, wird nach und nach ein Fest aus mehreren Tagen und später sogar Wochen. Auch in dem im Rheinland oder Venedig üblichen Begriff Carneval, soll ein Hinweis auf die nahende Fastenzeit stecken. So wird „Carne vale“ mit „Fleisch lebe wohl“ übersetzt. Man verabschiedete sich von fleischlichen Genüssen jedweder Art. Denn nicht nur das gute Essen gehörte zum Karneval bzw. der Fastnacht, sondern auch vielfältige ausgelassene Sinnenfreuden der Bevölkerung, die der Kirche verständlicher Weise überhaupt keine Freude bereiteten.
Regensburg - Längere Fastnachtstradition als Köln und Düsseldorf
Aber wieder zurück nach Regensburg. In der alten Bischofsstadt ist die sogenannte fünfte Jahreszeit schon seit über 760 Jahren urkundlich nachweisbar. Ist das altehrwürde Köln zwar der ältere Bischofssitz, so übertrifft ihn die Donaumetropole aber um gute hundert Jahre, was die Fastnachtstradition anbelangt. Anlass für die erste urkundliche Erwähnung der Fastnacht in Regensburg im Jahre 1249 war, wie könnte es fast nicht anders sein, ein kirchengeschichtliches Ereignis. Der Benediktiner-Abt Wernher von Prüfening beklagt sich bei der römischen Kurie über die Schüler der Regensburger Domschule, die beim sog. maskierten "Bischofsspiel" allzu arg ihren Schabernack mit den Mönchen und Mitarbeitern von Kloster Prüfening trieben.
Die Kurie wies dann den Regensburger Bischof Albert I. an, solches Treiben zu unterbinden. Trotz Anweisung aus Rom und bischöflichem Verbot wird das "Bischofsspiel" bis in die 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts weitergeführt. Im Jahre 1357 wird sogar der Regensburger Domherr Conrad von Praunau von einem Bürger bei diesem „Bischofsspiel“ erstochen. Erst feierten nur die Ratsherren und Bürger, auch der Bischof oder der Abt von St. Emmeram, der Adel oder die Handwerker, Schüler oder Studenten, und seit dem 17. Jahrhundert kamen auch noch die Gesandten an den Reichstagen hinzu. Die Festivitäten waren vielfältig und üppig. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts sollte ein Regensburger Oberhirte der Fastnacht in der Donaumetropole neue Impulse geben.
Mainzer prägen den Regensburger Fasching
Als 1802 der Mainzer Kurfürst und Erzbischof Carl Theodor von Dalberg als Erzbischof nach Regensburg übersiedelte, brachte er wohl auch die Mainzer Karnevalsgepflogenheiten mit in die Domstadt. Und 1848 war es dann wieder ein Sohn der Stadt Mainz, der homöopathische Arzt und liberale Freidenker Dr. Carl Gerster, der in Regensburg die „Carnevalsgesellschaft Narraconia“ gründete, die damit bis zum heutigen Tag Bayerns älteste Gesellschaft ist. Die Kirche spielte in dieser Zeit, weiß Regensburgs Stadtheimatpfleger Dr. Werner Chrobak, im Fasching eine besondere Rolle:
„Heute sieht man ja oft Narren als Ordensleute oder Kleriker kostümiert, eine Kostümidee, die nicht erst in unseren Zeiten sich geteilter Zustimmung erfreut. Bereits am 1. März 1848 hieß es in einem Schreiben des Präsidiums der königlichen Regierung der Oberpfalz und Regensburg: 'Dem unterfertigten Regierungs-Präsidium ist von glaubwürdiger Seite die Anzeige gemacht worden, daß … beim Maskenzuge … mehrere Gestalten, in ihren Masken und Beziehungen an Jesuiten erinnernd, figurieren würden…' Weiter wurde darauf hingewiesen, dass unter der katholischen Bevölkerung Regensburgs darüber große Aufregung herrsche und eine öffentliche Demonstration gegen diese Profanierung beabsichtigt werde. Vieles hat sich seit damals geändert, manches aber eben nicht.“
Regensburgs katholische Faschingsgesellschaft Lusticania
Mit der Kirche und dem christlichen Glauben, gar dem katholischen, hatte die Narragonia und ihre Mitglieder eher weniger zu tun. Anders ist das bei ihrer "Kleinen Schwester", der Faschingsgesellschaft Lusticania Regensburg, die 1958 im Kolpinghaus St. Erhard Regensburg gegründet wurde und deren Träger bis 1981 auch die Kolpingfamilie St. Erhard war. Nach einer kurzen Pause hob der Kolpingwerk Bezirksverband Regensburg die Lusticania wieder aus der Taufe und sie bildet heute neben der Narragonia einen festen Bestandteil des Faschingslebens in Regensburg.
Ihre kirchlichen Wurzeln erkennt man auch an der Vielzahl von geistlichen Ordensträgern: Unter den Rittern des "Ordens vom Goldenen Humor" zählt man mehr als zehn Priester, neben dem Domprediger Dr. Werner Schrüfer (Ordensverleihung 2002) auch den ehemaligen Bischöflichen Finanzdirektor und Domdekan, Prälat Robert Hüttner (1984). Einer der Ritter des "Ordens vom Goldenen Humor" hat sogar einen bischöflichen Stuhl erklommen, nämlich der damalige Kolpingpräses und spätere Diözesanbischof von Passau, Wilhelm Schraml (Ordensverleihung 1981).
Dabei sind bischöfliche Ordensträger keine Seltenheit. Wieder einmal ein Mainzer Oberhirte, nämlich Karl Kardinal Lehmann, erhielt 2005 in Aachen den „Orden wider den tierischen Ernst“ und sogar der Bischof von Rom ist Inhaber eines hohen Faschingsordens: Als Münchner Erzbischof wurde Joseph Kardinal Ratzinger 1989 mit dem „Karl Valentin-Orden“ der Narrhalla ausgezeichnet. Seit dem 17. Februar 2014 wird auch der Regensburger Bischof jährlich mit dem Saison-Orden der Lusticania ausgezeichnet. Die Verleihung findet dann im Bischöflichen Ordinariat statt.
Ein Bayer dokumentiert die Aachener Fastnachtsanfänge
Auf die Verbindung des Regensburger Faschings nach Mainz, eine der vier rheinischen Hochburgen, ist ja schon hingewiesen worden. Aber auch zum Aachener Karneval, dem „Öcher Fastelovend“, hat Regensburg ganz interessante Bezüge. Nicht nur, dass die Präfektin der Marianischen Frauenkongregation Regensburg, Gloria von Thurn und Taxis, im Jahre 2008 den „Orden wider den tierischen Ernst“ verliehen bekam. Im Vorgarten von Basilika und damit auch Schloss St. Emmeram liegt jener große bayerische Geschichtsschreiber begraben, der vom Umzug eines Narrenschiffes um das Jahr 1133 in Aachen und Umgebung berichtete. Die Rede ist von Johann Georg Turmair, besser bekannt als Aventinus.
Auffällig ist auch, dass die Hochburgen des närrischen Treibens, egal ob nun Rheinland oder Bayern, stets auch katholische Bischofsitze sind, wie Köln, Mainz und Aachen oder München, Würzburg und Regensburg. Nur das überwiegend protestantische Nürnberg macht da in Bayern eine Ausnahme. Was sicher aber nicht heißen soll, das Frohsinn und Ausgelassenheit ein katholisches Privileg wären.
In diesem Sinne, eine fröhliche und auch gesegnete Faschingszeit!
Carl Prämassing, freier Redakteur für die Bischöfliche Pressestelle im Bistum Regensburg